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EuGH: Europäischer Haftbefehl – EU-Austritt eines Mitgliedstaats

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EUV: Art 50

Rahmenbeschluss 2002/584/JI idF Rahmenbeschluss 2009/299/JI: Art 1, Art 26 bis 28

Die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls stellt den Grundsatz dar, während die Ablehnung der Vollstreckung als Ausnahme ausgestaltet und eng auszulegen ist.

Die bloße Mitteilung des Ausstellungsmitgliedstaats über seine Absicht, gem Art 50 EUV aus der Union auszutreten, hat nicht zur Folge, dass der Vollstreckungsmitgliedstaat die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls verweigern oder vertagen müsste, bis nähere Angaben über die rechtlichen Regelungen vorliegen, die im Ausstellungsmitgliedstaat nach seinem EU-Austritt gelten werden. Der Vollstreckungsmitgliedstaat kann die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht verweigern, solange der Ausstellungsmitgliedstaat der EU angehört und keine ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betroffene Person nach dem EU-Austritt des Ausstellungsmitgliedstaats der Gefahr ausgesetzt wäre, dass ihr die Grundrechte nach der GRC und die Rechte nicht mehr zustehen, die ihr insb aus den Art 26 bis 28 des Rahmenbeschluss 2002/584/JI [über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten] idF Rahmenbeschluss 2009/299/JI erwachsen.

Dass der Ausstellungsmitgliedstaat auch nach seinem EU-Austritt im Wesentlichen den Inhalt der Rechte aus dem Rahmenbeschluss anwenden wird, darf angenommen werden, wenn der Ausstellungsmitgliedstaat seine Beteiligung an internationalen Übereinkommen wie dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. 12. 1957 und der EMRK auch nach seinem Austritt aus der Union aufrechterhält. Nur bei Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte, die auf den Beweis des Gegenteils hinauslaufen, dürften die vollstreckenden Justizbehörden die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls verweigern.

EuGH 19. 9. 2018, C-327/18 PPU, RO

Zu einem irischen Vorabentscheidungsersuchen.

Der EuGH hat für Recht erkannt

Art 50 EUV ist dahin auszulegen, dass die bloße Mitteilung eines Mitgliedstaats über seine Absicht, gem diesem Artikel aus der Europäischen Union auszutreten, nicht zur Folge hat, dass dann, wenn dieser Mitgliedstaat einen Europäischen Haftbefehl gegen jemanden ausstellt, der Vollstreckungsmitgliedstaat die Vollstreckung dieses Europäischen Haftbefehls verweigern oder vertagen muss, bis nähere Angaben über die rechtlichen Regelungen vorliegen, die im Ausstellungsmitgliedstaat nach seinem Austritt aus der Europäischen Union gelten werden. Liegen keine ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründe für die Annahme vor, dass die Person, gegen die dieser Europäische Haftbefehl ergangen ist, nach dem Austritt des Ausstellungsmitgliedstaats aus der Europäischen Union der Gefahr ausgesetzt ist, dass ihr die von der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. 6. 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. 2. 2009 geänderten Fassung zuerkannten Rechte genommen werden, kann der Vollstreckungsmitgliedstaat die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht verweigern, solange der Ausstellungsmitgliedstaat der Europäischen Union angehört.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26060 vom 20.09.2018