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EuGH: Prüfung gem HabitatRL nach Ablauf der Projektbewilligung

Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 92/43/EWG: Art 6

Im vorliegenden Fall wurde für die Durchführung eines Projekts (Bau eines Wiederverdampfungsterminals für verflüssigtes Erdgas angrenzend an zwei Natura-2000-Gebiete) mit der ursprünglichen Bewilligung eine zehnjährige Frist gesetzt, die ablief, ohne dass Arbeiten durchgeführt worden wären. Vor der Verlängerung der Frist (hier: um fünf Jahre) muss die zuständige Behörde beurteilen, ob eine Verträglichkeitsprüfung gem Art 6 Abs 3 Satz 1 der RL 92/43/EWG (HabitatRL) durchzuführen ist und ob sich diese gegebenenfalls auf das gesamte Projekt oder einen Teil davon erstrecken muss. Die Verträglichkeitsprüfung muss durchgeführt werden, wenn sich auf der Grundlage der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausschließen lässt, dass dieses Projekt die Erhaltungsziele für das betreffende Gebiet beeinträchtigt. Eine frühere Prüfung des Projekts vor der ursprünglichen Genehmigung kann diese Gefahr nur ausschließen, wenn sie vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthält, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der Arbeiten auszuräumen, und sofern sich die relevanten Umweltdaten und wissenschaftlichen Daten nicht fortentwickelt haben, das Projekt nicht eventuell geändert wurde und es keine anderen Pläne oder Projekte gibt.

EuGH 9. 9. 2020, C-254/19, Friends of the Irish Environment

Ausgangsfall

Zu einem irischen Vorabentscheidungsersuchen.

Im vorliegenden Fall hatte die irische Planungsbehörde mit der ursprünglichen Bewilligung eine zehnjährige Frist für die Durchführung des Projekts gesetzt (Bau eines Wiederverdampfungsterminals für verflüssigtes Erdgas). Das Projekt sollte angrenzend an zwei Natura-2000-Gebiete durchgeführt werden, die ursprüngliche Genehmigung nahm jedoch weder auf die HabitatRL noch auf die beiden geschützten Gebiete Bezug. Außerdem enthielt sie keine vollständigen, präzisen und endgültigen Feststellungen, die geeignet gewesen wären, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der geplanten Arbeiten auszuräumen.

Vor Ablauf der zehnjährigen Frist beantragte der Projektträger eine Verlängerung der Laufzeit der Baugenehmigung. Die ursprüngliche Genehmigung endete, ohne dass irgendwelche Arbeiten durchgeführt worden wären. Erst nach Anlauf der Frist gewährte die Behörde dem Projektträger eine zusätzliche Frist von fünf Jahren für die Durchführung des Projekts. Die Behörde führte bei dieser Gelegenheit eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch, an deren Ende sie zu der Auffassung gelangte, dass die Verlängerung der Frist keine bedeutende Auswirkung auf die Umwelt habe.

Diese Genehmigung wurde von den Friends of the Irish Environment vor dem irischen High Court angefochten.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.Eine Entscheidung, mit der die für die Durchführung eines Projekts zum Bau eines Wiederverdampfungsterminals für verflüssigtes Erdgas ursprünglich gesetzte zehnjährige Frist verlängert wird, ist als Zustimmung für ein Projekt iSv Art 6 Abs 3 der RL 92/43/EWG des Rates vom 21. 5. 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen anzusehen, wenn die ursprüngliche Genehmigung nach ihrem Erlöschen bei Ablauf der von ihr für diese Arbeiten gesetzten Frist aufgehört hat, Rechtswirkungen zu erzeugen, und diese Arbeiten nicht durchgeführt worden sind.
2.Es obliegt der zuständigen Behörde, zu beurteilen, ob eine Entscheidung, mit der die ursprünglich gesetzte Frist für die Durchführung eines Projekts zum Bau eines Wiederverdampfungsterminals für verflüssigtes Erdgas – dessen ursprüngliche Genehmigung erloschen ist – verlängert wird, Gegenstand einer Verträglichkeitsprüfung gem Art 6 Abs 3 Satz 1 der RL 92/43 sein muss, und gegebenenfalls zu beurteilen, ob diese sich auf das gesamte Projekt oder einen Teil davon erstrecken muss, wobei insb sowohl eine eventuell durchgeführte frühere Prüfung als auch die Entwicklung der relevanten Umweltdaten und wissenschaftlichen Daten, aber auch die etwaige Änderung des Projekts oder das Vorliegen anderer Pläne oder Projekte zu berücksichtigen sind. Die Verträglichkeitsprüfung muss durchgeführt werden, wenn sich auf der Grundlage der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausschließen lässt, dass dieses Projekt die für das betreffende Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigt. Eine frühere Prüfung des Projekts, die vor dem Erlass der ursprünglichen Genehmigung des Projekts durchgeführt wurde, vermag diese Gefahr nur auszuschließen, wenn sie vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthält, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der Arbeiten auszuräumen, sofern sich die relevanten Umweltdaten und wissenschaftlichen Daten nicht fortentwickelt haben, das Projekt nicht eventuell geändert wurde und es keine anderen Pläne oder Projekte gibt.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29660 vom 14.09.2020