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OÖ JG 1964: Beschwerderecht von Umweltorganisationen?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

Aarhus-Konvention: Art 9

FFH-RL: Anhang V

GRC: Art 47

Oö JG 1964: § 49, § 91

1. Umweltverbände müssen zwingend die nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie die unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der Union geltend machen können. Soweit eine Umweltorganisation als „Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit“ iSd Art 9 Aarhus-Konvention ihre Beschwerdelegitimation unmittelbar auf das Unionsrecht stützt, ist sie jedoch auch darauf beschränkt, im Verfahren die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen.

Das Oö JG 1964 dient (auch) der Umsetzung der Bestimmungen über den Artenschutz in der FFH-RL (RL 92/43/EWG; HabitatRL = Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) in Bezug auf jagdbare Tiere (wie das Gamswild; vgl § 3 Abs 1 iVm der Anlage zum Oö JG 1964). Umweltorganisationen ist daher ein Beschwerderecht an das VwG zur Geltendmachung einer Verletzung des Oö JG 1964 einzuräumen, soweit es die FFH-RL umsetzt, bzw von Verletzung von Bestimmungen der FFH-RL selbst, soweit sie im Falle einer unzureichenden Umsetzung unmittelbar wirksam sind. Auch wenn der Landesgesetzgeber das Beschwerderecht von Umweltorganisationen auf Verfahren gem § 48 Abs 5 und 7, § 49 Abs 3 Oö JG 1964 sowie bestimmte Verfahren nach § 61 Abs 1 Oö JG 1964 eingeschränkt hat, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien seine Absicht einer unionsrechtskonformen Regelung im Hinblick auf Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention (iVm Art 47 GRC). Das Beschwerderecht umfasst damit in unionsrechtskonformer Interpretation sämtliche Verfahren, in denen die FFH-RL unmittelbar und/oder Bestimmungen des Oö JG 1964 anzuwenden sind, die die FFH-RL umsetzen.

Dieses Beschwerderecht besteht auch bei der Anordnung eines Zwangsabschusses nach § 49 Abs 2 Oö JG 1964, der Tierarten betrifft, die in Anhang V der FFH-RL angeführt sind (Tierarten „von gemeinschaftlichem Interesse, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein können“). Dabei ist eine Verletzung der unionsrechtlich determinierten Vorschriften (oder des ausnahmsweise unmittelbar anwendbaren Unionsrechtes) denkmöglich begründet geltend zu machen, ansonsten wäre die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

2. Ein Umweltorganisation ist unabhängig von der Frage einer Verletzung in subjektiven Rechten befugt, Verstöße gegen das Unionsumweltrecht zu beanstanden. Dies gilt sowohl für das Beschwerdeverfahren als auch für das Revisionsverfahren.

VwGH 3. 9. 2024, Ra 2023/03/0154

Hinweis: Mit 1. 4. 2024 ist das Oö JG 1964 durch das Oö Jagdgesetz 2024 abgelöst worden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35955 vom 10.10.2024