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EuGH: Bankensanierung – Brückenbank und „Bad Bank“, Parteistellung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GRC: Art 47

RL 2001/24/EG: Art 3, Art 32

Im Hinblick auf die drohende Insolvenz der portugiesischen Banco Espírito Santo (BES) errichtete die portugiesische Zentralbank (Aufsichtsbehörde; Banco de Portugal) im Jahr 2014 ein Brückeninstitut mit dem Namen Novo Banco und übertrug diesem alle gesunden Geschäftsfelder von BES. Sogenannte toxische Verbindlichkeiten wurden im Vermögen von BES (und ihren Töchtern) belassen, wodurch diese zur „Bad Bank“ wurde. Die vertraglichen Beziehungen der Kl des Ausgangsverfahrens bestanden ursprünglich zur spanischen Zweigstelle der BES und wurden von Novo Banco Spanien fortgeführt. Nachdem die Kl allerdings eine Klage gegen Novo Banco Spanien wegen fehlerhafter Beratung durch BES bei Abschluss ihrer Anlage anhängig gemacht hatte (Klage auf Nichtigerklärung des betreffenden Vertrags), entschied die portugiesische Zentralbank, bestimmte Verbindlichkeiten wieder mit Rückwirkung auf BES zurück zu übertragen – darunter auch den Anlagevertrag der Kl. Dennoch gaben das spanische ErstG und BerufungsG der Klage der Kl statt und mit dem Vorabentscheidungsersuchen des spanischen Höchstgerichts soll nun geklärt werden, ob die rückwirkende Rückübertragung der Verbindlichkeiten durch die portugiesische Zentralbank nach der RL 2001/24/EG [über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten] von den spanischen Gerichten ohne Weiteres anzuerkennen ist, wenn dies zur Abweisung der Klage der Kl gegen Novo Banco führt.

Zwar hindert die RL 2001/24/EG den Herkunftsmitgliedstaat der Bank nicht daran, die auf Sanierungsmaßnahmen anwendbaren Regelungen auch rückwirkend zu ändern. Ließe man jedoch zu, dass durch solche „zweite Sanierungsmaßnahmen“ auch der rechtliche Rahmen bzw die Rechtslage für einen bereits anhängigen Rechtsstreit rückwirkend geändert werden, sodass diese rückwirkenden Maßnahmen zur Abweisung der Klage führen könnten, würde dies eine Beschränkung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf iSv Art 47 Abs 1 GRC bedeuten, wenngleich solche Maßnahmen an sich nicht gegen die RL 2001/24/EG verstoßen.

Ist daher – wie hier – in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat der Bank ein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem es um eine Verbindlichkeit geht, von der ein Kreditinstitut durch eine erste Sanierungsmaßnahme in seinem Herkunftsmitgliedstaat befreit wurde, dürfen die Wirkungen einer zweiten Sanierungsmaßnahme, mit der diese Verbindlichkeit rückwirkend auf dieses Kreditinstitut zurück übertragen werden, nicht ohne weitere Voraussetzungen anerkannt werden, wenn das Kreditinstitut, auf das die Verbindlichkeit durch die erste Maßnahme übertragen worden war, rückwirkend seine Passivlegitimation für dieses anhängige Verfahren verlöre und bereits zugunsten der Kl in diesem Verfahren ergangene gerichtliche Entscheidungen in Frage gestellt würden.

EuGH 29. 4. 2021, C-504/19, Banco de Portugal ua

Zu einem spanischen Vorabentscheidungsersuchen.

Entscheidung

Die portugiesische Regierung wies gegenüber dem EuGH ua auch darauf hin, dass die Kl berechtigt war, die Entscheidungen der portugiesischen Zentralbank betr die Rückübertragung der Verbindlichkeiten auf BES („zweite Sanierungsmaßnahme“) innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung auf der Website der portugiesischen Zentralbank bei den portugiesischen Gerichten anzufechten (Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidungen).

Diese Möglichkeit ist nach Ansicht des EuGH im gegebenen Zusammenhang jedoch nicht relevant.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30837 vom 03.05.2021