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Online-Sparkonto - Zahlungskonto iSd Zahlungsdienste-RL?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BWG § 31

RL 2007/64/EG: Art 4

Im Rahmen eines Verbandsprozesses betreffend die AGB-Klauseln einer österreichischen Bank möchte der OGH vom EuGH wissen, ob als Zahlungskonto iSd Zahlungsdienste-RL auch ein „Online-Sparkonto“ zu qualifizieren ist, auf das bzw von dem der Kunde im Wege des Telebanking jederzeit (und ohne Beiziehung des Zahlungsdienstleisters) Einzahlungen und Abhebungen tätigen kann, wobei diese Überweisungen jeweils nur von einem bzw auf ein Referenzkonto (Girokonto in Österreich) erfolgen könnnen, das auf diesen Kunden lautet (aber nicht notwendig bei der hier bekl Bank bestehen muss).

OGH 28. 3. 2017, 8 Ob 88/16y

Sachverhalt

Die Beantwortung dieser Vorfrage ist im vorliegenden „Klauselprozess“ maßgeblich, weil der kl Verband die Ansicht vertritt, dass zahlreiche Klauseln der AGB unzulässig sind, weil sie gegen das ZaDiG verstoßen, mit dem die Zahlungsdienste-RL (RL 2007/64/EG des über Zahlungsdienste im Binnenmarkt) umgesetzt und deren maßgeblichen Begriffsbestimmungen wörtlich übernommen wurden.

Die bekl Bank hingegen ist der Auffassung, dass die Bestimmungen des ersten und dritten Hauptstücks des ZaDiG auf die von ihr angebotenen „Direkt-Sparkonten“ nicht anwendbar seien.

Bei den strittigen „Direkt-Sparkonten“ kann der Kunde bei täglicher Fälligkeit (und damit auch ohne negative Auswirkungen auf die Verzinsung) ohne Einschränkung entscheiden, ob, wann und wie viel Geld er vom Referenzkonto auf das Direkt-Sparkonto ein- oder auszahlt. Überträge sind zwar nur zwischen dem Sparkonto und dem Referenzkonto möglich, dadurch wird der Kontoinhaber aber nicht gehindert, jederzeit (und ohne notwendige Beiziehung des Zahlungsdienstleisters) über den auf dem Direkt-Sparkonto erliegenden Geldbetrag zu verfügen.

Entscheidung

Argumente pro Zahlungskonto

Nach Ansicht des OGH ist ein entscheidendes Kriterium für die Qualifikation als Zahlungskonto iSd Art 4 Nr 14 der Zahlungsdienste-RL die freie Dispositionsbefugnis des Kontoinhabers. Dies bedeutet, dass der Kontoinhaber sein Konto uneingeschränkt - nach seinem Belieben, ohne Mitwirkung des Zahlungsdienstleisters und ohne daraus resultierende nachteilige Auswirkungen für ihn selbst, wie etwa Zinsverluste - für die Ausführung von Zahlungsvorgängen iSd Art 4 Nr 5 der Zahlungsdienste-RL nutzen kann (Bereitstellung, Transfer oder Abhebung eines Geldbetrags unabhängig von etwaigen zugrunde liegenden Verpflichtungen zwischen Zahler und Empfänger).

Die Bezeichnung als „Sparkonto“ allein ist nach Ansicht des OGH kein Grund dafür, dieses aus dem Anwendungsbereich der Zahlungsdienste-RL auszunehmen, weil sich in ihren Ausnahmebestimmungen (Art 3) kein Anhaltspunkt dafür finden lässt. Die Zahlungsdienste-RL soll laut ihrem Erwägungsgrund 9 grundsätzlich (abgesehen von ausdrücklich genannten Ausnahmen) die Durchführung von Zahlungsvorgängen regeln, soweit es sich um elektronisches Geld handelt. Solche elektronischen Zahlungsvorgänge werden aber gerade auch mit Online-Sparkonten durchgeführt, für die daher ebenfalls ein entsprechender Regelungsbedarf besteht.

Für die Qualifikation des hier zu beurteilenden Online-Sparkontos als Zahlungskonto spricht nach Auffassung des OGH auch die Klarstellung, die in dieser Hinsicht mit der revidierten RL über Zahlungsdienste (RL 2015/2366/EU) vorgenommen wurde: Nach Anhang I Punkt 3 dieser RL stellt die Ausführung von Zahlungsvorgängen (Art 4 Nr 12 iVm Nr 5) einschließlich des Transfers von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto des Nutzers einen Zahlungsdienst (Art 4 Nr 3) dar.

Zweifel

Am dargestellten Ergebnis können allerdings insofern Zweifel bestehen, als die gegenständlichen Online-(Direkt-)Sparkonten nach der Zweckbestimmung Spareinlagen darstellen und solche Einlagen nach § 31 Abs 1 BWG nicht dem Zahlungsverkehr dienen.

Überweisungen können von dem und auf das Direkt-Sparkonto nur über ein sogenanntes Referenzkonto erfolgen, das auf den Kontoinhaber lauten und bei einer in Österreich befindlichen Bank als Girokonto eingerichtet sein muss. Damit ist für jeden Vorgang, bei dem der Kontoinhaber durch seine Überweisung etwa eine Verbindlichkeit begleichen möchte, ein Zwischenschritt notwendig, bei dem der Zahlungsvorgang zwischen zwei Konten (dem Sparkonto und dem Referenzkonto) erfolgt, deren Inhaber er (notwendigerweise) selbst ist. Zahler und Zahlungsempfänger sind in diesem Zwischenschritt also identisch. Der Inhaber des Sparkontos und des Referenzkontos kann den vom Sparkonto überwiesenen Geldbetrag erst nach dem Einlangen auf dem Referenzkonto an einen dritten Zahlungsempfänger weiter überweisen.

Ob dieser Zwischenschritt allerdings ausreicht, um eine Ausnahme vom Anwendungsbereich zu rechtfertigen, ist nach Ansicht des erk Senats insofern fraglich, als sich ein hinreichend deutlicher Anknüpfungspunkt an eine solche Funktionalität nicht (zwingend) aus der Zahlungsdienste-RL ergibt. Im Gegenteil stellt die Definition des Zahlungsvorgangs in Art 4 Nr 5 Zahlungsdienste-RL klar, dass ein solcher „unabhängig von etwaigen zugrunde liegenden Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger“ jeden Transfer (von elektronischem Geld und damit alle Überweisungen auf diesem Wege) erfasst.

Vorlagefrage

Ist Art 4 Nr 14 der RL 2007/64/EG über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (Zahlungsdienste-Richtlinie) dahin auszulegen, dass auch ein Online-Sparkonto, auf das der jeweilige Kunde (mit täglicher Fälligkeit und ohne besondere Mitwirkung der Bank) im Wege des Telebanking Einzahlungen auf ein auf ihn lautendes und Abhebungen von einem auf ihn lautenden Referenzkonto (ein Girokonto in Österreich) durchführen kann, unter den Begriff des „Zahlungskontos“ (Art 4 Nr 14) zu subsumieren ist und daher vom Anwendungsbereich der RL erfasst wird?

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23419 vom 12.04.2017