Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der Zak erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
EMRK Art 6
Das Verbot eines Zwangs zur Selbstbelastung (nemo-tenetur-Prinzip) wird vom EGMR aus Art 6 EMRK (und vom VfGH auch aus Art 90 Abs 2 B-VG) abgeleitet. Es betrifft nur den Zwang zur aktiven Mitwirkung an der Schaffung von Beweisen gegen sich selbst, nicht aber die Verwertung von Material, das unabhängig vom Willen des Beschuldigten bereits eigenständig existiert. Damit unterscheidet der EGMR zwischen einer grundrechtswidrigen unmittelbar erzwungenen (aktiven) Aussage bzw Handlung des Beschuldigten und einer zulässigen wirkungsgleichen Verpflichtung zur (passiven) Mitwirkung an der Beweisführung.
Wurde der Angeklagte gem § 295 StGB (Unterdrückung eines Beweismittels) verurteilt, weil er Beweismittel entfernte, über die er kein Verfügungsrecht hatte und die bereits von anderen ohne sein Zutun in einem Versteck gefunden und der Kriminalpolizei gemeldet worden waren, kann er sich nach diesen Richtlinien der EGMR-Rsp zum nemo-tenetur-Prinzip nicht darauf stützen, eine Verurteilung nach § 295 StGB (Unterdrückung eines Beweismittels) stelle eine menschenrechtswidrige „unmittelbare Ausübung von Druck“ zur Selbstbelastung aus. Wenn der Angeklagte mit seinem Vorbringen die analoge Anwendung der Straflosigkeitsgründe des § 299 Abs 2 bis 4 StGB anstrebt, scheitert dies zufolge Fehlens einer planwidrigen Gesetzeslücke.
OGH 11. 10. 2016, 11 Os 60/16g (11 Os 118/16m)
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall bezog sich der Strafantrag der Staatsanwaltschaft auf das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG und die Unterdrückung eines Beweismittels nach § 295 StGB. Betreffend § 295 StGB wurde ihm vorgeworfen, zwei Plastikdosen samt Waage, einen Schraubenzieher, eine Vielzahl von Plastiksäckchen sowie das Suchtgift aus den Räumlichkeiten eines bestimmten Unternehmens entfernt zu haben, nachdem die Kriminalpolizei bereits Kenntnis von der Existenz der Gegenstände erlangt hatte und nach diesen fahndete.
Vom ErstG wurde der Angeklagte vom Vorwurf der Vorbereitung von Suchtgifthandel freigesprochen, der Beweismittelunterdrückung jedoch schuldig erkannt. Den Freispruch begründete das ErstG im Wesentlichen damit, dass aufgrund der Beseitigung der von den Arbeitskollegen gefundenen Substanz noch vor Eintreffen der bereits verständigten Polizei im Zweifel nicht mehr festgestellt werden könne, dass es sich dabei um eine „illegale Substanz iSd SMG“ gehandelt habe.
Das OLG gab der Berufung des Angeklagten nicht Folge, wogegen dieser den vorliegenden Erneuerungsantrag gem § 363a StPO erhob und (neuerlich) eine Verletzung des nemo-tenetur-Prinzips relevierte.
Der OGH wies den Erneuerungsantrag zurück.