News

EuGH: Übernahmeangebot – angemessener Preis der Aktien

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2004/25/EG: Art 3, Art 4, Art 5

1. Art 5 Abs 4 RL 2004/25/EG [betreffend Übernahmeangebote] (ÜbernahmeRL) steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die drei Methoden für die Festlegung des angemessenen Preises vorsieht, zu dem der Bieter die Aktien einer Gesellschaft zurückkaufen muss – darunter die Methode in Umsetzung von Art 5 Abs 4 Unterabs 1 ÜbernahmeRL –, und die vorschreibt, dass stets die Methode zu wählen ist, die zum höchsten Preis führt, und die Aufsichtsstelle (auch) die anderen Methoden unter Einhaltung der allgemeinen Grundsätze gem Art 3 Abs 1 ÜbernahmeRL und nach Voraussetzungen und Kriterien anwendet, die durch einen eindeutigen, genauen und transparenten gesetzlichen Rahmen bestimmt sind. Hat der Mitgliedstaat durch das Rechtsinstrument seiner Wahl sichergestellt, dass die Voraussetzungen und Kriterien, nach denen die Änderung des angemessenen Preises durchgeführt wird, iSv Art 5 Abs 4 Unterabs 2 ÜbernahmeRL „ganz bestimmt“ bzw „eindeutig festgelegt“ sind, kann eine Änderung des angemessenen Preises auch zur Festlegung eines höheren Preises führen, als er sich aus der Anwendung von Art 5 Abs 4 Unterabs 1 ÜbernahmeRL ergibt.

2. Art 5 Abs 4 Unterabs 2 ÜbernahmeRL steht einer nationalen Regelung entgegen, die vorsieht, dass bei einem Übernahmeangebot der Wert der Aktie ermittelt wird, indem das Nettovermögen der Zielgesellschaft, einschließlich nicht beherrschender Anteile bzw Minderheitsbeteiligungen, durch die Zahl der ausgegebenen Aktien geteilt wird, es sei denn, es handelt sich dabei um eine Methode zur Bestimmung des Aktienpreises, die auf ein objektives Bewertungskriterium gestützt wird, das allgemein in der Finanzanalyse verwendet wird und als „eindeutig festgelegt“ iS dieser Bestimmung angesehen werden kann. Dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

3. Die ÜbernahmeRL verleiht dem Bieter im Rahmen des Übernahmeangebotsverfahrens Rechte, die im Rahmen einer Staatshaftungsklage geltend gemacht werden können. Im Fall der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden durch eine unionsrechtswidrige Entscheidung einer Verwaltungsbehörde darf der Ersatz des daraus resultierenden Vermögensschadens nicht durch eine nationale Regelung auf 50 % dieses Schadens begrenzt werden.

EuGH 10. 12. 2020, C-735/19, Euromin Holdings (Cyprus)

Zu einem lettischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30080 vom 11.12.2020