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Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 - BGBl

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das IPR-Gesetz, die Jurisdiktionsnorm, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, die Notariatsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Tiroler Höfegesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002 und die Kaiserliche Verordnung über die dritte Teilnovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch geändert werden (Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 - ErbRÄG 2015).

BGBl I 2015/87, ausgegeben am 30. 7. 2015

Die in LN Rechtsnews 19786 vom 1. 7. 2015 behandelte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberichts wurde vom Nationalrat unverändert beschlossen. Neben Begleitregelungen zur EuErbVO 650/2012 (Rom V-VO) enhält das ErbRÄG 2015 va eine weitreichende Erbrechtsreform mit einer umfassenden sprachlichen und zT auch inhaltlichen Modernisierung der erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB.

Eine Vergleichstabelle neu-alt zu den erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB ist auf der Zak-Website abrufbar.

Begleitregelungen zur EuErbVO

Die EuErbVO 650/2012 (Rom V-VO) regelt insb die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Erbsachen und führt das Europäische Nachlasszeugnis ein, das den Nachweis erbrechtlicher Ansprüche in internationalen Erbfällen erleichtert. Das ErbRÄG 2015 enthält zahlreiche punktuelle Begleitregelungen zu dieser VO, die wie diese am 17. 8. 2015 in Kraft treten und anzuwenden sind, wenn der Tod an oder nach diesem Tag eingetreten ist.

Insb werden fehlende funktionale oder örtliche Zuständigkeiten geregelt. So ist etwa vorgesehen, dass die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses durch den Gerichtskommissär des zuständigen Verlassenschaftsgerichts erfolgt; nur wenn Hindernisse entgegenstehen, ist der Antrag dem Gericht vorzulegen.

Darüber hinaus werden Regelungen, die durch die VO gegenstandslos werden (wie insb die §§ 28 bis 30 IPRG), zur Rechtsbereinigung aufgehoben.

Erbrechtsreform

Im Mittelpunkt des ErbRÄG 2015 steht eine große Erbrechtsreform, die eine umfassende sprachliche und zum Teil auch inhaltliche Modernisierung der gesamten erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB zum Ziel hat.

Wesentliche materielle Änderungen sind etwa

-die Erweiterung der Erbunwürdigkeits- und Enterbungsgründe,
-die Verschärfung der Formanforderungen für fremdhändige letztwillige Verfügungen,
-die Einführung eines Pflegevermächtnisses,
-der Entfall des Pflichtteilsanspruchs von Vorfahren,
-die Ermöglichung einer Stundung oder Ratenzahlung des Geldpflichtteils,
-die Neugestaltung der Pflichtteilsberechnung sowie
-die Vereinheitlichung der Verjährungsregelungen.

Die Erbrechtsform tritt nach einer - schon ungewohnten - langen Legisvakanz erst am 1. 1. 2017 in Kraft, wobei die neuen Regelungen grundsätzlich nur bei Todesfällen ab diesem Zeitpunkt anzuwenden sind (§ 1503 Abs 7 ABGB nF).

