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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
RL 95/46/EG: Art 7
Art 7 Buchst f RL 95/46/EG [zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr] verpflichtet nicht dazu, einem Dritten personenbezogene Daten zu übermitteln, damit er vor einem Zivilgericht Klage auf Ersatz eines durch die betreffende Person verursachten Schadens erheben kann. Jedoch steht er der Übermittlung solcher Daten auf der Grundlage des nationalen Rechts nicht entgegen, sofern die in Art 7 Buchst f RL 95/46/EG genannten kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind (berechtigtes Interesse, Erforderlichkeit und kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person).
EuGH 4. 5. 2017, C-13/16, Rigas satiksme
Sachverhalt
Zu einem lettischen Vorabentscheidungsersuchen.
Im Dezember 2012 ereignete sich in Riga ein Verkehrsunfall: Ein Taxifahrer hatte sein Fahrzeug am Straßenrand angehalten. In dem Moment, als ein Oberleitungsbus an dem Taxi vorbeifuhr, öffnete der (minderjährige) Fahrgast im Fond des Taxis die Tür, die an den Oberleitungsbus stieß und diesen beschädigte.
Zur Verfolgung der Ansprüche gegen Fahrgast auf dem Zivilrechtsweg wandte sich die Betreiberin der Oberleitungsbusse an die Nationalpolizei und verlangte Auskunft über die Person, gegen die wegen des Unfalls eine Verwaltungssanktion verhängt worden war, ferner Kopien der Aussagen des Taxifahrers und des Fahrgasts zum Hergang des Unfalls sowie Auskunft über Namen, Vornamen, persönliche Identifikationsnummer und Wohnsitz des Fahrgasts.
Die Nationalpolizei gab diesem Antrag nur teilweise statt. Sie teilte Namen und Vornamen des Fahrgasts mit, lehnte es aber ab, die persönliche Identifikationsnummer und den Wohnsitz dieser Person mitzuteilen. Sie übersandte auch keine Kopien der Aussagen der Unfallbeteiligten.
Entscheidung
Keine Übermittlung nach der RL 95/46/EG
Nach Art 5 RL 95/46/EG haben die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Vorschriften der RL die Voraussetzungen näher zu bestimmen, unter denen die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist. Art 7 RL 95/46/EG legt die Grundsätze für die Zulässigkeit der Verarbeitung solcher Daten fest und bestimmt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten vor[sehen], dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen darf“, wenn eine der Voraussetzungen erfüllt ist, die in dieser Vorschrift abschließend aufgeführt sind.
Nach Art 7 Buchst f RL 95/46/EG darf die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgen, wenn sie zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich ist, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen, die gem Art 1 Abs 1 RL 95/46/EG geschützt sind.
Aus der Systematik der RL 95/46/EG und dem Wortlaut ihres Art 7 ergibt sich nach Ansicht des EuGH somit, dass ihr Art 7 Buchst f für sich genommen zu einer Verarbeitung bzw Übermittlung von Daten an einen Dritten nicht verpflichtet, wenn sie zur Verwirklichung von dessen berechtigtem Interesse erforderlich sind, sondern eine solche Verarbeitung von Daten lediglich erlaubt. Auch andere Unionsrechtsakte zu personenbezogenen Daten sprechen für eine solche Auslegung.
Übermittlung nach nationalem Recht
Sofern die drei kumulativen Voraussetzungen des Art 7 Buchst f RL 95/46/EG erfüllt sind, ist eine Datenübermittlung gem dem nationalen Recht nach Ansicht des EuGH aber möglich.
Für zweifellos berechtigt hält der EuGH das Interesse eines Dritten, eine persönliche Information über eine Person zu erlangen, die sein Eigentum verletzt hat, um gegen sie eine Schadenersatzklage zu erheben (vgl EuGH 29. 1. 2008, C-275/06, Promusicae, EU:C:2008:54, Rn 53, LN Rechtsnews 4345 vom 30. 1. 2008). Auch nach Art 8 Abs 2 Buchst e RL 95/46/EG gilt das Verbot der Verarbeitung bestimmter Arten personenbezogener Daten ua dann nicht, wenn die Verarbeitung der Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche vor Gericht erforderlich ist.
Zur Voraussetzung der Erforderlichkeit der Verarbeitung der Daten hält der EuGH fest, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen. Im vorliegenden Fall lässt sich der Verursacher des Schadens allein anhand des Namens und des Vornamens nicht hinreichend identifizieren, um eine Klage gegen ihn erheben zu können. Hierzu ist nach der Vorlageentscheidung ferner die Anschrift und/oder die Identifikationsnummer dieser Person erforderlich.
Zur Voraussetzung der Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen verweist der EuGH darauf, dass sie grundsätzlich von den konkreten Umständen des betreffenden Einzelfalls abhängt. Insoweit hat der EuGH bereits entschieden, dass berücksichtigt werden kann, dass die Grundrechte der betroffenen Person durch die Datenverarbeitung unterschiedlich stark beeinträchtigt sein können, je nachdem, ob die betreffenden Daten öffentlich zugänglich sind oder nicht (vgl EuGH 24. 11. 2011, C-468/10 und C-469/10, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito, EU:C:2011:777, Rn 44).
Minderjähriger Schädiger
Das Alter der betreffenden Person kann nach Ansicht des EuGH einen der Gesichtspunkte darstellen, die im Rahmen der Abwägung der Rechte und Interessen zu berücksichtigen sind.
Unter dem Vorbehalt der insoweit von dem nationalen Gericht durchzuführenden Überprüfungen, erscheint es dem EuGH unter Umständen wie im Ausgangsverfahren nicht gerechtfertigt, die Datenübermittlung an den Geschädigten nur deshalb abzulehnen, weil der Verursacher des Schadens minderjährig ist.
Der EuGH hat für Recht erkannt:
Art 7 Buchst f der RL 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. 10. 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass er nicht dazu verpflichtet, einem Dritten personenbezogene Daten zu übermitteln, damit er vor einem Zivilgericht Klage auf Ersatz eines durch die betreffende Person verursachten Schadens erheben kann. Jedoch steht er der Übermittlung solcher Daten auf der Grundlage des nationalen Rechts nicht entgegen.