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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
JGG: § 7, § 19
StPO: § 87, § 198, § 199, § 201, § 207, § 209
7. ZPMRK: Art 4
1. Voraussetzung für einen Verstoß gegen das „Doppelverfolgungsverbot“ iSd Art 4 7. ZPMRK ist ein strafrechtliches Verfahren, das durch rechtskräftige Verurteilung oder rechtskräftigen Freispruch endgültig abgeschlossen wurde. Einem rechtskräftigen Freispruch in diesem Sinn kommt auch eine rechtskräftige endgültige Vefahrenseinstellung aus den Gründen des §§ 198 ff StPO (Diversion) gleich.
2. Das Gericht, das – wie hier – eine Verfahrenseinstellung nach § 199 iVm § 201 Abs 4 StPO ins Auge fasst, hat dem Angeklagten das entsprechende Angebot erst nach Anhörung der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen (§ 209 Abs 2 zweiter Satz StPO) und ihn dabei auch darüber aufzuklären (§ 207 StPO), dass der – damit nicht einverstandenen – Anklagebehörde gem § 87 Abs 1, § 209 Abs 2 StPO ein Beschwerderecht gegen die vorläufige Verfahrenseinstellung zukommt.
Nach § 201 Abs 1 und 4 StPO hat (hier) der Vorsitzende des Schwurgerichtshofs (§§ 199, 209 Abs 2 erster Satz StPO iVm §§ 7, 19 Abs 2 JGG) das Verfahren ferner mit Beschluss vorläufig einzustellen, wenn die Voraussetzungen des § 198 StPO (iVm § 7 JGG) vorliegen und der Angeklagte sich (wie hier) ausdrücklich bereit erklärt hat, binnen bestimmter Frist (von höchstens sechs Monaten) unentgeltlich gemeinnützige Leistungen in nach Art und Ausmaß bestimmter Weise zu erbringen. Diese Entscheidung ist dem Angeklagten erst zuzustellen, wenn sie der (anfechtungsberechtigten) Staatsanwaltschaft gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist (§ 209 Abs 2 letzter Halbsatz StPO).
Wurde – wie hier – kein Beschluss auf vorläufige Einstellung (§ 199 iVm § 201 Abs 1 StPO) gefasst, sondern stellt der Vorsitzende des Schwurgerichtshofs vielmehr gem § 199 StPO iVm § 201 Abs 5 StPO (iVm §§ 7, 19 Abs 2 JGG) das Verfahren nach vollständiger Erbringung der gemeinnützigen Leistungen – demnach endgültig – ein, kommt der Staatsanwaltschaft gem § 209 Abs 2 dritter Satz StPO gegen diesen Beschluss ein Beschwerderecht (ua) zu dem Zweck zu, im Falle des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen einer diversionellen Erledigung eine Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht und die Fortführung des Verfahrens zu erwirken.
Sachverhalt
Mit Anklageschrift vom 1. 2. 2018 legte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, mehrere Verbrechen nach § 3g VerbotsG begangen zu haben.
Mit Schriftsatz vom 6. 3. 2018 regte der Angeklagte durch seinen Verteidiger die „diversionelle Erledigung“ an, wogegen sich die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die Tatwiederholung und daher anzunehmende schwere Schuld aussprach. Daraufhin übermittelte der Vorsitzende des Schwurgerichtshofs den Akt am 22. 5. 2018 dem Verein Neustart mit dem Ersuchen um Vermittlung einer gemeinnützigen Leistung für den Angeklagten (in bestimmtem Ausmaß) und teilte dies dem Verteidiger und der Staatsanwaltschaft mit (§ 201 Abs 4 erster Satz StPO).
Im Anschluss an die Rechtsbelehrung durch den Verein Neustart erklärte sich der Angeklagte diesem gegenüber ausdrücklich bereit, die angebotenen gemeinnützigen Leistungen innerhalb der festgelegten Frist zu erbringen.
Ein Beschluss auf vorläufige Einstellung (§ 199 iVm § 201 Abs 1 StPO) wurde nicht gefasst.
Nach vollständiger Erbringung der gemeinnützigen Leistungen stellte der Vorsitzende des Schwurgerichtshofs das Verfahren mit Beschluss vom 9. 11. 2018 vielmehr gem § 199 StPO iVm § 201 Abs 5 StPO (iVm §§ 7, 19 Abs 2 JGG) – demnach endgültig – ein.
Das OLG gab der Beschwerde der Staatsanwaltschaft dagegen Folge und trug dem ErstG die Fortsetzung des Verfahrens auf, weil die Schuld des Angeklagten als schwer anzusehen sei (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO).
Den Erneuerungsantrag des Angeklagten (wegen behaupteter Verletzungen von Art 4 7. ZPMRK und Art 6 MRK) wies der OGH als offenbar unbegründet zurück (§ 363b Abs 2 Z 2 StPO).
Entscheidung
In seinen Entscheidungsgründen hält der OGH ua fest, dass die Einschränkung des Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft auf die Einwendung der Nichterfüllung der Bedingungen für eine endgültige Diversionsentscheidung nur greift, wenn in einer insoweit unangefochten gebliebenen oder vom Beschwerdegericht getroffenen Entscheidung über eine vorläufige Verfahrenseinstellung (gemäß § 201 Abs 1 StPO iVm § 199 StPO) die Diversionsvoraussetzungen bejaht wurden. Eine solche ist vorliegend gerade nicht vorangegangen. Die tatsächliche Erbringung der gemeinnützigen Leistungen ist dabei ohne rechtliche Relevanz (und wäre – entgegen dem Beschwerdestandpunkt – im Falle einer nachträglichen Verurteilung gem § 205 Abs 5 vierter Satz StPO jedenfalls angemessen auf die Strafe anzurechnen; vgl RIS-Justiz RS0130516).
Im Umfang der behaupteten Verletzungen des Art 6 MRK schlägt das Vorbringen schon insoweit fehl, als dessen Anwendungsbereich nach der Rsp sowohl des EGMR als auch des OGH (soweit hier von Relevanz) auf die Entscheidung in Verfahren über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage beschränkt ist, worunter eine die Diversion ablehnende Entscheidung jedoch nicht fällt (RIS-Justiz RS0128231). Eine andere Aussage ist auch der für den gegenteiligen Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidung des OGH (11 Os 15/12h, 20/12v, Rechtsnews 14438) nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen.
Zu den behaupteten Verfahrensmängeln iZm Art 6 Abs 1 MRK („Verletzung des Prinzips von Treu und Glauben“ durch das Erwecken des Anscheins einer Verfahrenseinstellung im Fall der Annahme und Erfüllung des Diversionsangebots sowie das Unterbleiben einer Belehrung über das Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft, weiters Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör und Waffengleichheit im – gem § 209 Abs 2 StPO einseitig geführten – Beschwerdeverfahren) weist der OGH weiters darauf hin, dass diese behaupteten Mängel im weiteren Hauptverfahren iSd Art 13 MRK wirksam geltend gemacht werden könnten: Dem Angeklagten bleibt es nämlich unbenommen, neue Argumente für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 198 Abs 2 Z 2 StPO vorzubringen und seinen Standpunkt – selbst bei unverändert gebliebener Sachlage – mit Diversionsrüge (hier: aus § 345 Abs 1 Z 12a StPO) durchzusetzen (RIS-Justiz RS0126370; vgl erneut 11 Os 15/12h, 20/12v).