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EuGH: Unzulässiger Antrag eines Vaters auf internationalen Schutz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GRC: Art 7, Art 24

RL 2011/95/EU: Art 23

RL 2013/32/EU: Art 33

Im vorliegenden Fall war einem minderjährigen, unbegleiteten Kind in einem Mitgliedstaat (hier: Belgien) subsidiärer Schutz gewährt worden und seinem Vater in einem anderen Mitgliedstaat (hier Österreich) die Flüchtlingseigenschaft. Im Hinblick auf diese Rechtsstellung des Vaters kann der erste Mitgliedstaat (Belgien) seinen dortigen Antrag auf internationalen Schutz nach der VerfahrensRL (RL 2013/32/EU) als unzulässig ablehnen. Allerings hat dieser Mitgliedstaat (Belgien) Art 23 Abs 2 RL 2011/95/EU (AnerkennungsRL) anzuwenden, der den Mitgliedstaaten ausdrücklich vorschreibt, für die Aufrechterhaltung des Familienverbands Sorge zu tragen, indem er für die Familienmitglieder der Person, die internationalen Schutz (dh hier subsidiären Schutz) genießt, eine Reihe von Leistungen einführt (näher genannt in Art 24 bis 35 AnerkennungsRL). Zu diesen Leistungen zählt ua die Gewährung eines Aufenthaltsrechts. Die Gewährung dieser Leistungen ist an drei Voraussetzungen gebunden: Eigenschaft als Familienangehöriger iSv Art 2 Buchst j AnerkennungsRL; für den Angehörigen selbst sind die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nicht erfüllt; Vereinbarkeit mit der persönlichen Rechtsstellung des betreffenden Familienangehörigen.

Fraglich ist hier somit im Wesentlichen die Vereinbarkeit mit der persönlichen Rechtsstellung: Der Vorbehalt der Vereinbarkeit betrifft die Frage, ob (hier) der Vater nicht bereits Anspruch auf eine bessere Behandlung hat als die, die sich aus den Leistungen gem Art 24 bis 35 AnerkennungsRL ergibt. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht scheint dies hier nicht der Fall zu sein, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat dem Betreffenden in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich keine bessere Behandlung verschafft als diejenige, die sich aus den Leistungen gem Art 24 bis 35 AnerkennungsRL in diesem anderen Mitgliedstaat ergibt (hier also etwa Gewährung eines Aufenthaltsrechts).

EuGH 22. 2. 2022, C-483/20, Commissaire général aux réfugiés und aux apatrides (Unité familiale – Protection déjà accordée)

Zu einem belgischen Vorabentscheidungsersuchen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32124 vom 24.02.2022