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Homosexueller Asylwerber – Befangenheit des Richters?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AVG: § 7

VwGVG: § 6, § 17

In öffentlichen Kommentaren in diversen Printmedien hat sich der erkennende Richter unter seinem Namen (ohne Hinweis auf seine richterliche Funktion) kritisch dazu geäußert, dass katholische Würdenträger oder christlich-konservative Politiker für ein Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare oder für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eintreten würden. Seinen diesbezüglichen Beiträgen lässt sich entnehmen, dass er unter Hinweis auf den Katechismus der katholischen Kirche diese „Aufweichung der katholischen Morallehreablehnt.

An keiner Stelle dieser Kommentare nahm er auf das Asylrecht für homosexuelle Asylwerber Bezug. Er äußerte sich nicht zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Asylwerber wegen seiner sexuellen Orientierung internationaler Schutz gewährt werden sollte. Die Zielrichtung seiner Meinungsäußerungen war vielmehr eine aus seiner (religiösen) Sicht zu liberale Positionierung der katholischen Kirche und ihr nahestehender Politiker. In seiner Stellungnahme an den VwGH betonte er, in den Artikeln ausschließlich seine persönliche Meinung zur katholischen Sexualmoral wiedergegeben zu haben, die in keinem Zusammenhang mit seiner Entscheidungsfindung als Richter in Asylsachen stehe.

Bei dieser Ausgangslage teilt der VwGH die Bedenken des Revisionswerbers an der Unbefangenheit des erkennenden Richters nicht. Dessen Kommentare in den Medien standen in keinem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Asylrichter und wiesen insb keinen konkreten Bezug zum gegenständlichen Verfahren auf. Eine Befangenheit des erkennenden Richters im gegenständlichen Verfahren vermag die Revision daher nicht darzutun.

VwGH 20. 3. 2023, Ra 2022/18/0126

Entscheidung

Eine Rechtswidrigkeit zeigt die Revision jedoch mit ihrem Vorbringen auf, das angefochtene Erkenntnis sei mit seinen Erwägungen zur Frage der Homosexualität des Revisionswerbers nicht nachvollziehbar:

Nach der Rsp des VwGH, die wiederum auf Judikatur des EuGH Bezug nimmt, kann eine Verfolgung von Homosexuellen Asyl rechtfertigen. Es wurde auch bereits ausgesprochen, dass von einem Asylwerber nicht erwartet werden kann, seine Homosexualität im Herkunftsstaat geheim zu halten, um eine Verfolgung zu vermeiden (vgl VwGH 23. 2. 2021, Ra 2020/18/0500, mwN auch aus der Judikatur des EuGH; VwGH 13. 1. 2022, Ra 2020/14/0214). Die Alternativbegründung des angefochtenen Erkenntnisses, dem Revisionswerber drohe bei heimlicher Ausübung einer gleichgeschlechtlichen Orientierung im Herkunftsstaat keine Verfolgung, erweist sich schon deshalb als nicht tragfähig.

Aus demselben Grund ist auch die weitere Erwägung des BVwG kein zulässiges Argument für eine Ablehnung des Schutzansuchens, der Revisionswerber habe über einen langen Zeitraum auf das Ausleben seiner gleichgeschlechtlichen Orientierung verzichtet, ohne „größere Probleme gehabt zu haben“. Auf die Umstände dieses Verzichts (nämlich die Angst vor den Konsequenzen einer möglichen Offenlegung seiner sexuellen Orientierung in den Aufenthaltsstaaten) geht das BVwG mit keinem Wort ein, wie die Revision zu Recht geltend macht.

In seiner primären Begründung verneint das BVwG beweiswürdigend, dass der Revisionswerber vor seiner Flucht die behauptete gleichgeschlechtliche Beziehung gehabt und deshalb bereits in Bangladesch Verfolgung erfahren habe. Für die Asylgewährung kommt es aber nach stRsp des VwGH auf die Flüchtlingseigenschaft iSd Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung (hier: des BVwG) bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (VwGH 21. 12. 2022, Ra 2021/18/0411, mwN).

Insoweit erweist es sich als entscheidungswesentlich, ob das BVwG von einer aktuell bestehenden gleichgeschlechtlichen Orientierung des Revisionswerbers ausgeht, die bei Rückkehr nach Bangladesch zu Verfolgung führen würde. Eine Verfolgung homosexueller Personen in Bangladesch nimmt das BVwG grundsätzlich an, wie dies im Rahmen seiner Alternativbegründung zum Ausdruck kommt. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass die Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis die Frage der sexuellen Orientierung des Revisionswerbers nicht beantworten. Die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses scheint darauf hinzudeuten, dass das BVwG insoweit Zweifel hegt, ohne dafür allerdings nachvollziehbare Erwägungen darzulegen. So lässt sich aus den Ausführungen zum Umstand, dass der Revisionswerber mit einem namentlich genannten Mann noch keine dauerhafte Wohn- und Lebensgemeinschaft führt, nichts über seine sexuelle Orientierung ableiten. Das angefochtene Erkenntnis ist daher schon deshalb mangelhaft begründet und lässt eine abschließende Beurteilung der Frage nicht zu, ob dem Revisionswerber wegen seiner sexuellen Orientierung im Herkunftsstaat Verfolgung droht.

Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gem § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34154 vom 19.06.2023