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Aufsichtsbehördliches Verfahren nach § 70 Abs 2 BWG – Schutzzweck

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AVG: § 17

BWG: § 70

§ 70 BWG normiert eine Reihe von Aufsichtsbefugnissen der FMA in ihrem Zuständigkeitsbereich als Bankenaufsichtsbehörde, die sie jederzeit zur Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Kreditinstitute-Verbünde und der Kreditinstitutsgruppen wahrnehmen kann. Es handelt sich dabei um Gläubigerschutzmaßnahmen, die die FMA mit befristeter Wirksamkeit für den Fall anordnen kann, dass die Gefahr besteht, dass ein Kreditinstitut seine Verpflichtungen “gegenüber seinen Gläubigern“ nicht erfüllen kann, oder die Stabilität des Finanzsektors dies erfordert. Der in § 70 Abs 2 BWG als Schutzzweck genannte Gläubigerschutz ist iS eines kollektiven Gläubigerschutzes zu verstehen und meint die Gesamtheit der Bankkunden. Es lassen sich daher für die einzelnen Bankkunden als Bankgläubiger daraus keine subjektiven Rechte ableiten; einem solchen kommt daher mangels Parteistellung kein Recht auf Akteneinsicht in das aufsichtsbehördliche Verfahren nach § 70 Abs 2 BWG zu.

VwGH 19. 4. 2022, Ra 2021/02/0251

Entscheidung

VwGH-Rsp: Keine Parteistellung von Dritten

Der VwGH hat bereits in anderen aufsichtsbehördlichen Verfahren die Parteistellung von Dritten verneint:

In einem aufsichtsbehördlichen Verfahren nach § 70 Abs 4 BWG gegen ein Kreditinstitut sprach der VwGH aus, dass sich aus einem Auftrag an das Kreditinstitut gem § 70 Abs 4 BWG zwar (wirtschaftliche) Folgen für die Aktionäre des Kreditinstituts ergeben könnten, dies jedoch keine subjektiven Rechte der Aktionäre begründe. Dem Kreditinstitut komme zwar ein Recht darauf zu, dass ein Auftrag nach § 70 Abs 4 BWG nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und nur in dem gesetzlich gedeckten Umfang erteilt werde. Darüber hinaus sei aus § 70 Abs 4 BWG aber nicht abzuleiten, dass sich die Finanzmarktaufsichtsbehörde bei ihren Entscheidungen über Maßnahmen gem § 70 Abs 4 BWG mit Fragen der Interessen der Aktionäre des Kreditinstitutes auseinanderzusetzen hätte, die dadurch zu rechtlich geschützten Interessen würden (VwGH 24. 10. 2006, 2006/17/0143, ZFR 2007/61).

In einem anderen Fall ging es um ein Verfahren gem § 69 BWG betreffend die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Bausparkassengesetzes (VwGH 22. 2. 1999, 98/17/0355, ARD 5033/26/99). Darin hielt der VwGH fest, dass sich ein Recht auf Akteneinsicht gem § 17 AVG nicht daraus ableiten lasse, dass die Einsicht in Akten für jemanden im Hinblick auf die Durchsetzung seiner Interessen in einem anderen Verfahren von Bedeutung wäre oder dass die Bankenaufsicht dem Schutz der Bausparer diene. Aus dem Interesse der Bausparer an einer effizienten Kontrolle der Bausparkassen könne nicht abgeleitet werden, dass damit jeder Bausparer vermöge eines Rechtsanspruchs iSd § 8 AVG am aufsichtsbehördlichen Verfahren beteiligt wäre.

Keine Parteistellung des einzelnen Bankkunden

Diese Überlegungen sind auch auf den gegenständlichen Fall übertragbar, in dem eine Parteistellung von Geschäftskunden einer Bank behauptet wird, die in einem aufsichtsbehördlichen Verfahren Gegenstand aufsichtsbehördlicher Maßnahmen nach § 70 Abs 2 BWG ist.

