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EuGH: „Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen“ der Union

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

SFI-Übereinkommen: Art 1

Der Begriff „Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen“ der Union iSv Art 1 Abs 1 Buchst a des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (SFI-Übereinkommen) ist zwingend dahin auszulegen, dass er die vorsätzliche Verwendung falscher oder unrichtiger Erklärungen umfasst, die – zu dem Zweck, unrechtmäßig Mittel aus dem Unionshaushalt zurückzubehalten – nach der Durchführung des finanzierten Vorhabens vorgelegt werden, um den Anschein der Beachtung der Verpflichtungen zu erwecken, die im Nachhaltigkeitszeitraum des Vorhabens (dh in der Zeit nach der Durchführung des Vorhabens) vorgesehen sind. Er umfasst somit den gesamten Zeitraum, in dem der Finanzierungsvertrag den Begünstigten Verpflichtungen auferlegt, einschließlich des Nachhaltigkeitszeitraums.

Die Herkunft der Mittel, die der Erfüllung einer Verpflichtung aus dem Finanzierungsvertrag dienen (hier: Verpflichtung der Begüstigten laut Finanzierungsvertrag, nach Durchführung des Vorhabens zu dessen Bewerbung aus eigenen Mitteln Werbematerial wie Faltblätter, Broschüren und Touristikführer drucken und verteilen zu lassen), ist im Übrigen unerheblich, weil die Erfüllung dieser Verpflichtung Voraussetzung für die Gewährung und die Beibehaltung von Mitteln aus dem Unionshaushalt ist.

Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verpflichtet ein nationales Gericht, die Bestimmungen des nationalen Rechts im Einklang mit den Verpflichtungen auszulegen, die sich aus Art 325 Abs 1 und 2 AEUV im Licht von Art 1 Abs 1 Buchst a SFI-Übereinkommen ergeben, sofern eine solche Auslegung nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit iZm Straftaten und Strafen führt. Sollte das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen, dass einer unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Vorschriften der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit iZm Straftaten und Strafen entgegensteht, wäre es somit nicht verpflichtet, dieser Verpflichtung nachzukommen, selbst wenn dadurch einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Sachlage abgeholfen werden könnte. Dann ist es Sache des nationalen Gesetzgebers, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

EuGH 14. 10. 2021, C-360/20, Ministerul Lucrărilor Publice, Dezvoltării şi Administraţiei

Zu einem rumänischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31585 vom 18.10.2021