Allgemeines

-Modernisierung:
Die Erneuerung erfolgt zum einen dadurch, dass alle erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB „behutsam“ an die moderne Sprache angepasst werden. Das erklärte - wenn auch in Hinblick auf die inhaltliche Komplexität vieler Regelungen wohl kaum verwirklichbare - Ziel des Gesetzgebers liegt darin, dass „auch die nicht mit dem Erbrecht vertraute Bevölkerung das Gesetz (wieder) besser verstehen“ kann (RV 1).
Zum anderen kommt es zum Teil auch zu einer inhaltlichen Erneuerung. In einigen Bereichen sind wesentliche Änderungen vorgesehen, die das Erbrecht an die gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen sollen (siehe dazu im Folgenden). Andere Bestimmungen werden zwar in ihrem Regelungsgehalt beibehalten, aber durch die Aufnahme von Klarstellungen oder die Nachvollziehung der Rsp bzw hM im Gesetzestext verständlicher gestaltet.
Teilweise - wenn auch nur in relativ geringem Maß - werden auch Änderungen in der Gesetzessystematik und damit einhergehende Umnummerierungen der Paragraphen vorgenommen (eine Vergleichstabelle neu-alt zu den erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB ist auf der Zak-Website abrufbar). Schließlich werden einige antiquierte Regelungen ersatzlos aufgehoben.
-Ebenfalls das bessere Verständnis fördern sollen Terminologieänderungen. Das Gesetz spricht nicht mehr von Noterben, sondern von Pflichtteilsberechtigten; nicht mehr von (gemeiner oder fideikommissarischer) Substitution, sondern von Ersatz- oder Nacherbschaft; nicht mehr vom Kodizill, sondern von einer sonstigen letztwilligen Verfügung; nicht mehr vom Legat, sondern vom Vermächtnis; nicht mehr vom Heimfall, sondern vom Aneignungsrecht des Bundes. Auch die Begriffe „Erblasser“ und „Nachlass“ werden ersetzt, obwohl sie in der EuErbVO verwendet und dem Rechtsanwender schon deshalb erhalten bleiben werden. Das ABGB nach der Erbrechtsreform spricht stattdessen vom Verstorbenen bzw letztwillig Verfügenden und - wie im Verfahrensrecht - von der Verlassenschaft.
-Die Verjährung wird in § 1487a ABGB nF für alle erbrechtlichen Ansprüche einheitlich geregelt. Es läuft eine kurze dreijährige Frist, die mit der Kenntnis des Berechtigten von den für den Anspruch maßgeblichen Tatsachen beginnt, und eine absolute 30-jährige Frist, die mit dem Tod beginnt. Auch Erbschaftsklagen, die nicht gegen den letzten Willen gerichtet werden müssen, verjähren daher künftig bereits nach 3 Jahren.
Nach dem Übergangsrecht (§ 1503 Abs 7 Z 9 ABGBnF) gilt die neue Verjährungsregelung ab 1. 1. 2017 auch für bestehende Ansprüche, soweit diese noch nicht verjährt sind. Allerdings beginnt die kurze Frist in diesen Fällen nicht vor 1. 1. 2017 zu laufen.
-Die Erbunwürdigkeitsgründe werden neu gestaltet:
Das Gesetz differenziert zwischen absolut wirkenden Gründen und relativen Gründen, die nur dann zur Erbunwürdigkeit führen, wenn der Verstorbene aufgrund von Testierunfähigkeit, Unkenntnis oder aus anderen Gründen nicht in der Lage war, eine Enterbung vorzunehmen.
Unter die absoluten Erbunwürdigkeitsgründe fallen (wie bisher) schwerere gerichtlich strafbare Vorsatztaten gegen den Erblasser oder - neu - gegen die Verlassenschaft (§ 539 ABGB nF) sowie die Vereitelung des letzten Willens (§ 540 ABGB nF). Hinsichtlich des letztgenannten Grundes wird klargestellt, dass Vereitelungsabsicht erforderlich ist und bereits ein Versuch ausreicht.
Relative Erbunwürdigkeitsgründe sind die Zufügung schweren seelischen Leides (etwa durch Psychoterror oder wiederholte schwere Beschimpfungen), die gröbliche Vernachlässigung familienrechtlicher Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis sowie schwerere gerichtlich strafbare Vorsatztaten, die gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten des Verstorbenen oder gegen einen Verwandten in gerader Linie begangen werden (§ 541 ABGB nF).
Alle Erbunwürdigkeitsgründe können durch (auch schlüssige) Verzeihung wegfallen, die keine strenge Testierfähigkeit voraussetzt.
-Die Verlassenschaft wird im Gesetz ausdrücklich als juristische Person definiert (§ 546 ABGB nF).
-Für die Aufhebung von Erbverzichtsverträgen wird ein Schriftformerfordernis eingeführt (§ 551 Abs 1 ABGB nF).

