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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
EMRK Art 6
Der vorliegenden Klagsführung eines Kreditinstituts gegen seine vormaligen Aktionäre und Organwalter aus Schadenersatz kann zwar das Bankgeheimnis nicht entgegenstehen. Die Öffentlichkeit ist jedoch von den Verhandlungen für die Dauer der Erörterung von bankgeheimnisrelevanten Themen auszuschließen.
Hiezu ist nicht erforderlich, dass die Kl behauptet und bescheinigt, dass von den Kunden (Kreditnehmern) keine Entbindung vom Bankgeheimnis zu erlangen gewesen sei. Schon ein Kreditnehmer, der seinen Kredit regelmäßig bedient, wird idR einer Entbindung des Kreditinstituts vom Bankgeheimnis nicht zustimmen, weil ihm dies als am Verfahren nicht Beteiligten keinerlei Vorteil, sondern nur allfällige Nachteile bringen kann. Umso mehr werden sich Kreditnehmer, die ihren Kredit – wie hier – nicht mehr vertragsgemäß zurückzahlen können, weigern, das Kreditinstitut vom Bankgeheimnis zu entbinden, damit nicht auf diese Weise ihre mangelnde Kreditwürdigkeit öffentlich wird. Schon aufgrund der konkreten Lage des vorliegenden Falles kann daher auch ohne Nachfrage bei den einzelnen Kreditnehmern als bescheinigt angenommen werden, dass diese das Kreditinstitut vom Bankgeheimnis nicht entbinden werden.
OGH 19. 11. 2014, 6 Ob 157/14b
Entscheidung
Antrag der Kl
Die Kl beantragte in erster Instanz den Ausschluss der Öffentlichkeit für Tagsatzungen, in denen Informationen behandelt würden, die dem Bankgeheimnis und/oder dem Betriebsgeheimnis der Kl unterlägen. Sie bekämpfte den zur Gänze abweisenden Beschluss des ErstG aber nur betreffend bankgeheimnisrelevante Themen, nicht aber auch zu (bloßen) Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen; diese Frage war daher nicht mehr Gegenstand der Prüfung durch den OGH.
Bisherige Rsp
In seiner Begründung setzt sich der OGH ausführlich mit der bisherigen Rsp und Lehre auseinander.
Der E 7 Ob 707/88 (7 Ob 708/88), SZ 62/69 = RdW 1989, 224 (verstärkter Senat) lag die Schadenersatzklage einer Bank gegen ihr ehemaliges Vorstandsmitglied (das auch zum Geschäftsleiter bestellt worden war) wegen Pflichtverletzungen zugrunde; der zu beurteilende Sachverhalt war damals noch nicht nach der KWG-Novelle 1986 zu beurteilen (Laurer in Fremuth/Laurer/Pötzelberger/Ruess, KWG2 [1991] § 23 FN 148) und der OGH bejahte den Entfall des Bankgeheimnisses unter Berufung auf die Vorentscheidung SZ 57/29 und das dort gebrauchte Notwehrargument. Er schloss seine diesbezüglichen Ausführungen mit dem Satz: „Dieselben Grundsätze müssen aber auch für Auseinandersetzungen einer Bank mit ihren ehemaligen Angestellten oder Funktionären gelten.“
Diese Beurteilung hat – so der OGH hier – nicht die erhöhte Bestandsgarantie eines Rechtssatzes eines verstärkten Senats iSd § 8 OGHG und § 55 OGH-Geo, weil die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung damals nur ein Verjährungsproblem betraf. Außerdem könne dieser lapidare Satz der Entscheidung SZ 62/69 als Begründung einer Durchbrechung des Bankgeheimnisses nicht aufrechterhalten werden: Zum Einen habe sich die Rechtslage geändert, zum Anderen müsse kraft der Geltung des § 38 Abs 2 Z 7 BWG (vormals § 23 Abs 2 Z 5 KWG) im Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunden nicht mehr das Notwehrargument bemüht werden.
An den Erwägungen der Entscheidung 9 Ob 34/12h, LN Rechtsnews 14394 vom 15. 1. 2013 = RdW 2013/147 hält der OGH hingegen ausdrücklich fest. In dieser E hatte der OGH ua ausgesprochen, dass das Bankgeheimnis nicht lückenlos gelte, insb sehe § 38 Abs 2 BWG zahlreiche (oben schon wiedergegebene) Ausnahmen vor. Die Aufzählung des § 38 Abs 2 BWG gelte nach herrschender Ansicht als demonstrativ. Aus den gesetzlichen und von der Rsp entwickelten Durchbrechungen des Bankgeheimnisses gehe hervor, dass diesem keine absolute Stellung zukomme.
