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Gewerbliche Abfallbeseitigerin: Außenhaftung des abfallrechtlichen Geschäftsführers

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1293, § 1294, § 1295

AWG 2002: §§ 1 ff

StGB: §§ 181b f

Die Kontrollpflichten einer Deponiebetreiberin sollen die Umwelt und die Allgemeinheit schützen und nicht gewerbliche Abfallbeseitiger von ihren eigenen Pflichten und Obliegenheiten als Abfallbesitzer entlasten oder gar vor Ansprüchen aus Schäden bewahren, die ihre eigenen rechtswidrigen Täuschungshandlungen herbeiführen. Dies gilt umso mehr als viele Eigenschaften von Abfällen bei den Sicht- und Plausibilitätskontrollen, die von einem Deponiebetreiber durchzuführen sind, gar nicht erkennbar sind.

Neben der Haftung einer juristischen Person für das Handeln ihrer Erfüllungsgehilfen und Machthaber können auch diese handelnden natürlichen Personen dem Geschädigten selbst nach deliktischen Grundsätzen schadenersatzpflichtig werden (vgl RS0120155 zur sog Durchgriffs- oder Außenhaftung).

Veranlasste der abfallrechtliche Geschäftsführer einer gewerblichen Abfallbeseitigerin wissentlich die unzulässige Ablagerung von giftigen Waschwässern auf der Deponie der Deponiebetreiberin unter Verwendung falscher Dokumentation, erfüllt dieses Verhalten die Kriterien der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, sodass schon daraus eine Außenhaftung des abfallrechtlichen Geschäftsführers gegenüber der Deponiebetreiberin folgt. Darüber hinaus sind auch Verletzungen von Schutzgesetzen durch den abfallrechtlichen Geschäftsführer als Normadressaten zu bejahen. Der abfallrechtliche Geschäftsführer ist selbst Normadressat der Pflichten nach dem AWG.

Bei den Vorschriften des AWG 2002 handelt sich eindeutig um Schutzgesetze (vgl § 1 Abs 1 Z 1 AWG 2002). Dass diese Bestimmungen nicht nur den Schutz der Umwelt oder des öffentlichen Interesses bezwecken, ergibt sich klar aus §§ 181b f StGB. Die einzelnen Ziffern lassen die geschützten Rechtsgüter gut erkennen. Neben dem Schutz der Umweltmedien Gewässer, Boden und Luft werden auch Rechtsgüter Dritter, nämlich Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit von Menschen (Abs 1 Z 1) und Vermögensgegenstände (Abs 1 Z 4: „Beseitigungsaufwand, der 50.000 € übersteigt“) sogar vor einer nur potentiellen (abstrakten) Gefährdung geschützt. Es besteht deshalb auch kein Grund, in der Abfallwirtschaft tätige Personen aus dem Schutzbereich auszuklammern. Die Anführung von Beseitigungsaufwand über 50.000 € zeigt klar, dass diese Norm auch (all) jene schützen soll, denen durch das umweltgefährdende Verbringen von Abfällen ein erheblicher Beseitigungsaufwand entsteht.

Ebenso geschützt sind jene (möglicherweise gegenüber der Deponiebetreiberin Regressberechtigte), deren gesetzliche Aufgabe die Wiederherstellung oder Verbesserung des Zustands des verunreinigten Grundwassers ist. Damit haftet der Geschäftsführer der Deponiebetreiberin und – je nach den Ergebnissen zur subjektiven Sorgfaltswidrigkeit der Deponiebetreiberin im zweiten Rechtsgang – allenfalls auch jenen, die durch das verunreinigte Grund- und Trinkwasser geschädigt sind.

OGH 22. 10. 2024, 4 Ob 208/23a

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36202 vom 16.12.2024