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Gegenüber Geschäftsunfähigen darf sich Versicherung nicht auf Ausschlussfrist berufen

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

Wegen des Prinzips von Treu und Glauben darf sich die Versicherung nicht auf eine Ausschlussfrist in den Versicherungsbedingungen berufen, wenn die Versicherungsleistung aufgrund fehlender Geschäftsfähigkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht werden konnte.

ABGB: § 21 Abs 1, § 864a, § 865 Abs 1, § 914, § 1494

VersVG: § 12 Abs 1, § 75 Abs 2

Unfallversicherungsbedingungen (hier: AUVB 2012) sehen eine Frist von 15 Monaten ab dem Unfalltag vor, innerhalb deren der Leistungsanspruch für dauernde Invalidität geltend gemacht werden muss. Dabei handelt es sich um keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers bzw Versicherten, sondern um eine Ausschlussfrist. Die Versäumung der Frist führt unabhängig von Kenntnisstand und Verschulden zum Anspruchsverlust.

Eine in Versicherungsbedingungen vorgesehene Ausschlussfrist ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil sie zu Lasten des Versicherungsnehmers bzw Versicherten von den gesetzlichen Verjährungsregeln abweicht.

Die Klausel mit der Ausschlussfrist unterliegt der Inhalts-, Geltungs- und Transparenzkontrolle. Der Umstand, dass die Ausschlussfrist auch dann mit dem Unfalltag zu laufen beginnt, wenn der Versicherte erst später Kenntnis von der Existenz der Versicherung für fremde Rechnung erlangt, macht sie nicht zu einer ungewöhnlichen Vertragsklausel iSd § 864a ABGB.

§ 1494 ABGB, der in bestimmten Fällen die Hemmung der Verjährung bei fehlender Entscheidungs- bzw Geschäftsfähigkeit anordnet, kann nicht analog auf eine in Versicherungsbedingungen vereinbarte Ausschlussfrist angewendet werden. Aus dem besonderen Schutz entscheidungsunfähiger Personen nach § 21 Abs 1 ABGB ist jedoch abzuleiten, dass sich die Versicherung aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht auf die Ausschlussfrist berufen darf, wenn die Versicherungsleistung aufgrund fehlender Entscheidungs- bzw Geschäftsfähigkeit des Versicherten weder von diesem noch dem Versicherungsnehmer fristgerecht geltend gemacht werden konnte.

Zur Geltendmachung von Rechten aus einer Versicherung für fremde Rechnung ist der Versicherte nur dann aktiv legitimiert, wenn er über den Versicherungsschein verfügt oder die Zustimmung des Versicherungsnehmers vorliegt.

OGH 28. 8. 2019, 7 Ob 47/19s

Anmerkung

In 7 Ob 201/12b = RdW 2013/215 hat der OGH die 15-monatige Ausschlussfrist in den AUVB insofern als ungewöhnliche Vertragsklausel iSd § 864a ABGB qualifiziert, als diese wegen der Anknüpfung an den Unfalltag auch dann zum Anspruchsverlust führt, wenn der Versicherungsnehmer bis dahin keinerlei Hinweise auf den Eintritt eines Versicherungsfalls hat und diesen nach Kenntnisnahme sofort dem Versicherer anzeigt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28058 vom 08.10.2019