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Behördliche Aufhebung und Abänderung von Bescheiden während VwG-Verfahren

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AVG § 68

Trotz Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde gegen einen Bescheid vor dem VwG kann dieser von der Behörde gem § 68 Abs 2 AVG aufgehoben oder abgeändert werden.

VwGH 16. 11. 2015, Ra 2015/12/0029

Entscheidung

Aufhebung des Bescheides

Die Revision erwies sich im vorliegenden Fall jedoch aus anderen Gründen berechtigt.

Dazu verweist der VwGH zunächst darauf, dass Bescheide, mit denen eine Behörde von der ihr in § 68 Abs 2 AVG eingeräumten Befugnis Gebrauch macht, sowohl eine verfahrensrechtliche als auch eine materiell-rechtliche Komponente aufweisen. Die verfahrensrechtliche betrifft die (Zulässigkeit der) Beseitigung der Sachentscheidung, die materiell-rechtliche die (Neuregelung) der Sache, dh die inhaltliche Gestaltung der zu erlassenden neuen Sachentscheidung. § 68 Abs 2 AVG bietet Maßstab und Grundlage nur für die verfahrensrechtliche Entscheidung; die materiellrechtliche Komponente muss sich an den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften orientieren.

Im vorliegenden Fall war die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Feststellungsbescheid der Dienstbehörde vom 13. 6. 2014 bereits beim BVwG anhängig, als die Dienstbehörde diesen Bescheid mit Bescheid vom 6. 10. 2014 gem § 68 Abs 2 AVG mit der Begründung aufhob, die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei im vorliegenden Fall unzulässig (hier: Feststellung, dass die Voraussetzungen für die beantragte Dienstzuteilungsgebühr nicht vorliegen); vielmehr sei über den Antrag auf Auszahlung dieser Gebühr bescheidmäßig abzusprechen. In der Begründung wies die Dienstbehörde darauf hin, dass in einem neuerlichen Bescheid über den Antrag des Revisionswerbers auf Ausbezahlung einer Dienstzuteilungsgebühr für den genannten Zeitraum abgesprochen werde.

Dieser Aufhebungsbescheid vom 6. 10. 2014 ist nach Ansicht des VwGH dahin zu verstehen, dass durch die bloße Aufhebung das Verfahren beendet wurde, ohne den Weg für eine neuerliche Entscheidung frei zu machen. Mit dem Aufhebungsbescheid wurde - so der VwGH - die „Sache“, nämlich die Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Gebührlichkeit der Dienstzuteilungsgebühr, endgültig erledigt. Dies folge aus der tragenden Begründung dieses Bescheides, wonach die Erlassung eines Feststellungsbescheides in dieser „Sache“ schlechthin unzulässig sei. Eine solche Begründung lässt nach Ansicht der VwGH keinen Raum für die neuerliche Erlassung eines Feststellungsbescheides in der gleichen „Sache“.

Prüfung durch das BVwG

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das BVwG das Beschwerdeverfahren gegen den dienstbehördlichen Bescheid vom 13. 6. 2014 ein (§ 28 Abs 1 iVm § 31 VwGVG) und wies die Beschwerde gegen den dienstbehördlichen Bescheid vom 6. 10. 2014 als unzulässig zurück.

Dieser Beschluss des BVwG wurde nun vom VwGH aufgehoben:

In seiner Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid vom 6. 10. 2014 hat der Revisionswerber substantiiert behauptet, dass die Auffassung der Dienstbehörde objektiv unrichtig sei, ein Feststellungsbescheid betreffend Reisegebühren sei unzulässig. Nach der stRsp des VwGH zu Reisegebühren ist ihre Gebührlichkeit oder Nichtgebührlichkeit zeitraumbezogen festzustellen; nach der gleichermaßen stRsp des VwGH ist weiters eine bescheidförmige Absprache über ein reines Liquidierungsbegehren aufgrund der Zuständigkeit des VfGH nach Art 137 B­VG unzulässig. Der VwGH hält daher das Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers im vorliegenden Fall für nicht von vornherein ungeeignet, die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die ersatzlose Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 13. 6. 2014 aufzuzeigen. Das BVwG hätte daher im Falle der Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides in Angelegenheiten der Reisegebühren seinerseits feststellend darüber abzusprechen gehabt, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe dem Beamten für den maßgeblichen Zeitraum Dienstzuteilungsgebühren gebühren.

Jedenfalls in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, in der gegen den ersatzlos aufgehobenen Bescheid ein Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig war, ist - so der VwGH - die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die gem § 68 Abs 2 AVG getroffene inhaltliche Entscheidung nicht anhand eines Günstigkeitsvergleichs gegenüber dem aufgehobenen Vorbescheid zu prüfen (hier also jenem vom 13. 6. 2014), sondern gegenüber der nach der objektiven Rechtslage gebotenen richtigen Entscheidung (wie sie in Ermangelung der Bescheidaufhebung vom VwG im Rahmen seiner Beschwerdeerledigung zu treffen gewesen wäre).

Das BVwG wäre daher verpflichtet gewesen, im Rahmen einer inhaltlichen Überprüfung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid vom 6. 10. 2014 die dort behauptete Zulässigkeit eines Feststellungsantrages in der vorliegenden Rechtssache zu prüfen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20968 vom 25.01.2016