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Schanigarten: Nutzung von Marktfläche über Zuweisungsbescheid hinaus

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GewO 1994: § 368

VStG: § 45

Wr Marktordnung 2018: § 20, § 40

Im vorliegenden Fall war einer Marktpartei für den Zeitraum 1. 3. bis 30. 11. 2020 ein Schanigarten im Ausmaß von 21 m2 zugewiesen worden. Wegen Nutzung einer Marktfläche im Ausmaß von 70 m2 wurde über ihren handelsrechtlichen Geschäftsführer eine Verwaltungsstrafe verhängt (Verwaltungsübertretung gem § 20 iVm § 40 Wiener Marktordnung 2018 iVm § 368 GewO 1994). Während das VwG das Strafverfahren gem § 45 Abs 1 Z 4 VStG ua mit dem Hinweis auf die „Ausnahmesituation aufgrund der Covid-19-Pandemieeinstellte („Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes, nämlich der allgemeinen Gesundheit im Zuge der Wiedereröffnung der Gastronomie“), lagen die Voraussetzungen für eine Einstellung des Strafverfahrens nach Ansicht des VwGH nicht vor:

Ziel der hier übertretenen Norm über die Bewilligung der Benützung unverbauter Marktflächen durch Marktparteien für Schanigärten (§ 20 Z 2 Wr Marktordnung 2018) ist va die Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs innerhalb des Marktgebiets und der allenfalls angrenzenden öffentlichen Verkehrsflächen. Insofern ist die Bedeutung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter (§ 20 iVm § 40 Wr Marktordnung 2018 und § 368 GewO 1994) jedenfalls nicht gering. Auch der Strafrahmen nach § 368 GewO 1994 (Geldstrafe bis zu € 1.090,–) spricht gegen eine geringe Bedeutung der geschützten Rechtsgüter. Ist die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes aber – wie hier – nicht gering, fehlt es bereits deshalb an einer der Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Z 4 VStG für eine Einstellung des Strafverfahrens.

Weiters mangelt es im vorliegenden Fall auch an der Voraussetzung des geringen Verschuldens iSd § 45 Abs 1 Z 4 VStG: Zum Tatzeitpunkt war die angestrebte Ausweitung der zugewiesenen Fläche nicht zur Gänze bewilligt (wogegen Beschwerde erhoben wurde). Die Rechtswidrigkeit der zur Last gelegten Tat wurde bewusst in Kauf genommen, indem Marktfläche in einem Ausmaß in Anspruch genommen wurde, das über den Zuweisungsbescheid erheblich hinausging. In Bezug auf den Umfang der zugewiesenen Marktfläche kann selbst ein Vertrauen auf die Rechtswidrigkeit des Zuweisungsbescheides im Hinblick auf dieses vorsätzliche Vorgehen grundsätzlich kein geringes Verschulden begründen. Im Übrigen wurde die zugewiesene Marktfläche nicht bloß geringfügig, sondern um mehr als das Doppelte überschritten.

VwGH 11. 7. 2022, Ra 2021/04/0007

Entscheidung

Ohne nähere Auseinandersetzung damit, welches Rechtsgut von der vorliegend übertretenen Norm strafrechtlich geschützt wird, begründete das VwG die geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts mit dem bloßen Hinweis auf die Ausnahmesituation aufgrund der Covid-19-Pandemie zum Tatzeitpunkt und den Umstand, dass die rechtswidrige Erweiterung des Schanigartens dem Schutz der allgemeinen Gesundheit als ein höherwertiges Rechtsgut im Zuge der Wiedereröffnung der Gastronomie gedient habe.

Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes iSd § 45 Abs 1 Z 4 VStG ist allgemein für sich zu beurteilen (vgl etwa VwGH 7. 10. 2021, Ra 2020/05/0232, Rn 13, mwN, wonach die Wertigkeit des geschützten Rechtsgutes ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens findet) und nicht im Verhältnis zu dem im konkreten Einzelfall entgegenstehenden Schutz eines anderen Rechtsgutes.

Das Abwägen des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes im Verhältnis zum Schutz eines anderen höherwertigen Rechtsgutes betrifft hingegen den Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision und würde im Fall dessen Bejahung bereits die Rechtswidrigkeit des zur Last gelegten Verhaltens ausschließen. Dieser Rechtfertigungsgrund ist im konkreten Fall bereits mangels einander ausschließender Pflichten nicht gegeben. Der rechtswidrigen Benützung von Marktflächen für den Betrieb eines Schanigartens durch die Marktpartei standen nicht gesundheitliche Überlegungen zum Schutz der Gäste vor Covid-19-Infektionen im Vordergrund, sondern ausschließlich wirtschaftliche Eigeninteressen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33075 vom 23.09.2022