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„Patronatserklärung“ – Haftung für Aufwendungen des Landes zur Grundversorgung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB § 881

FPG 2005: § 21

ZPO § 405

Während es nach der früheren Rsp (zur Rechtslage vor dem FPG 2005, BGBl I 2005/100) grds nicht Sinn der „Patronatserklärung“ sein konnte, die Gebietskörperschaft von gesetzlich gebührenden Ansprüchen zu entlasten (vgl RIS-Justiz RS0058853), geht der OGH iZm § 21 Abs 6 FPG 2005 idF der Stammfassung I 2005/100 (vgl nunmehr § 21 Abs 3 FPG idgF BGBl I 2013/68) davon aus, dass die „Patronatserklärung“ ohne Hinweise auf einen abweichenden Parteiwillen dahin auszulegen ist, dass sie auch solche Belastungen einer Gebietskörperschaft erfassen sollte, die aus der Erfüllung eines erst bei oder nach der Einreise entstehenden gesetzlichen Anspruchs des Fremden resultierten (hier: Patronatserklärung zur Erlangung eines Visums für die Stiefmutter – Asylantrag der Stiefmutter nach Ablauf des Visums – Grundversorgung während des Asylverfahrens). Für die Beurteilung der Haftung ist auch nicht entscheidend, ob ein Rechtsanspruch auf diese Leistungen bestand oder ob diese Leistungen auf privatwirtschaftlicher Grundlage gewährt worden sind.

OGH 22. 1. 2015, 2 Ob 12/14z

Sachverhalt

Um seiner Stiefmutter die Einreise aus dem Iran nach Österreich zu ermöglichen, gab der Bekl am 15. 2. 2008 eine eigenhändig unterschriebene, notariell beglaubigte Erklärung für die Erlangung eines Visums ab. In dieser Erklärung verpflichtete sich der Bekl ua dazu, dem Bund und den Ländern alle Kosten zu bezahlen, die ihnen iZm der Einreise, dem Aufenthalt („auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgeht“) und die Ausreise entstehen (sog Patronatserklärung).

Nach Ablauf des Visums kehrte die Stiefmutter des Bekl nicht in den Iran zurück und stellte beim Bundesasylamt im Februar 2009 einen Asylantrag. Während des Asylverfahrens erhielt sie von 13. 5. 2009 bis 31. 12. 2011 Leistungen nach dem Wiener Grundversorgungsgesetz (WGVG).

In der Folge begehrten der Fonds Soziales Wien (dem das Land seine Ansprüche abgetreten hatte) und der Bund vom Bekl den Ersatz ihrer Aufwendungen für die Grundversorgung der Asylwerberin, wobei sie sich auf die Patronatserklärung als Anspruchsgrundlage beriefen.

Der Bekl wandte dagegen ein, dass spätestens mit dem Asylantrag die Geschäftsgrundlage der Verpflichtungserklärung weggefallen sei. Es bestehe auch deshalb keine Haftung des Bekl, weil ein Asylwerber nach der geltenden Rechtslage einen Rechtsanspruch auf die Grundversorgung habe.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren des Fonds Soziales Wien mit Zwischenurteil dem Grunde nach statt. Das Begehren des Bundes wurde vom BerufungsG hingegen abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom OGH bestätigt.

Entscheidung

Neue Rechtslage durch das FPG 2005

In seiner Begründung stellt der OGH ausführlich die bisherige Rsp und Rechtslage dar und hält als Zwischenergebnis (wie im Leitsatz ersichtlich) fest, dass der in RIS-Justiz RS0058853 wiedergegebene Rechtssatz für Verpflichtungserklärungen im Anwendungsbereich des § 21 Abs 6 FPG 2005 idF BGBl I 2005/100 keine uneingeschränkte Geltung (mehr) beanspruchen kann.

Dem Klagebegehren könnte daher nicht schon deshalb die Berechtigung abgesprochen werden, weil die Leistungen an die Stiefmutter des Bekl in Erfüllung eines erst nach der Einreise in das Bundesgebiet durch Stellung eines Asylantrags entstandenen gesetzlichen Anspruchs auf Grundversorgung erfolgten. Es sei entgegen der Rechtsansicht des Bekl für die Beurteilung seiner Haftung auch nicht entscheidend, ob ein Rechtsanspruch auf diese Leistungen bestand oder ob diese Leistungen auf privatwirtschaftlicher Grundlage gewährt worden sind.

Darin liege kein Abgehen von der bisherigen Rsp des OGH, sondern es sei der geänderten Rechtslage Rechnung zu tragen.

Keine Aktivlegitimation des BUndes

Die Aktivlegitimation des Bundes verneinte der OGH: Die Leistungen wurden nämlich nur vom Land Wien erbracht und die Regelungen über die Kostenaufteilung in der Grundversorgungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern entfalten keine Außenwirksamkeit.

Dem Zuspruch nur an den Fonds Soziales Wien stand nicht entgegen, dass die Kl fälschlich Zahlung an sie „zur gesamten Hand“ begehrten. Dazu hielt der OGH zusammenfassend fest: Ein auf die Leistung an mehrere Kl zur gesamten Hand gerichtetes Klagebegehren begreift als Minus den Zuspruch an nur einen der Kl in sich, wenn dieser in Ermangelung einer Gläubigermehrheit allein zur Geltendmachung des Anspruchs legitimiert ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19133 vom 13.03.2015