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Offenbar aussichtsloser Antrag auf „Fußfessel“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AHG § 1

StVG: § 156c, § 156d

Kann über den Antrag auf Vollzug einer Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (kurz: eüH; auch „Fußfessel“) nicht innerhalb der Frist des § 3 Abs 2 StVG (einen Monat nach Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt) entschieden werden, ist die Anordnung des Strafvollzugs bis zur rechtskräftigen Entscheidung vorläufig zu hemmen, wenn der Antrag nicht offenbar aussichtslos ist (§ 156d Abs 4 Satz 1 StVG). Die Beurteilung, ob ein Antrag offenbar aussichtslos ist oder nicht, liegt im Ermessen des Anstaltsleiters. Einen Amtshaftungsanspruch rechtfertigt dabei nur, wenn der Anstaltsleiter entweder den Ermessensspielraum überschritt oder das Ermessen missbrauchte, also zwar formell im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens verblieb, aber tragende Grundsätze der Rechtsordnung außer Acht ließ.

Im vorliegenden Amtshaftungsverfahrens hatte der OGH keine Bedenken gegen die Ansicht der Vorinstanz, wonach die Beurteilung des Antrags durch den Anstaltsleiter als offenbar aussichtlos zumindest vertretbar war: Der Leiter der Justizanstalt stützte sich darauf, dass kurz zuvor der gleichlautende Antrag des Kl aufgrund einer dort begründeten negativen Missbrauchsprognose in allen Instanzen abgelehnt worden war und der Kl bei der neuerlichen Antragstellung keine konkrete Behauptung aufgestellt hatte, dass sich die Verhältnisse seither geändert hätten.

OGH 23. 11. 2016, 1 Ob 216/16w

Ausgangsfall

Der Kläger wurde im Jahr 2009 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten verurteilt. Noch vor Antritt der Strafhaft stellte er im Dezember 2011 einen Antrag auf Vollzug der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests, der - im Instanzenzug bestätigt - abgewiesen wurde, weil aufgrund der einschlägigen Vorstrafen des Kl von einer besonders hohen Missbrauchsgefahr ausgegangen werden müsse. Am 19. 12. 2013 stellte der Kl - immer noch vor Strafantritt - einen neuerlichen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest, den der Leiter der Justizanstalt infolge Ablehnung des vorangegangenen Antrags als offenbar aussichtslos betrachtete. Der Kl wurde daraufhin zum Strafantritt aufgefordert und trat seine Strafhaft am 27. 1. 2014 in der Justizanstalt an.

Am 28. 1. 2014 wies der Strafregisterauszug des Kl insgesamt acht strafgerichtliche Verurteilungen auf.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung seines Antrags auf eüH wurde vom LG für Strafsachen mit Beschluss vom 27. 11. 2014 abgewiesen, weil er in der Zwischenzeit bedingt entlassen worden war.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kl aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von 91.348,70 € sA an Verdienstentgang sowie die Feststellung der Haftung der Bekl für sämtliche künftige Schäden aus Verdienstentgang infolge Nichtbewilligung von eüH im Zeitraum seiner Inhaftierung.

Anders als das ErstG wies das BerufungsG das Klagebegehren zur Gänze ab und der OGH wies die außerordentliche Revision dagegen zurück.

Entscheidung

Hinsichtlich der Prognosebeurteilung erinnert der OGH in seinen Entscheidungsgründen ua an die Rsp zur Beurteilung der Risikofaktoren (vgl etwa VwGH 26. 1. 2012, 2011/01/0243 = LN Rechtsnews 12565 vom 17. 2. 2012 oder VwGH 19. 4. 2012, 2011/01/0258 = LN Rechtsnews 13096 vom 23. 5. 2012).

Konkrete Gründe, warum dem zweiten Antrag im Gegensatz zu seinem ersten Antrag stattgegeben hätte werden müssen, hat der Kl nicht genannt. Seiner Darlegung, dass er im zweiten Antrag „Wohlverhalten/Löschung von Strafregistereintragung“ angeführt habe, hielt der OGH entgegen, dass im Strafregisterauszug von Ende Jänner 2014 acht strafgerichtliche Verurteilungen aufschienen und - selbst im Fall einer allfälligen Tilgung - die Berücksichtigung getilgter Strafen nach dem Willen des Gesetzgebers bei Entscheidungen über den elektronisch überwachten Hausarrest zulässig ist (ErläutRV 2357 BlgNR 24. GP 22 [zum VAJu]).

Auch der Umstand, dass der Kl am 7. 7. 2014 bedingt entlassen wurde (vgl §§ 46 ff StGB), rechtfertigt infolge anderer Kriterien nach Ansicht des OGH nicht den Schluss, dass auch sein zweiter Antrag auf eüH erfolgreich gewesen wäre (vgl nur die Kriterien des § 156c Abs 1 StVG).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23091 vom 08.02.2017