Gewillkürte Erbfolge

-Mit § 553 ABGB nF wird eine allgemeine Auslegungsregel für alle letztwilligen Verfügungen geschaffen, die die bisherige Rechtspraxis übernimmt und insb die Andeutungstheorie gesetzlich verankert: Der wahre Wille des Erblassers ist nur dann maßgeblich, wenn er in der Verfügung zumindest angedeutet ist.
-Anwachsung: Dass bei Ausfall eines von mehreren eingesetzten Erben dessen Erbteil verhältnismäßig den anderen anwächst, ist in § 560 ABGB nF nun als generelle Zweifelsregel bei Verfügung über die gesamte Verlassenschaft vorgesehen. Abweichend von § 562 ABGB gF greift diese Vermutung daher auch bei bestimmter Erbeinsetzung ein.
-§ 568 ABGB gF, nach dem Personen mit Sachwalter im Sachwalterbestellungsbeschluss auf die Testamentsform der mündlichen letztwilligen Verfügung vor Gericht oder Notar beschränkt werden können, entfällt aufgrund von Zweifeln an der Vereinbarkeit mit der UN-Behindertenrechtskonvention ersatzlos.
-Der Gesetzgeber hält in § 572 ABGB nF daran fest, dass einfache Kausalität für die Anfechtung einer Verfügung wegen Motivirrtums nicht genügt, sondern die Fehlvorstellung der einzige und alleinige Beweggrund für den Willen gewesen sein muss. Darüber hinaus wird betont, dass das Motiv in der Verfügung tatsächlich angegeben sein muss (RV 9; anders 10 Ob 2/06a = Zak 2006/570, 333).
-Um die Fälschungssicherheit zu erhöhen, werden die Formanforderungen an fremdhändige Verfügungen deutlich strenger gestaltet (§ 579 ABGB nF). Am Erfordernis der Bekräftigung (nuncupatio) wird nicht nur festgehalten, sondern es wird noch insofern verschärft, als diese durch einen eigenhändig geschriebenen Zusatz des Verfügenden auf der Urkunde erfolgen muss, aus dem klar abzuleiten ist, dass die Urkunde den letzten Willen enthält. Die erforderlichen drei Testamentszeugen müssen gleichzeitig anwesend sein, wenn der Verfügende die Urkunde unterfertigt und bekräftigt. In die Urkunde sind Identitätsangaben zu den Zeugen aufzunehmen (RV 10: Vor- und Familienname, Geburtsdatum oder Adresse). Die Zeugen müssen auf der Urkunde mit einem eigenhändig geschriebenen Zusatz unterschreiben, der auf die Zeugeneigenschaft hinweist. Die Kenntnis des Inhalts der Verfügung ist weiterhin nicht erforderlich.
-Nottestament: Im Gesetzestext (§ 584 ABGB nF) wird klargestellt, dass der Eindruck einer Notsituation, sofern er durch objektive Umstände begründet ist, für die Lockerung der Formanforderungen ausreicht. Eine neue Zweifelsregel stellt klar, dass der Wegfall des nur befristet gültigen Nottestaments auch den darin erfolgten Widerruf früherer letztwilliger Verfügungen beseitigt. Als Ausnahme werden beim Nottestament auch mündige Minderjährige als Testamentszeugen zugelassen (§ 587 ABGB nF).
