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Nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen Rauchen

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

ABGB: §§ 16, 364 Abs 2, § 1096 Abs 1, §§ 1118, 1392

EMRK Art 8 Abs 1

1. Das Eindringen von Zigaretten- oder Zigarrenrauch in die Nachbarwohnung stellt keine unmittelbare Zuleitung dar, die § 364 Abs 2 ABGB unabhängig von Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit untersagt.

Wenn in einer Wohnanlage ein Mieter auf seiner Loggia und - bei geöffneten Fenstern - auch in seiner Wohnung bis zu 5,5 Stunden täglich dem besonders intensiv wahrnehmbaren Rauchgeruch von Zigarren ausgesetzt ist, die sein Nachbar raucht, liegt unabhängig von der Gesundheitsschädlichkeit eine nicht ortsübliche und wesentliche Beeinträchtigung durch Geruchsimmissionen iSd § 364 Abs 2 ABGB vor. Dem betroffenen Mieter steht ein Unterlassungsanspruch zu, der jedoch aufgrund einer Abwägung mit den Interessen des rauchenden Nachbarn auf bestimmte Tageszeiträume zu beschränken ist. Dieses Ergebnis ist mit dem Persönlichkeitsrecht des Rauchers bzw seinem Grundrecht auf Privatleben vereinbar.

2. Der Unterlassungsanspruch, der dem Vermieter gegen eine vertragswidrige Nutzung des Mietobjekts durch einen Mieter zusteht, kann nicht unabhängig vom Mietverhältnis an eine andere Person abgetreten werden. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch einen anderen Mieter ist als gewillkürte Prozessstandschaft unzulässig.

OGH 16. 11. 2016, 2 Ob 1/16k

Sachverhalt

Die Streitteile sind Wohnungsmieter in einer Wohnanlage in der Wiener Innenstadt. Beide Wohnungen verfügen über Balkone. Der Beklagte raucht täglich (regelmäßig auch während der Nachtstunden) ein bis zwei Zigarren, und zwar entweder auf seinem Balkon oder in seiner Wohnung selbst, wobei er - sofern die Fenstern nicht ohnehin geöffnet sind - danach lüftet. Der Zeitaufwand je Zigarre beträgt ca 45 Minuten. Der Zigarrenrauch, der besonders intensiv riecht, zieht zum Balkon des Klägers, der die Wohnung oberhalb bewohnt, und - sofern die Fenster geöffnet sind - auch in dessen Wohnung. Der nach den Feststellungen „nicht übermäßig sensible“ Kläger nimmt die Rauchimmissionen als erhebliche Geruchsbelästigung wahr. Er fühlt sich beim Lüften und bei der Nutzung seines Balkons beeinträchtigt. Die potentielle Dauer dieser Beeinträchtigungen beträgt bis zu 5,5 Stunden pro Tag. Dass die Immissionen gesundheitsschädlich sind, konnte nicht festgestellt werden.

Im vorliegenden Verfahren machte der Kläger gegen den Beklagten einen nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB geltend.

Entscheidung

Der OGH bejahte die Ortsunüblichkeit und Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen iSd § 364 Abs 2 ABGB. Nach einer Abwägung mit den Interessen des Beklagten gelangte er zum Ergebnis, dass die Rauch- bzw Geruchsimmissionen in der warmen Jahreszeit (Mai bis Ende Oktober) während der Nachtstunden (22.00 bis 6.00 Uhr) sowie in den üblichen „Essens- und Ruhezeiten“ (8.00 bis 10.00, 12.00 bis 15.00 und 18.00 bis 20.00 Uhr) zu unterlassen sind. In der kalten Jahreszeit (November bis Ende April) beschränkt sich das Unterlassungsgebot auf „Lüftungszeiten“ (8.00 bis 9.00, 13:00 bis 14.00 und 19.00 bis 20.00 Uhr). Diese Zeiten beziehen sich - wie der OGH ausdrücklich festhielt - nicht auf das Rauchen an sich, sondern auf die Rauchimmissionen, weshalb der Beklagte die Rauchausbreitung mitberücksichtigen muss.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22730 vom 05.12.2016