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Ende der Familienbeihilfenanrechnung für minderjährige Kinder

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

ABGB: § 231

FLAG: § 12a

Da die steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen seit Einführung des neuen Absetzbetrags Familienbonus Plus nach dem Willen des Gesetzgebers bereits pauschal im Steuerrecht erfolgt, ist eine mittelbare Steuerentlastung durch Anrechnung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags auf den Unterhalt generell nicht mehr gerechtfertigt. Eine Anrechnung der Transferleistungen auf den Kindesunterhalt findet daher nicht mehr statt.

In Hinblick auf ihren Zweck, die Unterhaltsleistungen steuerlich zu entlasten, sind Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen.

Diese Grundsätze gelten zumindest bei der Unterhaltsbemessung für minderjährige Kinder. Die Frage, wie sich der Familienbonus Plus auf Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder auswirkt, bleibt offen.

OGH 11. 12. 2019, 4 Ob 150/19s

Anmerkung

Mit der vorliegenden Entscheidung, die in Folgeentscheidungen hoffentlich konsequent fortgeführt wird, endet eine mehr als 15 Jahre währende stRsp recht sang- und klanglos. Seit 1. 1. 2019 darf zumindest bei minderjährigen Kindern generell keine Anrechnung der Transferleistungen auf den Kindesunterhalt mehr stattfinden. Praktisch bedeutet dies, dass sich der Kindesunterhalt in Fällen, in denen bisher eine Anrechnung erfolgt ist, entsprechend (oft spürbar) erhöht. Vermindert wird dieser Effekt durch die Nichteinbeziehung von Familienbonus und Unterhaltsabsetzbetrag in die Unterhaltsbemessungsgrundlage, die sich mit dem jeweiligen Unterhaltsprozentsatz auswirkt.

In der Begründung beruft sich der erkennende Senat auf den Willen des Gesetzgebers (der bekanntlich schon auf ganz verschiedene Weisen interpretiert worden ist). Nach den Gesetzesmaterialien soll der Familienbonus die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit von Eltern durch ihre Leistungen für Kinder berücksichtigen und dafür verwendetes Einkommen steuerfrei stellen (ErlRV 190 BlgNR 26. GP 1). Der erkennende Senat versteht dies so, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen nun im Sinn einer Pauschalregelung bereits im Steuerrecht umsetzen und – unausgesprochen – die mittelbare Steuerentlastung durch die Familienbeihilfenanrechnung ablösen wollte. Der Senat räumt zwar ein, dass die steuerlichen Möglichkeiten auch nach Einführung des Familienbonus bei höheren Unterhaltsleistungen zum Teil nicht die Vorgaben des VfGH für die Entlastung erreichen (siehe zB die Berechnungsbeispiele in Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 166 und Zak 2018/627, 324), hält dies im Ergebnis aber – zu Recht – für ein Problem des Steuerrechts. Eine offenkundige Verfassungswidrigkeit sei aufgrund der an sich zulässigen Pauschalierung nicht erkennbar.

Diese „Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht“ ist sehr zu begrüßen, wirft aber natürlich neue Fragen auf. Im Steuerrecht wird wohl wieder die Verfassungskonformität der Familienbesteuerung thematisiert werden (das neue Regierungsprogramm 2020 – 2024 sieht übrigens eine Erhöhung des Familienbonus vor). Im Unterhaltsrecht könnte erneut eine Diskussion über die Behandlung der Familienbeihilfe entstehen. Handelt es sich tatsächlich um eine Betreuungshilfe, die ausschließlich dem betreuenden Haushalt zugutekommen soll (so zB 1 Ob 218/00s; in ErlRV 190 BlgNR 26. GP 1 wird nun von einem Beitrag des Staats zum Unterhalt bzw den Lebenshaltungskosten der Kinder gesprochen)? Steht der geltende Rest von § 12a FLAG der Berücksichtigung einer durch diese Transferleistung eintretenden Bedarfsdeckung noch entgegen? Kann die Judikatur zur indirekten Aufteilung der Familienbeihilfe bei gleichteiliger Betreuung, die dem Besserverdiener in Hinblick auf die steuerliche Entlastungsfunktion einen größeren Anteil zuerkennt (zB 4 Ob 8/19h = Zak 2019/150, 92), aufrechterhalten werden?

Spannend bleibt auch, ob die Familienbeihilfenanrechnung bei volljährigen Kindern (unter Berücksichtigung des Familienbonus) fortgeführt wird. Der erkennende Senat hält dies aufgrund der hier deutlich geringeren Höhe des Familienbonus für nicht ausgeschlossen. Angesichts der maßgeblich auf den (nicht differenzierenden) Willen des Gesetzgebers gestützten Entscheidungsbegründung erschiene es aber merkwürdig, die Anrechnung nicht auch hier auslaufen zu lassen.

Wenn von der Nichteinbeziehung von Familienbonus und Unterhaltsabsetzbetrag in die Unterhaltsbemessungsgrundlage die Rede ist, sollte darunter präzise die durch diese Absetzbeträge eintretende Steuerersparnis verstanden werden. Die Ersparnis kann ja geringer als die Summe der Absetzbeträge ausfallen, wenn diese aufgrund der Einkommenshöhe nicht vollständig ausnützbar sind. Wegen des pauschalierenden Ansatzes des OGH ist davon auszugehen, dass die Ersparnis durch diese Absetzbeträge von der Bemessungsgrundlage unabhängig davon vollständig ausgenommen bleibt, ob der Unterhaltspflichtige den halben oder vollen Familienbonus bzw Absetzbeträge für mehrere Kinder geltend machen kann. Situationen, in denen es für den betreuenden Elternteil sinnvoll sein könnte, seinen Teil des Familienbonus dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil zu überlassen, existieren nicht mehr. Ebenfalls hinfällig sind die Überlegungen in der bisherigen Judikatur zur Anspannung des Unterhaltspflichtigen auf die Geltendmachung von Familienbonus und Unterhaltsabsetzbetrag (zB 5 Ob 92/19v = Zak 2019/597, 333). Da die Absetzbeträge „unterhaltsneutral“ sind, macht es für den Unterhaltsberechtigten keinen Unterschied, ob der Unterhaltspflichtige sie in Anspruch nimmt oder nicht.

Wolfgang Kolmasch

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28511 vom 09.01.2020