-Gemeinschaftliche Verfügung: Anders als bisher (§ 1248 ABGB gF) vermutet § 586 Abs 2 ABGB nF die Wechselbezüglichkeit der gegenseitigen Erbeinsetzung von Ehegatten oder eingetragenen Partnern in einem gemeinsamen Testament. Der Widerruf der Erbeinsetzung durch einen hat daher mangels besonderer Umstände auch den Wegfall der Erbeinsetzung durch den anderen zur Folge.
-Die Befangenheitsregeln für Testamentszeugen werden moderner gestaltet (§ 588 ABGB nF). Neben dem Bedachten ausgeschlossen sind dessen Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte sowie seine Eltern, Kinder und Geschwister. Gleiches gilt für die Eltern, Kinder und Geschwister des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten. Zeugnisunfähig sind weiters auch gesetzliche Vertreter, Vorsorgebevollmächtigte, vertretungsbefugte Organe, Gesellschafter, Machthaber und Dienstnehmer bedachter Personen.
-Bei der Schenkung auf den Todesfall entscheidet sich der Gesetzgeber gegen die Vermächtnis- und für die Vertragslösung (§ 603 ABGB nF). Die Schenkung ist nach dem Tod des Geschenkgebers als Vertrag wirksam, wenn sich dieser kein Widerrufsrecht vorbehalten hat und die Notariatsaktsform eingehalten wurde. Anders als nach § 956 ABGB gF ist weder ein ausdrücklicher Widerrufsverzicht noch die Aushändigung einer entsprechenden Urkunde an den Geschenknehmer erforderlich. Der Vertrag unterliegt dem Schenkungsrecht und der in § 1253 ABGB vorgesehenen Schranke für die Vermögensaufteilung (Freibleiben eines „reinen Viertels“). Eine wirksame Schenkung auf den Todesfall ist als Passivum im Inventar zu berücksichtigen und unterliegt pflichtteilsrechtlich den Regeln über die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen unter Lebenden (§ 781 ABGB nF).
-In den Bestimmungen, die sich mit der Einsetzung von Ersatz- und Nacherben befassen (§§ 604 ff ABGB nF), beschränken sich die Änderungen im Wesentlichen auf Klarstellungen. So wird festgehalten, dass Ersatzerben auch für gesetzliche Erben berufen werden können (§ 604 ABGB nF) und der Begriff „Zeitgenosse“, mit dem die Grenze für die Vermögensbindung durch Nacherbenreihen gezogen wird, jene natürliche Personen umfasst, die im Zeitpunkt der Errichtung der Nacherbschaft bereits geboren oder gezeugt sind (§ 611 ABGB nF). Konservierte entwicklungsfähige Zellen fallen nicht darunter (RV 13).
-Nach § 725 ABGB nF gelten letztwillige Verfügungen zugunsten des Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten nicht nur mit der Auflösung der Partnerschaft zu Lebzeiten, sondern bereits mit der Einleitung eines Auflösungsverfahrens durch einen der Partner als widerrufen, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil angeordnet worden ist.
Gleiches gilt für Verfügungen an Angehörige, wenn es - auch erst nach dem Tod - zum Wegfall der Angehörigenstellung durch die Aufhebung der Abstammung oder den Widerruf bzw die Aufhebung der Adoption kommt. Die Einleitung eines (berechtigten) Abstammungsverfahrens durch den Verstorbenen ist ebenfalls als stillschweigender Widerruf zu werten.

