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§ 3 Abs 2 AsylG 2005 sieht vor: „Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insb Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs 1 Z 23) stellt, wird idR nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.“
Die bisherige Rsp des VwGH zur grundsätzlichen Beachtlichkeit bzw Anwendbarkeit des § 3 Abs 2 zweiter Satz AsylG 2005 kann vor dem Hintergrund der im vorliegenden Fall ergangenen Vorabentscheidung EuGH 29. 2. 2024, C-222/22, Rechtsnews 35128, nicht aufrechterhalten werden:
Nach dieser Vorabentscheidung steht Art 5 Abs 3 StatusRL der Bestimmung des § 3 Abs 2 zweiter Satz AsylG 2005 entgegen, weil diese Bestimmung - in ihrer derzeitigen Fassung - die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten aufgrund eines (auf subjektiven Nachfluchtgründen beruhenden) Folgeantrages von der Voraussetzung abhängig macht, dass die geltend gemachten Umstände (nachweislich) Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung des Antragstellers sind (vgl den Tenor des Urteils C-222/22).
Die Bestimmung ist daher von österreichischen Behörden und Gerichten nicht anzuwenden, zumal die Umsetzung von Art 5 Abs 3 StatusRL in innerstaatliches Recht bloß eine Befugnis bzw „fakultative“ Möglichkeit der Mitgliedstaaten darstellt (vgl Rn 26 bzw Rn 36 des Urteils C-222/22)
Die Verwendung des Ausdrucks „insbesondere“ in § 3 Abs 2 erster Satz AsylG 2005 in Bezug auf Fälle, in denen diese Aktivitäten nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind, bedeutet, dass sich Antragsteller sowohl im Rahmen eines Erstantrags auf internationalen Schutz als auch im Rahmen eines Folgeantrags grundsätzlich auch auf Aktivitäten berufen können, die nicht Ausdruck und Verlängerung einer solchen Überzeugung oder Ausrichtung sind (vgl Rn 28 des Urteils C-222/22).
§ 3 Abs 2 (erster Satz) AsylG 2005 ist (iVm Abs 1 leg cit) demnach dahin auszulegen, dass er das BFA bzw das BVwG verpflichtet, jeden - auf subjektiven Nachfluchtgründen eines Antragstellers beruhenden - Folgeantrag auf internationalen Schutz individuell zu prüfen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Falles vorzunehmen ist (vgl Rn 35 des Urteils C-222/22, mit Hinweis auf Art 4 Abs 3 der StatusRL).
VwGH 4. 4. 2024, Ro 2020/01/0023
Hinweis:
Zum in diesem Verfahren ergangenen Vorabentscheidungsersuchen VwGH 16. 3. 2022, Ro 2020/01/0023 (EU 2022/0001) siehe Rechtsnews 32369.