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EuGH-GA: Vorhaben Heumarkt Neu – UVP?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2011/92/EU idF RL 2014/52/EU: Art 2, Art 4, Anhang II, Anhang III

1. Art 4 Abs 2 und 3 iVm Anhang II Nr 10 Buchst b und Anhang III Nr 2 Buchst c Z viii RL 2011/92/EU (UVP-RL) idF RL 2014/52/EU steht einer nationalen Regelung entgegen, wonach Städtebauprojekte nur dann einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, wenn sie eine Fläche von mindestens 15 ha in Anspruch nehmen und eine Bruttogeschossfläche von mehr als 150.000 m² haben (Schwellenwert gem Anhang 1 Z 18 UVP-G 2000), ohne dass dabei ihr Standort berücksichtigt wird, so dass eine Einzelfallprüfung der Notwendigkeit einer UVP für Städtebauprojekte an Stätten von historischer, kultureller oder archäologischer Bedeutung, wie zB Unesco-Welterbestätten, ausgeschlossen wird.

2. Eine weitere Vorlagefrage des VwG bezieht sich auf die nationale Regelung betr die Kumulierung der Auswirkungen von gleichartigen Städtebauprojekten (vgl § 3 Abs 2 iVm Anhang 1 Z 18 UVP-G 2000). Nach Ansicht des Generalanwalts steht Art 4 Abs 3 iVm Anhang III UVP-RL einer nationalen Regelung wie dieser entgegen:

Nach Anhang III Nrn 1 und 3 Buchst g UVP-RL ist die Kumulierung mit anderen bestehenden und/oder genehmigten Projekten zu prüfen. Die EuGH-Rsp zeigt, dass eine Berücksichtigung der kumulativen Auswirkungen von Projekten erforderlich sein kann, um eine Umgehung durch Aufsplitterung von Projekten zu verhindern. Die Prüfung ist auch nicht auf gleichartige Projekte beschränkt, da sich kumulativen Auswirkungen ebenso aus Projekten anderer Art ergeben können, etwa aus einem Städtebauprojekt und dem Bau von Verkehrsinfrastruktur. Weiters kann auch ein Projekt von geringer Größe erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, sodass die UVP-RL auch einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Prüfung kumulativer Auswirkungen ausschließt, solange das geplante Projekt nicht eine bestimmte Größe erreicht (hier: mind 25 % des Schwellenwerts).

Nach Ansicht des Generalanwalts sind die Mitgliedstaaten durch die UVP-RL jedoch nicht daran gehindert, Projekte von der Prüfung auszunehmen, für die die Arbeiten nicht begonnen haben und die angesichts des Zeitraums seit ihrer endgültigen Genehmigung wahrscheinlich nicht mehr ausgeführt werden, sofern nicht ein behördliches Verfahren oder ein gerichtlicher Rechtsstreit anhängig ist. Ein Zeitraum von fünf Jahren reicht grundsätzlich aus, um vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgehen zu können.

3. Überschreitet ein Mitgliedstaat den Wertungsspielraum, der ihm durch Art 2 Abs 1 und Art 4 Abs 3 UVP-RL eingeräumt ist, weil die nationalen Schwellenwerte eine unrichtige Umsetzung dieser RL darstellen, ist es Sache der nationalen Behörden, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die betreffenden Projekte im Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob sie möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und sie bejahendenfalls einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen. Sie müssen dabei sämtliche Kriterien und Aspekte gem Anhang III UVP-RL berücksichtigen, und zwar unbeschadet des Umstands, dass einige von ihnen im Einzelfall relevanter sein mögen als andere. Die Notwendigkeit, Stätten von historischer, kultureller oder archäologischer Bedeutung zu schützen, hält der Generalanwalt für eine Unesco-Welterbestätte für offenbar besonders relevant.

Schlussanträge des Generalanwalts 24. 11. 2022, C-575/21, WertInvest Hotelbetrieb

Zu einem Vorabentscheidungsersuchen des VwG Wien.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33325 vom 25.11.2022