§ 70 BWG normiert eine Reihe von Aufsichtsbefugnissen der FMA in ihrem Zuständigkeitsbereich als Bankenaufsichtsbehörde, die sie jederzeit zur Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Kreditinstitute-Verbünde und der Kreditinstitutsgruppen wahrnehmen kann. Es handelt sich dabei um Gläubigerschutzmaßnahmen, die die FMA mit befristeter Wirksamkeit für den Fall anordnen kann, dass die Gefahr besteht, dass ein Kreditinstitut seine Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nicht erfüllen kann, oder die Stabilität des Finanzsektors dies erfordert (siehe Johler in Dellinger, BWG [8. Lfg.] § 70 BWG, Rz 51).

Zur Frage des Schutzzwecks des Bankenaufsichtsrechts hat der VfGH (VfGH 16. 12. 2021, G 224/2021 ua, Rz 2.1.8.2., RdW 2022/5) festgehalten, „dass die nationalen und unionsrechtlichen bank- und auch sonstigen finanzmarktaufsichtsrechtlichen Regelungen das Ziel eines reibungslosen Funktionierens des Banken- und sonstigen Finanzsektors als eines für die Volkswirtschaft wesentlichen Wirtschaftsbereiches verfolgen. Das Bank- und sonstige Finanzmarktaufsichtsrecht dient damit im Ergebnis auch dem Gläubigerschutz. Dabei handelt es sich aber um den Schutz der Gläubiger (An- und Einleger) in ihrer Gesamtheit; es geht sohin um den abstrakten oder institutionellen Gläubigerschutz. Dieser (Gläubiger-)Schutz ist ein Teilelement des Funktionsschutzes, den das Bank- und sonstige Finanzmarktaufsichtsrecht als wesentliches Ziel verfolgt. Die An- und Einleger sollen in ihrer Gesamtheit Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzmarktes haben. Dem bank- und sonstigen finanzmarktaufsichtsrechtlichen Regelungsregime liegt also nicht das Konzept zugrunde, einzelne An- und Einleger im Wege der Amtshaftung schadenersatzrechtlich vor Aufsichtsfehlern zu schützen.“

Der VwGH teilt diese Auffassung. Dieses Auslegungsergebnis trifft auch auf die Setzung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen nach § 70 Abs 2 BWG zu. Der in § 70 Abs 2 BWG als Schutzzweck genannte Gläubigerschutz ist demnach iS eines kollektiven Gläubigerschutzes zu verstehen und meint die Gesamtheit der Bankkunden. Für die einzelnen Bankkunden als Bankgläubiger lassen sich daher daraus keine subjektiven Rechte ableiten. Der mitbeteiligten Partei kommt somit mangels Parteistellung kein Recht auf Akteneinsicht in das aufsichtsbehördliche Verfahren nach § 70 Abs 2 BWG zu.

Soweit die mitbeteiligte Partei darauf hinweist, dass sich aus der Rsp des VwGH (Verweis auf VwGH 16. 11. 2011, 2007/17/0176, ZFR 2012/100, unter Verweis auf VwGH 16. 9. 1994, 94/17/0159, jeweils zu aufsichtsbehördlichen Verfahren nach dem WAG) ableiten lasse, dass aus § 70 Abs 2 BWG nicht nur der FMA subjektive Rechte und damit eine Parteistellung erwachsen könnten, übersieht sie in ihrer Argumentation, dass damit die von den Aufsichtsmaßnahmen betroffenen Kreditinstitute gemeint sind. In den genannten Entscheidungen wurde ausgesprochen, dass dem betroffenen Kreditinstitut bzw Wertpapierdienstleistungsunternehmen dieses Recht zukomme (dort: auf Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben bei Anordnung der jeweiligen Maßnahmen) - nicht aber einzelnen Kunden des betroffenen Kreditinstituts.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32629 vom 03.06.2022