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Außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StPO § 362

Der OGH ist gem § 362 Abs 1 Z 2 StPO berechtigt - nach Anhörung des Generalprokurators im außerordentlichen Weg und ohne Bindung an die Bedingungen des § 353 StPO - die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Verurteilten zu verfügen, wenn sich ihm bei einer Prüfung der Akten auf besonderen Antrag des Generalprokurators erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrunde gelegten Tatsachen ergeben, die auch nicht durch einzelne vom OGH etwa angeordnete Erhebungen beseitigt werden.

Zwar ist es zutreffend, dass § 362 Abs 1 Z 2 StPO analog auch auf Entscheidungen angewendet werden kann, die nicht in Urteilsform ergehen, doch findet dies nach Rsp und Lehre nur bei „letztinstanzlichen“ Entscheidungen statt, setzt also deren Rechtskraft voraus. Für eine Ausweitung der analogen Anwendung des subsidiären Rechtsbehelfs auch auf einen - wie hier - noch mit Beschwerde anfechtbaren erstinstanzlichen Beschluss besteht keine Notwendigkeit. Zumal im Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot gilt (§ 89 Abs 2b StPO), kann nämlich dem Umstand, dass die Entscheidung auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv falschen Verfahrensgrundlage erging, noch im Instanzenzug Rechnung getragen werden.

OGH 16. 11. 2016, 15 Os 111/16m

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall wurde die bedingte Entlassung widerrufen und der Vollzug des Strafrests angeordnet. Das Vollzugsgericht ging in diesem Widerrufsbeschluss (vom 10. 3. 2016) im Wesentlichen davon aus, dass der bedingt Entlassene (G*****) unmittelbar nach der Entlassung „untergetaucht“ sei, sich weder bei der Bewährungshilfe noch bei der Therapieeinrichtung gemeldet und sich überdies der polizeilichen Meldepflicht entzogen habe.

Diese Entscheidung erwuchs nur gegenüber der Staatsanwaltschaft in Rechtskraft, dem bedingt Entlassenen wurde sie noch nicht zugestellt.

Am 19. 4. 2016 langte im Vollzugsakt ein Bericht der LPD Wien ein, wonach G***** am 24. 9. 2015 in die Türkei abgeschoben und mit einem zehnjährigen Einreiseverbot belegt worden sei.

Der Generalprokurator beantragte nun im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Verfahrens über den Widerruf der bedingten Entlassung, weil aufgrund dieses Berichts erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Annahmen im Widerrufsbeschluss bestünden, ohne dass dem Gericht ein Rechtsfehler anzulasten wäre.

Dieser Antrag wurde vom OGH abgewiesen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23028 vom 30.01.2017