Vermächtnisse

-Für Vermächtnisse an Erben führt § 648 ABGBnF drei neue Vermutungsregeln ein:
(1) Das Vermächtnis stellt im Zweifel ein Vorausvermächtnis dar, das nicht auf den Anteil des Begünstigten anzurechnen ist und alle Erben nach ihrer Erbquote belastet.
(2) Ein Hineinvermächtnis, bei dem die Anrechnung auf den Erbteil angeordnet ist, ist im Zweifel als Teilungsanordnung zu verstehen.
(3) Übersteigt der Wert eines Hineinvermächtnisses den letztwillig zugedachten Erbteil, erhöht sich im Zweifel die Erbquote des Bedachten entsprechend. Dabei ist grundsätzlich vom Vermächtniswert bei Errichtung der letztwilligen Verfügung auszugehen.
-Nach der neuen Zweifelsregel des § 649 Abs 2 ABGB nF haften Miterben als Vermächtnisschuldner nun nach außen grundsätzlich solidarisch.
-Der nicht mehr zeitgemäß erscheinende Typus des Erziehungsvermächtnisses wird durch das Ausbildungsvermächtnis ersetzt, das neben Übernahme der Kosten einer den Fähigkeiten und Neigungen entsprechenden Ausbildung, was wie im Eltern-Kind-Verhältnis zu beurteilen ist, auch die Unterhaltskosten umfasst, sofern dem Vermächtnisnehmer eine Erwerbstätigkeit während der Ausbildung unzumutbar ist (§ 673 ABGB nF).
-Mit dem neuen Pflegevermächtnis (§§ 677 f ABGB nF) wird die Abgeltung von Pflegeleistungen, die in vielen Fällen vor dem Tod nicht geklärt wird, für den Pflegenden erleichtert.
Es handelt sich um ein gesetzliches Vermächtnis, das dem Verstorbenen nahe stehenden Personen zusteht, wenn sie diesen in den letzten 3 Jahren vor seinem Tod mindestens 6 Monate lang in nicht bloß geringfügigem Ausmaß (RV 17: durchschnittlich mehr als 20 Stunden pro Monat) gepflegt, dh die aufgrund Pflegebedürftigkeit notwendige Betreuung und Hilfe geleistet haben. Dass die Leistungen im Rahmen einer familienrechtlichen Beistandspflicht erbracht wurden, schadet dabei nicht.
In den Kreis der potentiell anspruchsberechtigten nahe stehenden Personen fallen alle als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Personen (Ehegatte, eingetragener Partner, Kinder und Kindeskinder, Eltern, Geschwister, Großeltern, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen sowie Urgroßeltern), deren Ehegatten, eingetragene Partner, Lebensgefährten einschließlich der Kinder dieser Personen sowie der Lebensgefährte des Verstorbenen und seine Kinder.
Alternativ zum Vermächtnis kann der Pflegende Bereicherungsansprüche analog § 1435 ABGB geltend machen (siehe zB 6 Ob 149/14a = Zak 2015/229, 133).
Das Vermächtnis fällt aus, wenn ein Entgelt vereinbart wurde bzw soweit die Pflegeleistungen durch anrechenbare letztwillige Zuwendungen des Verstorbenen oder durch Zuwendungen Dritter oder der öffentlichen Hand abgegolten sind.
Ansonsten gebührt es als Vorausvermächtnis zusätzlich zum Pflichtteil und anderen Leistungen aus der Verlassenschaft, wobei der Verstorbene jedoch abgesehen vom Pflichtteil eine Anrechnung anordnen kann. Entzogen werden kann es nur bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes. Von der Beitragspflicht zur Pflichtteilserfüllung ist der Pflegevermächtnisnehmer ausgenommen.
Die Höhe des Vermächtnisses richtet sich nach dem verschafften Nutzen (insb den ersparten Aufwendungen) ohne Rücksicht auf den Verlassenschaftswert (RV 17). Die Materialien deuten an, dass das vom Verstorbenen bezogene Pflegegeld - unter Berücksichtigung des Ausmaßes der konkreten Pflegeleistungen - als Maßstab herangezogen werden kann (RV 17). Der Gerichtskommissär hat im Verlassenschaftsverfahren auf eine einvernehmliche Festsetzung hinzuwirken (§ 174a AußStrG nF).
-Die Fälligkeit von Vermächtnissen tritt gem § 685 ABGB nF im Zweifel mit dem Tod ein, wobei jedoch Geldvermächtnisse und Vermächtnisse von Sachen, die sich nicht in der Verlassenschaft befinden, erst nach Ablauf eines Jahres geltend gemacht werden können. Da es sich um eine „reine Stundung“ handelt, fallen bei Geldvermächtnissen ab dem Todestag die gesetzlichen Zinsen iHv 4 % pa an (RV 18).

