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Eingestelltes Strafverfahren – Einspruch wegen Rechtsverletzung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StPO: § 106, § 107

Auch gegen eine Entscheidung, die die Staatsanwaltschaft erst nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung getroffen hat (hier: Verweigerung der Akteneinsicht), kann in Fällen behaupteter Verletzung in einem von der StPO eingeräumten subjektiven Recht Einspruch wegen Rechtsverletzung erhoben werden.

OGH 12. 12. 2018, 15 Os 113/18h (15 Os 114/18f)

Entscheidung

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Änderungen in §§ 106 und 107 StPO mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013 (BGBl I 2013/195) sicherstellen, dass die Einbringung eines Einspruchs nicht mehr mit dem Ende des Ermittlungsverfahrens befristet ist, weil es der Bedeutung der Verletzung subjektiver Rechte entspreche, eine gerichtliche Entscheidung darüber auch in jenen Fällen zu ermöglichen, in denen das Ermittlungsverfahren bereits beendet wurde. Damit sollte insb nicht beschuldigten Betroffenen von Zwangsmaßnahmen effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden. Ausdrücklich sollten aber auch Fälle behaupteter Verletzungen in einem subjektiven Recht (zB auf Gewährung von Akteneinsicht) „über das Stadium des Ermittlungsverfahrens hinaus einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden“ (ErläutRV 2402 BlgNR 24. GP 10 f).

Dieser Gesetzeszweck spricht geradezu dafür, dass durch den Wegfall der Unzulässigkeit eines Einspruchs „nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens“ gerichtlicher Rechtsschutz – innerhalb der Einspruchsfrist – generell gewährleistet werden sollte und nicht bloß in jenen Fällen, in denen Anklage erhoben wurde oder die Rechtsverletzung noch vor Beendigung des Verfahrens iSd 10. oder 11. Hauptstücks erfolgte. Schließlich wurde auch nicht erklärt, dass und weshalb ein solcher Rechtsschutz nunmehr (nur mehr) dann ausgenommen sein sollte, wenn die Staatsanwaltschaft die Ausübung eines in der StPO eingeräumten subjektiven Rechts erst nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung (vgl § 1 Abs 2 letzter Satz erster und zweiter Fall StPO) verweigert.

Immerhin sieht die StPO zahlreiche (subjektive) Rechte vor, die für Betroffene über das Ende eines Strafverfahrens hinaus Bedeutung haben können. Solche Rechte betreffende prozessuale Handlungspflichten der Staatsanwaltschaft können sich auch (noch oder erst) nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens ergeben (vgl Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 107 Rz 8).

Auch im Fall der Verweigerung von (subjektiven) Rechten nach Beendigung eines Strafverfahrens durch eine gerichtliche Entscheidung (§ 1 Abs 2 letzter Satz dritter Fall StPO) erfolgt eine im Beschwerdeweg überprüfbare gerichtliche Entscheidung (vgl §§ 35, 86, 87 StPO), obwohl die StPO nach ihrem Wortlaut genau genommen bloß die Tätigkeit und Zuständigkeit von erstinstanzlichen Gerichten „im Strafverfahren“, „im Ermittlungsverfahren“ oder „im Hauptverfahren“ vorsieht (§ 29 Abs 1 Z 1 und 2, §§ 31, 32, 36, § 98 Abs 2 StPO), nicht aber ausdrücklich auch – von einigen besonderen Bestimmungen abgesehen (vgl etwa §§ 357, 364 StPO) – für weitere Entscheidungen, die mit den bereits beendeten Verfahrensabschnitten zusammenhängen (vgl § 1 Abs 1 erster Satz StPO).

Versteht man aber in diesem Kontext die Wendungen „im Ermittlungsverfahren“ oder „im Hauptverfahren“ nicht als Ausdruck einer strikten zeitlichen Begrenzung auf diesen Verfahrensabschnitt, sondern als allgemeine Unterscheidung zwischen den Verfahrensstadien, kann vor dem Hintergrund des aufgezeigten Gesetzeszwecks bei § 107 StPO auch der Wendung „im Ermittlungsverfahren“ in § 106 Abs 1 erster Satz StPO ein solcher Sinn beigemessen werden.

Welches Gericht über einen Einspruch nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu entscheiden hat, der eine noch vor der Verfahrensbeendigung erfolgte Rechtsverweigerung durch die Staatsanwaltschaft betrifft, ließ der Gesetzgeber nämlich gleichfalls offen, obwohl gerade solche Fälle einer gerichtlichen Kontrolle unterstellt werden sollten. Ausdrücklich Bezug nimmt das Gesetz vielmehr bloß auf den Fall, dass Anklage eingebracht wurde, und stellt klar, dass (selbst) dann jenes Gericht über den Einspruch zu entscheiden hat, das „im Ermittlungsverfahren zuständig gewesen wäre“ – und nicht etwa das für das Hauptverfahren zuständige Gericht (§ 107 Abs 1 letzter Satz StPO).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26963 vom 11.03.2019