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Mordvorwurf durch Rechtsanwalt

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 16, § 1330

EMRK: Art 10

1. Über die Medien verbreitete Vorwürfe (auch) eines Rechtsanwalts sind nur dann zulässig, wenn sie eine ausreichend substantiierte Tatsachengrundlage haben; eine grundsätzliche Privilegierung eines Rechtsanwalts kann der Rsp des EGMR nicht entnommen werden. Vielmehr erlaubt der EGMR bei Anwälten wegen ihrer besonderen Funktion im Rechtsstaat insoweit sogar weitergehende Beschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit, was damit zu begründen ist, dass vom Rechtsanwalt, der direkt als Akteur an der Justiz beteiligt ist, eine Information der Öffentlichkeit über Gerichtsverfahren – anders als von Medienbetreibern – gerade nicht erwartet wird.

2. Der Vorwurf, an einem Mord beteiligt gewesen zu sein, beeinträchtigt grundsätzlich nicht nur den Ruf, sondern auch die Ehre einer Person. Daran ändert sich auch nach dem Tod der Person nichts.

OGH 21. 12. 2017, 6 Ob 193/17a

Entscheidung

Das Verfahren basiert auf einer Unterlassungsklage der Witwe des Betroffenen, die damit als nahe Angehörige das postmortale Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemanns geltend macht.

Das BerufungsG war ua davon ausgegangen, dass der Bekl (Rechtsanwalt des Prozessgegners des Verstorbenen) im konkreten Fall keinen Wahrheitsbeweis erbringen müsse, weil Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit eines Rechtsanwalts lediglich in Ausnahmefällen zulässig seien (hier nicht gegeben). § 9 RAO erlaube, alles für die Partei Dienliche vorzubringen, weshalb Einschränkungen seiner Meinungsäußerungsfreiheit besonders problematisch wären. Außerdem hätten die Äußerungen des Bekl keine zusätzliche Beeinträchtigung des schon zu seinen Lebzeiten beschädigten Lebensbildes des Ehemanns der Kl bewirken können.

Nach ausführlicher Darstellung seiner Rsp und der Judikatur des EGMR kommt der OGH hingegen zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall ein Eingriff in ein absolut geschütztes Gut vorliegt (§§ 16, 1330 Abs 1 ABGB), der die Rechtswidrigkeit indiziert. Folglich waren die inkriminierten Äußerungen des Bekl nur dann zulässig, wenn sie wahr waren. Dem Bekl steht der Wahrheitsbeweis offen, den er bereits im Verfahren erster Instanz angeboten hat und den nunmehr das ErstG im fortzusetzenden Verfahren auch aufzunehmen haben wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24875 vom 31.01.2018