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GWG 2011: Netznutzungentgelt – „kaufen“ vs „beziehen“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GWG 2011 idF vor LGBl I 2021/150: § 7

GWG 2011: § 7, § 73

Mit Bescheid des Vorstands der E-Control wurde der Erstmitbeteiligten als Netzbetreiberin aufgetragen, der Zweitmitbeteiligten als Endverbraucherin Netznutzungsentgelte für die Entnahme von Erdgas nachzuverrechnen; es handelt sich dabei um „Liftgas“, das als Druckmedium für die Erdölförderung dient und nach der Erdölförderung wiederaufbereitet und erneut in das Verteilernetz eingespeist wird. Der VwGH hatte die Rechtslage vor und nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket (EAG-Paket), BGBl I 2021/150, zu beurteilen:

Gem § 73 Abs 2 erster Satz GWG 2011 ist das Netznutzungsentgelt von Endverbrauchern zu entrichten - das war nach § 7 Abs 1 Z 11 GWG 2011 idF vor dem EAG-Paket BGBl I 2021/150 eine Person, die Erdgas für den Eigenbedarf „kauft“. Der Begriff „Kauf“ ist auch in § 7 Abs 1 Z 11 GWG 2011 aF in der Bedeutung des allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen. Durch die Verwendung des in § 7 Abs 1 Z 11 GWG 2011 klar definierten Begriffs „Endverbraucher“ in § 73 Abs 2 GWG 2011 wird der Kreis der Zahlungspflichtigen eindeutig umschrieben; dass in der Gas-Systemnutzungsentgelte-Verordnung für die Netznutzungsentgelte auf die Entnahme (und nicht den Kauf) abgestellt werde, kann nicht zu einer abweichenden Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führen.

Mit der Novelle BGBl I 2021/150 (EAG-Paket) wurde die Definition des Endverbrauchers dahingehend geändert, dass nunmehr auf eine Person abgestellt wird, die Erdgas für den Eigenbedarf „bezieht“. Mit dieser Ersetzung ist geänderter Bedeutungsinhalt verbunden. Ein „Beziehen“ von Erdgas geht über das „Kaufen“ hinaus und erfasst jede Form der physischen Übernahme aus dem Verteilernetz.

Auch aus unionsrechtlichen Überlegungen ergibt nichts anderes. Der RL 2009/73/EG lassen sich keine abschließenden Vorgaben dahingehend entnehmen, welche Personengruppen zur Entrichtung der Netznutzungsentgelte (zwingend) heranzuziehen sind. Ob die nunmehr geänderte Begriffsbestimmung des § 7 Abs 1 Z 11 GWG 2011 in anderen Zusammenhängen allenfalls eine unionsrechtlich bedenkliche Rechtslage zur Folge hat, muss hier nicht beurteilt werden.

VwGH 29. 1. 2025, Ro 2023/04/0026

Entscheidung

Revisionslegitimation

Die mitbeteiligten Parteien bestreiten die Revisionslegitimation der Revisionswerberin (E-Control), weil der dem Verfahren zugrundeliegende Bescheid vom Vorstand der E-Control erlassen worden sei; zwischen dem Rechtsträger und dem Organ des Rechtsträgers sei zu unterscheiden.

Diesbezüglich genügt es, auf § 9 Abs 1 E-ControlG zu verweisen, demzufolge die E-Control gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die eine Amtshandlung der E-Control zum Gegenstand haben, Revision wegen Rechtswidrigkeit an den VwGH erheben kann. Nach den Erläuterungen (IA 2323/A 24. GP) sind Amtshandlungen „Bescheide der E-Control sowie Eingaben im Rahmen ihrer Parteistellung“. Die Revisionswerberin ist somit von Gesetzes wegen ermächtigt, Revision wegen Rechtswidrigkeit zu erheben (vgl auch VwGH 16. 3. 2016, Ro 2014/04/0072, 0073, Pkt. II.2.3.).

„kauft“ – „bezieht“

Nach Ansicht des VwGH spricht die Ersetzung des Wortes „kauft“ durch das Wort „bezieht“ jedenfalls dafür, dass damit ein geänderter Bedeutungsinhalt verbunden ist, zumal dem Gesetzgeber nicht ohne Grund unterstellt werden kann, eine inhaltsleere Änderung vorzunehmen. Der Umstand, dass die Erläuterungen keine konkret auf diese Änderung bezogenen Aussagen enthalten, vermag daran nichts zu ändern. Der Satz in den Erläuterungen, die „sonstigen Änderungen sind einerseits redaktionelle Änderungen und andererseits Anpassungen an die neuen Ressortkompetenzen und -bezeichnungen“, kann nicht zur Folge haben, dass sämtliche nicht konkret erläuterten Änderungen (die sich nicht auf Ressortbezeichnungen beziehen) bloß als redaktionelle Änderungen - und somit als nicht inhaltlicher Natur - anzusehen wären.

Ausgehend davon ist aber der Revisionswerberin beizutreten, dass ein „Beziehen“ von Erdgas über das „Kaufen“ hinausgeht und jede Form der physischen Übernahme aus dem Verteilernetz erfasst.

Das BVwG war davon ausgegangen, dass die Zweitmitbeteiligte aus dem Verteilernetz der Erstmitbeteiligten einen Teil jenes Erdgases, das sie zuvor in dieses Netz eingespeist habe, entnehme und - nach der Verwendung als Druckmedium für die Erdölförderung und nach Wiederaufbereitung – erneut in das Verteilernetz der Erstmitbeteiligten einspeise; dabei gehe kein Erdgas verloren, sondern es werde sogar mehr wieder eingespeist (nämlich auch das bei der Erdölförderung mitgeförderte „Begleitgas“). Die Zweitmitbeteiligte sei nach der Einspeisung des Erdgases (ungeachtet der Vermischung mit Erdgas aus anderen Quellen) weiterhin Eigentümerin der von ihr eingespeisten Menge bzw des eingespeisten Anteils an Erdgas; Qualität oder stoffliche Form des Erdgases würden nicht verändert. Die Auffassung, ein „Beziehen“ von Erdgas liege nicht vor, wenn der Zweitmitbeteiligten „Quantitätseigentum an der von ihr eingespeisten Erdgasmenge“ zukomme, vermag der VwGH nicht zu teilen.

Auch aus unionsrechtlichen Überlegungen ergibt sich nichts anderes: Zwar spricht auch die Definition des Art 2 Z 27 der RL 2009/73/EG (wie § 7 Abs 1 Z 11 GWG 2011 idF vor BGBl I 2021/150) davon, dass der Endkunde (bzw Endverbraucher) eine Person ist, die Erdgas „kauft“. Allerdings lassen sich der RL 2009/73/EG keine abschließenden Vorgaben dahingehend entnehmen, welche Personengruppen zur Entrichtung der Netznutzungsentgelte (zwingend) heranzuziehen sind. Ausgehend davon kann der Heranziehung der durch das EAG-Paket geänderten Definition des Endverbrauchers („Erdgas ... bezieht“) iZm der Verpflichtung zur Entrichtung des Netznutzungsentgelts (somit im Kontext des § 73 Abs 2 GWG 2011) auch nicht der Anwendungsvorrang des Unionsrechts entgegengehalten werden. Ob die nunmehr geänderte Begriffsbestimmung des § 7 Abs 1 Z 11 GWG 2011 in anderen Zusammenhängen allenfalls eine unionsrechtlich bedenkliche Rechtslage zur Folge hat, muss im vorliegenden Fall nicht beurteilt werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36605 vom 08.04.2025