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Lenkerauskunft – erforderliche Beweiswürdigung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AVG: § 45

VwGVG: § 44

Nach der Rsp des VwGH handelt es sich bei der Feststellung, wer ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, um einen Akt der Beweiswürdigung iSd § 45 Abs 2 AVG. Der Behörde bzw dem VwG steht es infolge des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel frei, bei der Lösung der Frage, ob der Zulassungsbesitzer im konkreten Fall auch als Lenker anzusehen ist, das Verhalten des Zulassungsbesitzers zugrunde zu legen. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kann auch berücksichtigt werden, wenn der Zulassungsbesitzer einen (anderen) Lenker nicht namhaft macht. Vom Zulassungsbesitzer, der das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat, kann erwartet werden, dass er konkret darlegen kann, dass er als Lenker ausscheidet.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass der in der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den VwGH nicht unterliegt. § 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die Erwägungen bei der Beweiswürdigung schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der VwGH auch zu prüfen, ob das VwG im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der zur Rechtskontrolle berufene VwGH nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des VwG, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, dh sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre.

Eine solche eingehende Beweisaufnahme bzw -würdigung samt nachprüfbarer Begründung hat das VwG im Revisionsfall jedoch nicht vorgenommen. Es hat unbeachtet gelassen, dass der Mitbeteiligte in der Beschwerde lediglich pauschal bestritten hat, das auf ihn zugelassene Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt zu haben und sich auch nicht damit auseinandergesetzt, dass der Mitbeteiligte angegeben hat, sich nicht mehr erinnern zu können, wer das Auto gefahren habe, ohne dies näher zu konkretisieren oder weitere Beweisanbote zu stellen. Für die Anwendung der Zweifelsregel (in dubio pro reo), auf die sich das VwG offenbar stützt, bleibt damit kein Raum. Setzt deren Anwendung nach der Rsp des VwGH doch voraus, dass nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben. Das VwG wäre vielmehr gem § 44 Abs 1 VwGVG verpflichtet gewesen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und sich nicht auf die ungeprüfte Übernahme der Behauptungen des Mitbeteiligten in seiner Beschwerde zu beschränken.

VwGH 2. 7. 2024, Ra 2024/02/0099

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35800 vom 30.08.2024