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Bankgeheimnis – nichtige Zession einer Kreditforderung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1392

BWG: § 38

Der Name und die Kontaktdaten des Kreditnehmers, die Kreditaufnahme, die Höhe des Kreditvolumens und die mit der Rückzahlung verbundenen Umstände können bankgeheimnisrelevante Tatsachen iSd § 38 BWG darstellen. Der Schutz des Kunden vor einer Offenbarung oder Verwertung der maßgeblichen Daten fällt nicht schon dann weg, wenn das Kreditinstitut bloß von dritter Seite mit solchen Daten konfrontiert wird, schafft in solchen Fällen idR doch erst eine bestätigende Reaktion des Kreditinstituts Gewissheit über die Richtigkeit des Informationsgehalts.

Im vorliegenden Fall erwies sich die Zession einer Kreditforderung an einen Zessionar, der nicht dem Bankgeheimnis unterliegt, wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis als nichtig: Der Kredit war von drei Personen gemeinsam aufgenommen worden. Noch vor dem ersten Kontakt zwischen Zessionar und Bank übergab die Erstkreditnehmerin dem künftigen Zessionar die relevanten Informationen und Unterlagen zum Kreditvertrag. Gewissheit über den Bestand des Kreditvertrags und die Richtigkeit der Informationen auch bezüglich der beiden anderen Kreditnehmer konnte der Zessionar aber erst dadurch erlangen, dass die Bank mit ihm Kontakt aufnahm und in der Folge über die Abtretung der gegenüber allen drei Kreditnehmern bestehenden Kreditforderung verhandelte.

OGH 27. 9. 2017, 9 Ob 62/16g

Sachverhalt

Das beklagte Kreditinstitut hatte im Jahr 1993 K*****, ihrem Schwager und ihrer Schwester (idF: Erst-, Zweit- und Drittkreditnehmer[in]) einen Kredit eingeräumt. Das Verhältnis zwischen den drei Kreditnehmern verschlechterte sich, es bestand Uneinigkeit über die weiteren Kreditrückzahlungen an die Bekl. Spätestens seit 2001 wurde der Kredit nicht mehr vertragsgemäß bedient. Mit Schreiben vom 12. 7. 2001 wandten sich der Zweit- und die Drittkreditnehmerin an die Bekl, informierten sie über verschiedene Probleme im Verhältnis zur Erstkreditnehmerin, teilten der Bekl mit, dass ihre Finanzsituation eine weitere Tilgung des Kredits nicht möglich mache und baten sie, „die Verhandlung der Beendigung des Kredites“ mit der Erstkreditnehmerin zu führen.

In der Folge initiierte die Erstkreditnehmerin die Abtretung der Kreditforderung an die Kl und informierte diese über alle notwendigen Punkte des Kreditverhältnisses; dadurch kannte die Kl nicht nur die Personaldaten der Kreditnehmer, sondern auch deren Obligo.

In weiterer Folge wurde die Kreditforderung (ohne Zustimmung der beiden weiteren Kreditnehmer) an die Kl zediert. Über die Kreditschuldner, die Kreditaufnahme, die Höhe des Kreditvolumens und die mit der Rückzahlung verbundenen Umstände erteilte die Bekl als zedierende Bank erst durch ihre rechtsgeschäftlichen Erklärungen im Zessionsvertrag Informationen.

Am 2. 2. 2006 brachte die Kl beim ErstG eine Klage gegen die drei Kreditnehmer auf Zahlung von 61.407,90 € sA ein. Die dort Zweit- und Drittbeklagten wandten ua ein, dass die Forderungsabtretung wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis unwirksam sei. Die Bekl trat diesem Verfahren nicht als Nebenintervenientin bei und es erfolgte auch keine Streitverkündigung an sie.

Nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs wurde festgestellt, dass der Anspruch der Kl gegen die Erstkreditnehmerin dem Grunde nach zu Recht besteht. Hingegen wurde das Klagebegehren infolge Revision (nur) des Zweit- und der Drittkreditnehmerin im Wesentlichen mit der Begründung rechtskräftig abgewiesen, dass die Forderungsabtretung aufgrund der Verletzung des Bankgeheimnisses nicht wirksam sei (9 Ob 34/12h, Rechtsnews 14394 = RdW 2013/147).

Das Verfahren – nun nur mehr gegen die Erstkreditnehmerin – ist derzeit noch nicht abgeschlossen.

Im vorliegenden Verfahren begehrte nun die Kl von der Bekl insb die Rückzahlung des für die Forderungsabtretung bezahlten Betrags von 61.407,90 €. Diesem Begehren wurde vom OGH stattgegeben.

Entscheidung

Nichtige Zession

In seinen Entscheidungsgründen stellt der OGH zur Nichtigkeit der Zession im konkreten Fall weiters klar:

Dass die bekl Bank die Kreditvertragsurkunde erst nach der Forderungsabtretung an den Kl (Zessionar) übersandte, ist hier ohne Belang, weil die maßgeblichen Informationen bereits davor Verhandlungsgegenstand waren.