Klagsführung – Durchbrechnung des Bankgeheimnisses
Im Licht dieser Entscheidung und der Lehrmeinungen kam der erkennende Senat zum Ergebnis, dass das Bankgeheimnis im vorliegenden Fall der Klagsführung des klagenden Kreditinstituts gegen ihre vormaligen Aktionäre und Organwalter aus Schadenersatz nicht entgegenstehen kann. Dies begründete der OGH folgendermaßen:
„Es muss – auch und gerade im Interesse ihrer Kunden – dem Kreditinstitut wie jedem anderen Rechtssubjekt möglich sein, unter den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen Schadenersatz von Schädigern zu verlangen und gerichtlich durchzusetzen. Die von den Bekl vertretene Meinung, die Kl könne im vorliegenden Prozess alle Umstände, deren Offenbarung das Bankgeheimnis entgegensteht (hier eben zB alle notleidenden Kreditverhältnisse), eben nicht vortragen und beweisen, brächte die Kl in einen derartigen Notstand, dem Gesetz gemäß vorzubringen (§§ 178, 182 ZPO), und in einen derartigen Beweisnotstand, dass eine sinnvolle Klagsführung unmöglich wäre und die Kl somit diese Schadenersatzansprüche nicht verfolgen könnte. Dieses Ergebnis stünde im Hinblick auf die Ungleichbehandlung des klagenden Kreditinstituts unter dem Verdacht, gleichheitswidrig und damit verfassungswidrig zu sein (Art 2 StGG, Art 7 B-VG). Ein solches wohl verfassungswidriges Auslegungsergebnis ist aber zu vermeiden (RIS-Justiz RS0008793).“
Dabei komme es nicht darauf an, ob die hier zu befürwortende Durchbrechung des Bankgeheimnisses auf eine extensive Interpretation von § 38 Abs 2 Z 7 BWG oder schlicht darauf gestützt wird, dass der Katalog der Ausnahmen vom Bankgeheimnis in § 38 Abs 2 BWG nach herrschender Auffassung nicht taxativ ist und hier ein gesetzlich nicht geregelter Ausnahmetatbestand vorliegt.
Ausschluss der Öffentlichkeit
Schon um der Kl die Verfolgung ihrer Ansprüche und gleichzeitig die Einhaltung des Bankgeheimnisses gegenüber der Öffentlichkeit zu ermöglichen, erachtete der OGH es aber als notwendig, die Öffentlichkeit von den Verhandlungen auszuschließen.
Im Licht der zitierten Rsp und Lehre teilte der erkennende Senat außerdem die von der Kl geäußerten Bedenken gegen die vom RekursG gemachte Bedingung für den Ausschluss der Öffentlichkeit, nämlich die Behauptung und Bescheinigung durch die Kl, dass von den Kunden keine Entbindung vom Bankgeheimnis zu erlangen gewesen sei. Der OGH begründete dies so:
„Schon ein Kreditnehmer, der seinen Kredit regelmäßig bedient, wird in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der die Bankkunden nicht Parteien des Verfahrens sind, idR einer Entbindung des Kreditinstituts vom Bankgeheimnis nicht zustimmen, weil ihm dies als am Verfahren nicht Beteiligten keinerlei Vorteil, sondern nur allfällige Nachteile bringen kann. Umso mehr werden sich Kreditnehmer, die ihren Kredit nicht mehr vertragsgemäß zurückzahlen können - nach dem Klagevorbringen handelt es sich hier gerade um notleidende Kredite - weigern, das Kreditinstitut vom Bankgeheimnis zu entbinden. Sie müssten ja dann damit rechnen, dass auf diese Weise ihre mangelnde Kreditwürdigkeit öffentlich wird, was ihnen in ihren Geschäftsbeziehungen naturgemäß schaden wird, etwa dahingehend, dass sich Geschäftspartner abwenden, dass keine Stundungen mehr gewährt werden usw, was unter Umständen eine drohende Insolvenz geradezu noch beschleunigt.
Unter diesen Umständen ist mit einer Entbindung vom Bankgeheimnis kaum jemals zu rechnen, weshalb sich das vom RekursG angedachte Szenario eher als theoretisch darstellt. Man könnte mit anderen Worten auch sagen, dass schon aufgrund der konkreten Lage des vorliegenden Falles auch ohne Nachfrage bei den einzelnen Kreditnehmern als bescheinigt angenommen werden kann, dass diese das Kreditinstitut vom Bankgeheimnis nicht entbinden werden.
Auch der von der Kl vorgebrachte Umstand, dass allein die Anfrage bei den Kreditnehmern von diesen negativ aufgenommen wird und sich so auf allfällige Restrukturierungsverhandlungen schädlich auswirken kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Unter den konkreten Umständen ist eine solche Anfrage des klagenden Kreditinstituts bei ihren Kreditnehmern nicht zumutbar.“
Nach Ansicht des OGH geht der - unbedingte - Ausschluss der Öffentlichkeit in dem hier begehrten Ausmaß auch nicht über den erforderlichen Umfang iSd Art 6 Abs 1 letzter Satz EMRK hinaus.