Gesetzliche Erbfolge

-Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten oder eingetragenen Partners wird dadurch gestärkt, dass es nun auch das Erbrecht von Geschwistern und Großeltern verdrängt (§ 744 ABGB nF). Dem Ehegatten steht daher die gesamte Verlassenschaft zu, wenn es keine Kinder oder Eltern gibt.
-Das gesetzliche Vorausvermächtnis zugunsten des Ehegatten oder eingetragenen Partners (§ 758 ABGB gF; § 745 ABGB nF) wird auf den Lebensgefährten erweitert. Voraussetzungen sind ein gemeinsamer Haushalt zumindest in den letzten 3 Jahren vor dem Tod und das Fehlen einer aufrechten Ehe oder eingetragenen Partnerschaft des Verstorbenen. Die Rechte aus dem Vorausvermächtnis (Wohnrecht, zum Haushalt gehörende bewegliche Sachen) sind im Fall des Lebensgefährten jedoch zeitlich befristet und enden ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen.
-Die Folgen der Auflösung der Partnerschaft auf das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten oder eingetragenen Partners und auf das gesetzliche Vorausvermächtnis werden in § 746 ABGB nF neu geregelt. Die erbrechtlichen Ansprüche fallen unabhängig vom Verschulden am Scheitern der Partnerschaft grundsätzlich nur dann weg, wenn die Auflösung noch zu Lebzeiten erfolgt ist. Ist das Auflösungsverfahren im Zeitpunkt des Todes erst anhängig, entfallen die Rechte nur dann, wenn dort bereits eine Vereinbarung über die Aufteilung des ehelichen Vermögens getroffen worden ist.
-Mit § 748 ABGB nF wird ein außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten eingeführt, das erst eingreift, wenn die Verlassenschaft mangels Erben den Vermächtnisnehmern oder dem Bund zufallen würde. Voraussetzung ist grundsätzlich das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts in den letzten 3 Jahren.