Darin dass die beiden anderen Kreditnehmer die Bank zuvor für die Verhandlung über die Beendigung des Kreditverhältnisses an die Erstkreditnehmerin verwiesen haben, liegt noch keine Zustimmung zur Offenbarung der kreditvertragsrelevanten Daten an unbekannte Dritte.

Verstößt der Abschluss eines Abtretungsvertrags gegen das Bankgeheimnis (§ 38 BWG), kann sich auch der Zessionar gegenüber dem Zedenten auf die Unwirksamkeit der Abtretung berufen. Ob sich auch das zedierende Kreditinstitut auf die Nichtigkeit berufen kann, kann hier dahingestellt bleiben.

Ob im Fall einer Solidarschuld der Abtretungsvertrag dann, wenn nur ein Teil der Solidarschuldner der Abtretung zugestimmt hat, teil- oder gesamtnichtig ist, richtet sich danach, ob die Solidarschuld nach dem Willen der Parteien des Abtretungsvertrags teilbar sein sollte.

Die Rechtskraft eines Urteils, das den Schuldner gegenüber dem Zessionar zur Zahlung der abgetretenen Schuld verpflichtet (siehe dazu Näheres unten), erstreckt sich nicht auf den Zedenten, der dem Verfahren nicht beigezogen war. Sie steht daher der Annahme einer Gesamtnichtigkeit des Abtretungsvertrags in dem Verfahren zwischen den Parteien des Abtretungsvertrags nicht entgegen.

Haftungsausschluss

Die bekl Bank hält der Gesamtnichtigkeit im vorliegenden Fall ua den Haftungsausschluss entgegen, der im Abtretungsvertrag vereinbart worden war. Danach haftet sie weder für die Richtigkeit noch für die Einbringlichkeit der abgetretenen Forderung und auch nicht dafür, „dass die Formulierung des Zessionsvertrags geeignet ist, die Forderung gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen“.

Selbst wenn man der Bekl darin folgt, dass die Nichtigkeit des Vertrags noch nicht zwingend auch diese Klausel zu Fall bringt, weil der Haftungsausschluss nach dem Parteiwillen auch ein Rückabwicklungsverhältnis (wegen Unwirksamkeit des Vertrags) betreffen soll, wäre für sie nichts gewonnen: Dass sie die Haftung für die „Eignung des Zessionsvertrages zur Geltendmachung der Forderung“ ausschließen wollte, muss aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers nicht dahin verstanden werden, dass ein (Forderungs-)Verkäufer trotz Nichtigkeit des Kaufvertrags den Kaufpreis behalten darf, wäre dafür doch keine Rechtsgrundlage mehr ersichtlich.

Zessionsverbot verhindert Einlösung

Die Bekl beruft sich für ihren Rechtsstandpunkt ua auf § 1422 ABGB, wonach es infolge der Zahlung der Schuld durch die Kl zur Einlösung der Forderung gekommen sei. Dem hält der OGH ua entgegen, dass vor allem gesetzliche Zessionsverbote nach Maßgabe des Verbotszwecks von vornherein den Übergang der Forderung verhindern – und damit die Wirkung einer Einlösung. Das muss auch gelten, wenn das Zessionsverbot aus § 38 BWG abgeleitet wird, wäre doch sonst mit einer Einlösung iSd § 1422 ABGB der Gesetzeszweck des § 38 BWG zu vereiteln.

In diesem Sinn wurde auch die Vorentscheidung 9 Ob 34/12h (= RdW 2013/147 = Rechtsnews 14394) in der Lit dahin aufgefasst, dass die Einlösung der Forderung eines Kreditinstituts durch einen nicht dem Bankgeheimnis unterliegenden Zessionar nichtig sein kann (Koziol/Spitzer, KBB ABGB5 § 1422 Rz 5).

Die Bekl kann sich demnach auch nicht darauf berufen, dass die Forderung gegenüber allen drei Solidarschuldnern im Wege der Einlösung auf die Kl übergegangen wäre.

Keine rechtsmissbräuchliche Klagsführung

Schikane liegt nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265 ua).

Derartiges liegt nach Ansicht des OGH hier aber nicht vor: Selbst wenn auch der Kl bekannt gewesen sein sollte, dass die Kreditforderung dem Bankgeheimnis unterliegt, ist ihr aus dem Umstand, dass sie sich über Drängen der Erstkreditnehmerin zur Übernahme der Kreditforderung bereit erklärte, noch nicht der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu machen. Als branchenfremde tschechische Gesellschaft mussten ihr die Einzelheiten und Wirkungsweisen des österreichischen Bankgeheimnisses auch nicht so weit bekannt sein, dass sie über die Einwilligungserfordernisse bei einer Solidarschuld Bescheid wissen hätte müssen. Dadurch, dass sie auf die Information der Erstkreditnehmerin vertraute, setzte sie kein anderes Verhalten als die Bekl selbst, die dem von der Erstkreditnehmerin offenkundig ausgehenden Druck letztlich nicht standhielt.

