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EuGH: Abwicklung eines Kreditinstituts – in Aktien umgewandelte Finanzinstrumente

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AEUV: Art 263

RL 2003/71/EG: Art 6

RL 2014/59/EU: Art 34, Art 38, Art 53, Art 60

1. In einem Teil der Ausgangsfälle hatten die Kläger Kapitalinstrumente erworben, die in Aktien des Kreditinstituts umgewandelt wurden, noch bevor Maßnahmen zur Abwicklung dieses Kreditinstituts erlassen wurden. Diese Personen können nach der vollständigen Herabschreibung der Aktien des Stammkapitals dieses Instituts gegen das Institut oder seinen Rechtsnachfolger keine Haftungsklage nach Art 6 RL 2003/71/EG (ProspektRL) wegen mangelhafter und falscher Angaben im Prospekt erheben bzw auch keine nach nationalem Recht vorgesehene Klage auf Nichtigerklärung des Vertrags über die Zeichnung dieser Kapitalinstrumente, die aufgrund ihrer Rückwirkung zur Rückgewähr des Gegenwerts der ursprünglich erworbenen und dann in Aktien umgewandelten Kapitalinstrumente zuzüglich Zinsen ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses führen würde. Dem stehen Art 34 Abs 1 Buchst a und b, Art 53 Abs 1 und 3 sowie Art 60 Abs 2 Unterabs 1 Buchst b und c der RL 2014/59/EU [zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen ...] entgegen. Solche Klagen würden die gesamte Bewertung, auf der der Abwicklungsbeschluss beruht, in Frage stellen, weil die Zusammensetzung des Kapitals zu den objektiven Daten dieser Bewertung gehört, und könnten daher die Abwicklung selbst und die mit der RL 2014/59/EU verfolgten Ziele vereiteln.

2. Andere Kläger hatten Kapitalinstrumente erworben, die im Rahmen der Abwicklung des Kreditinstituts in Aktien dieses Instituts umgewandelt wurden, die dann auf ein anderes Kreditinstitut übertragen wurden. Nach vollständiger Herabschreibung der Aktien des Stammkapitals des abgewickelten Instituts können diese Personen zwar gegen das andere Kreditinstitut keine nach nationalem Recht vorgesehene Klage auf Nichtigerklärung des Vertrags über die Zeichnung dieser Kapitalinstrumente erheben, die zur Rückgewähr des Gegenwerts der Kapitalinstrumente zuzüglich Zinsen ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses führen würde. Dem stehen die Bestimmungen der RL 2014/59/EU, insb Art 34 Abs 1 Buchst a und b sowie Art 38, entgegen.

Diese Personen können jedoch nach dem Schutzmechanismus der Art 73 bis 75 RL 2014/59/EU eine Rückzahlung oder Entschädigung verlangen und zu diesem Zweck einen gerichtlichen Rechtsbehelf einlegen.

Ferner kann die Abwicklungsmaßnahme, wie sie sich aus dem Beschluss der Kommission zur Billigung eines Abwicklungskonzepts ergibt, Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art 263 Abs 4 AEUV sein. Eine solche Klage trägt auch insoweit zum effektiven gerichtlichen Rechtsschutz der Anteilseigner und der Gläubiger bei, als eine etwaige Nichtigerklärung der Abwicklungsmaßnahme es ermöglichen würde, eine Klage auf Nichtigerklärung des Vertrags über die Zeichnung von Aktien oder in Aktien umgewandelten Kapitalinstrumenten zu erheben.

EuGH 5. 9. 2024, C-775/22, C-779/22 und C-794/22

Zu spanischen Vorabentscheidungsersuchen.

Hinweis:

Die RL 2003/71/EG wurde durch die VO (EU) 2017/1129 mit Wirkung vom 21. 7. 2019 aufgehoben, war zur maßgeblichen Zeit für die Ausgangsrechtsstreitigkeiten jedoch noch in Kraft.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35845 vom 11.09.2024