Pflichtteil

-Eltern und weitere Vorfahren verlieren ihre Pflichtteilsberechtigung (§ 757 ABGB nF). Abstrakt pflichtteilsberechtigt sind nur noch der Ehegatte oder eingetragene Partner sowie die Nachkommen des Verstorbenen.
-Aufgegeben wird die Regel, dass Zuwendungen nur dann zur Pflichtteilsdeckung geeignet sind, wenn sie frei verfügbar sind. Bedingungen und Belastungen, die der Verwertung entgegenstehen, sind jedoch bei der Bewertung der Zuwendung mindernd zu berücksichtigen (§ 762 ABGB nF).
-Gem § 765 ABGB nF wird der Geldpflichtteil zwar bereits mit dem Tod fällig, kann aber erst ein Jahr danach eingefordert werden.
Darüber hinaus sehen die §§ 766 f ABGB nF Möglichkeiten zur weiteren Stundung oder Ratenzahlung vor:
Zum einen kann mit letztwilliger Verfügung angeordnet werden, dass der Pflichtteil über einen Zeitraum von maximal 5 Jahren ab dem Tod zu stunden oder in Raten zu entrichten ist. Dieser Zeitraum kann vom Gericht aus besonderen Gründen nachträglich auf maximal 10 Jahre verlängert werden. Der Pflichtteilsberechtigte kann dann früher Zahlung verlangen, wenn eine Interessenabwägung zwischen Gläubiger und Schuldner eine unbillige Härte zu seinen Lasten aufzeigt.
Zum anderen kann das Gericht auf Antrag eines Pflichtteilsschuldners für einen Zeitraum von insgesamt höchstens 5 bzw - bei besonderen Umständen - 10 Jahren Stundungen oder Ratenzahlungen bewilligen, wenn eine frühere Zahlung den Fortbestand eines Unternehmens gefährden oder für den Schuldner eine unbillige Härte darstellen würde. Im Fall von Änderungen der maßgeblichen Umstände können Anpassungen vorgenommen werden. Schuldner und Gläubiger treffen diesbezüglich wechselseitige Informationspflichten.
In allen Stundungsfällen kann das Gericht auf Antrag eine Sicherstellung des Pflichtteilsanspruchs anordnen. Dem Pflichtteilsberechtigten stehen in jedem Fall ab dem Todestag die gesetzlichen Zinsen iHv 4 % pa zu (§ 778 Abs 2 ABGB nF).
-Die Enterbungsgründe werden in § 770 ABGB nF selbstständig geregelt und etwas erweitert.
Neu ist, dass auch Straftaten gegen nahe Angehörige, die Zufügung schweren seelischen Leides und die Verletzung familienrechtlicher Pflichten im Eltern-Kind-Verhältnis pönalisiert werden.
Der Enterbungsgrund der „anstößigen Lebensart“ wird hingegen als nicht mehr zeitgemäß aufgehoben.
-§ 772 ABGB nF stellt klar, dass die Enterbung auch stillschweigend (durch Übergehen in der letztwilligen Verfügung) erfolgen kann und führt ein Kausalitätserfordernis ein. Tauglich ist nur ein Enterbungsgrund, der im Zeitpunkt der Enterbung vorlag und dafür tatsächlich ursächlich war. Es wird aber vermutet, dass ein bei Enterbung bestehender Enterbungsgrund auch kausal war (§ 774 Abs 2 ABGB nF).
Die Enterbung kann durch letztwillige Verfügung widerrufen werden. Eine (auch schlüssige) Verzeihung reicht aus, wenn mangels Testierfähigkeit kein formgerechter Widerruf mehr möglich ist (§ 773 ABGB nF).
-Die Voraussetzungen für die Pflichtteilsminderung (§ 773a ABGB gF; § 776 ABGB nF) werden insofern gelockert, als ein fehlendes Naheverhältnis über einen längeren Zeitraum vor dem Tod (RV 31: mindestens 20 Jahre) nun ausreicht. Die Minderung kann auch stillschweigend (durch Übergehen) angeordnet werden. Nach der diesbezüglich klarer formulierten Neuregelung ist sie ausgeschlossen, wenn der Verstorbene den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für fehlende Kontakte gegeben hat (vgl 6 Ob 226/14z = Zak 2015/429, 234). Weiters wurde die Möglichkeit zur Pflichtteilsminderung auf den Ehegatten oder eingetragenen Partner erweitert, weil das Erfordernis eines Verwandtschaftsverhältnisses entfallen ist.
-Die Pflichtteilsberechnung wird neu gestaltet (§§ 778 ff ABGB nF). Die unterschiedlichen Regelungen für Schenkungen, Vorempfänge und Vorschüsse bei der Berechnung werden vereinheitlicht. Das Gesetz unterscheidet Anrechnung und Hinzurechnung. Zuwendungen sind der Verlassenschaft zur Berechnung der Pflichtteile hinzuzurechnen, durch die Anrechnung vermindert sich der jeweilige Pflichtteil des Zuwendungsempfängers.
Die Hinzu- und Anrechnungspflicht hängt weiterhin davon ab, ob die Zuwendung an eine pflichtteilsberechtigte Person oder an eine andere Person erfolgt ist. Zuwendungen an pflichtteilsberechtigte Personen werden unbefristet hinzu- und angerechnet, Zuwendungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen nur dann, wenn die Zuwendung innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen - im Sinn der Vermögensopfertheorie - wirklich gemacht wurde.
Wie bisher müssen Pflichtteilsberechtigte Zuwendungen zur Deckung der Pflichtteile unbefristet herausgeben, nicht pflichtteilsberechtigte Personen sind nach zwei Jahren von der Herausgabepflicht befreit. Ausgenommen bleiben weiterhin Zuwendungen ohne Schmälerung des Stammvermögens und Zuwendungen zu gemeinnützigen Zwecken.
Neu ist, dass Schenkungen zum Schenkungszeitpunkt zu bewerten sind, wobei anschließend eine Aufwertung mit dem VPI auf den Todeszeitpunkt vorzunehmen ist.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19963 vom 31.07.2015