Einen Rückabwicklungsanspruch machte die Kl mit ihrer Klagsführung erst zu einem Zeitpunkt geltend, als ihr mit der Vorentscheidung (9 Ob 34/12h) die davor fragliche Verletzung des Bankgeheimnisses zur Gewissheit wurde. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ist darin noch nicht zu sehen.

Vorprozess: Verpflichtung zur Leistung an den Zessionar

Im Vorprozess wurde ein Anspruch der Kl gegen die Erstkreditnehmerin dem Grunde nach rechtskräftig bejaht. Die Bekl meint nun, dass dieses Urteil der Unwirksamkeit des Forderungsübergangs in Bezug auf die Erstkreditnehmerin entgegenstehe. Damit spricht sie die materielle Rechtskraft des Berufungsurteils im Vorprozess an, deren Wesen darin liegt, autoritativ und endgültig festzustellen, was rechtens ist (Feststellungswirkung).

Nach herrschender Ansicht liegt die Funktion der Feststellungswirkung nicht darin, eine neue materiell-rechtliche Grundlage für die Beziehung zwischen den Prozessparteien zu schaffen (materielle Rechtskrafttheorie), sondern in der deklarativen Feststellung, was rechtens ist (prozessuale Rechtskrafttheorie), womit jede neuerliche Entscheidung über den bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruch ausgeschlossen ist (s Rechberger in Rechberger, ZPO4 Vor § 390 Rz 25 ff mwN; Fasching/Klicka in Fasching/Konecny ZPG2 III § 411 Rz 17 ff mwN).

Die Feststellungswirkung hat jedoch eine subjektive Grenze. Sie wirkt grundsätzlich nur inter partes, dh zwischen den Parteien des Rechtsstreits, weil die Wirkung einer Entscheidung schon aus Gründen der Gehörverletzung keine andere Person treffen kann, die nicht in das Verfahren miteinbezogen war (RIS-Justiz RS0041175; RS0041567 [Pkt 1]). Ein besonderer Fall einer erweiterten Rechtskraftwirkung liegt nicht vor (zu den einzelnen Fallgruppen Fasching/Klicka aaO Rz 111 ff).

Eine allgemeine Rechtskrafterstreckung kraft zivilrechtlicher Abhängigkeit auf an einem Rechtsverhältnis Drittbeteiligte ist schon in Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK abzulehnen (hA, s nur Fasching/Klicka aaO Rz 123 ff) und es liegt auch nicht das Problem einer Vorfrage vor, weil die im Vorprozess erfolgte Klärung des Anspruchs der Kl gegenüber der Erstkreditnehmerin keine Voraussetzung für die Beurteilung der Wirksamkeit des Abtretungsvertrags ist (vgl RIS-Justiz RS0041567 [Pkt 2.]).

Das im Vorverfahren ohne Beteiligung der Bekl ergangene (Zwischen-)Urteil steht daher im vorliegenden Verfahren der Beurteilung des Abtretungsvertrags als (total-)nichtig nicht entgegen.

Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung

Rechtsfolge der Nichtigkeit ist die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Vertrags (§ 877 ABGB), der zufolge die jeweils erbrachten Leistungen zurückzuerstatten sind.

Zurecht verlangt die Kl von der Bekl daher die Rückerstattung des Kaufpreises, den sie für die Kreditforderung an die Bekl bezahlt hat.

Eine Rückübertragung der Kreditforderung kommt dagegen nicht in Betracht, weil die Abtretungserklärung zwischen den Streitteilen aufgrund der Unwirksamkeit des Abtretungsvertrags zu keinem Übergang der Forderung auf die Kl geführt hat und deshalb auch keine weitere Erklärung oder einen Modus zur Rückstellung erfordert.

Keine Schadenersatzforderung compensando

Die Bekl hält dem Anspruch schließlich compensando eine Schadenersatzforderung entgegen: Der Kl sei bekannt gewesen, dass ein wirksamer Übergang der Forderung gegenüber allen drei Kreditnehmern auf sie problematisch sein könnte; dennoch habe sie es unterlassen, sogleich nach Abschluss des Zessionsvertrags Betreibungsschritte gegen alle Kreditnehmer zu setzen. Sie hätte womöglich bestehende Rechtsunsicherheiten schnellstmöglich einer Klärung zuführen müssen, habe aber über drei Jahre keine entsprechenden Maßnahmen gesetzt, um die Vergrößerung des Schadens zu vermindern, der aus einer vermeintlichen Rechtsunsicherheit womöglich drohte. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot an den Liegenschaftsanteilen der Erstkreditnehmerin wäre so noch nicht eingetragen oder noch anfechtbar gewesen.

Nach Ansicht des OGH lässt sich aus dem Abtretungsvertrag jedoch keine solche Pflicht der Kl ableiten, zumal die Frage nach der bankgeheimnisbedingten Vertrags(un-)wirksamkeit weit eher von der Bekl zu beantworten war. Für die Kl bestand auch kein Grund, nach Vertragserfüllung noch im Interesse der Bekl zu agieren.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24602 vom 04.12.2017