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Außerlandesbringung von begünstigten Drittstaatsangehörigen?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

FPG: § 61

Der gesetzlichen Systematik entspricht es, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen in jedem Fall an die engeren Voraussetzungen der Ausweisung (§ 66 FPG) oder des Aufenthaltsverbots (§ 67 FPG) geknüpft sind, auch wenn der Betroffene in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (der dort noch zu prüfen ist) oder ein im Inland gestellter Antrag nach den §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist. Dieser Befund wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt (ErläutRV 1803 BlgNR 24. GP 52), wonach für begünstigte Drittstaatsangehörige - die insoweit mit EWR-Bürgern und Schweizern gleichgestellt sind - als aufenthaltsbeendende Maßnahme nur die Ausweisung nach § 66 FPG in Betracht kommen soll (geregelt im 4. Abschnitt des 8. Hauptstücks), während eine Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) oder Anordnung zur Außerlandesbringung (§ 61 FPG) – beide geregelt im 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes – lediglich gegenüber anderen (nicht begünstigten) Drittstaatsangehörigen ergehen kann.

Der Satz „Dies gilt nicht für begünstige Drittstaatsangehörige“ ist in § 61 Abs 1 FPG (Anordnung zur Außerlandesbringung) zwar lediglich an die Z 2 angefügt, für eine unterschiedliche Behandlung der Fälle der Z 1 und Z 2 ist jedoch kein Grund erkennbar. Vielmehr wäre es nicht nachvollziehbar, eine Außerlandesbringung von begünstigten Drittstaatsangehörigen nur dann anordnen zu können, wenn diese in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, nicht aber, wenn ein solcher Antrag (nur) in einem anderen Mitgliedstaat gestellt wurde. Auch die Anordnung einer Außerlandesbringung von begünstigten Drittstaatsangehörigen hat somit stets zu unterbleiben, unabhängig davon, ob es sich um einen Fall der Z 1 oder der Z 2 des § 61 Abs 1 FPG handelt.

VwGH 26. 4. 2021, Ra 2021/14/0015

Entscheidung

Betreffend Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs 2 FPG wurde bereits ausgesprochen, dass solche gegen begünstigte Drittstaatsangehörige von vornherein nicht in Betracht kommen und für aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen begünstigte Drittstaatsangehörige - ebenso wie für EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG und Schweizer Bürger - in den §§ 66 und 67 FPG eigene Regelungen geschaffen wurden (vgl VwGH 14. 11. 2017, Ra 2017/20/0274, Rn 43).

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung (§ 61 FPG) gleicht der Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG, von der sie sich jedoch hinsichtlich des Zielstaates unterscheidet. Während eine Rückkehrentscheidung den Drittstaatsangehörigen zur Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat verpflichtet (§ 52 Abs 8 FPG), beinhaltet die Anordnung zur Außerlandesbringung einen Ausreisebefehl in einen Mitgliedstaat des EWR-Abkommens oder die Schweiz. Ein solcher kommt insb im Rahmen des „Dublin-Systems“ in Betracht. Während § 61 Abs 1 Z 1 FPG - va - jene Fälle erfasst, in denen wegen „Zuständigkeit eines anderen Staates“ ein in Österreich gestellter Antrag auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, bezieht sich die Z 2 auf Konstellationen, in denen eine derartige Antragstellung in Österreich unterblieben ist, eine Überstellung (insbesondere) „aufgrund der Dublin-Verordnung“ jedoch in Betracht kommt.

Zwar ist in § 61 Abs 1 FPG der Satz „Dies gilt nicht für begünstige Drittstaatsangehörige“ lediglich an die Z 2 angefügt, für eine unterschiedliche Behandlung der Fälle der Z 1 und Z 2 ist jedoch kein Grund erkennbar und auch die Anordnung einer Außerlandesbringung von begünstigten Drittstaatsangehörigen hat somit stets zu unterbleiben, unabhängig davon, ob es sich um einen Fall der Z 1 oder der Z 2 handelt. Dementsprechend hat der VwGH auch bereits - wenn auch nicht tragend - im Erk VwGH 24. 3. 2015, Ra 2015/21/0004, ausgeführt, dass eine Anordnung zur Außerlandesbringung „nur gegen - nicht begünstigte - Drittstaatsangehörige“ in Betracht kommt, ohne weiter zu differenzieren.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31104 vom 28.06.2021