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Schenkungsanrechnung wegen Rechtsmissbrauchs?

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

ABGB: § 785 Abs 3 aF (≈ § 782 Abs 1 nF), §§ 916, 1295 Abs 2

Gem § 785 Abs 3 ABGB idF vor ErbRÄG 2015 ist die Schenkungsanrechnung bei der Ermittlung der Pflichtteilsansprüche ausgeschlossen, wenn der Geschenknehmer im Schenkungszeitpunkt - sei es schon mangels abstrakter Noterbeneigenschaft, sei es aufgrund eines Pflichtteilsverzichts - nicht pflichtteilsberechtigt war und bis zum Tod des Erblassers mehr als zwei Jahre vergangen sind.

Ein Pflichtteilsverzicht, der die Schenkungsanrechnung ausschließt, kann rechtsmissbräuchlich sein. Nicht möglich ist die Berufung auf Rechtsmissbrauch hingegen im Fall eines Geschenknehmers, der mangels Zugehörigkeit zum Kreis der Noterben niemals pflichtteilsberechtigt war (hier: Schwiegerkind). Hier ist eine Schenkungsanrechnung außerhalb der Zweijahresfrist selbst dann nicht möglich, wenn die Schenkung bewusst erfolgte, um Pflichtteilsansprüche zu verkürzen.

Als Umgehungsgeschäft, das die Schenkungsanrechnung gem § 785 Abs 3 ABGB trotz fehlender Pflichtteilsberechtigung des Geschenknehmers rechtfertigen könnte, kann eine Schenkung an den Ehegatten eines pflichtteilsberechtigten Kindes nur dann qualifiziert werden, wenn dadurch das Kind wirtschaftlich eine eigentümerähnliche Stellung erhalten hat, weil sein Ehegatte nur formal Eigentümer des geschenkten Vermögens wurde, dieses im Innenverhältnis aber bloß treuhändig hält.

OGH 27. 10. 2016, 2 Ob 145/16m

Sachverhalt

24 Jahre vor seinem Tod hat der Erblasser seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der Liegenschaften um Ausmaß von ca 900 ha umfasst, mit Übergabevertrag einer Schwiegertochter (der Beklagten) übereignet. Er hat vier Kinder. Jener Sohn, der Ehegatte der Beklagten ist, wurde von dieser im Betrieb als Forstleiter angestellt.

Der Nachlass des Erblassers war überschuldet und wurde der Witwe an Zahlungs statt eingeantwortet.

Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger, ein weiterer Sohn des Erblassers, von der Beklagten die Anrechnung der Betriebsübergabe bei der Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs als Schenkung und die daraus folgende Pflichtteilsergänzung in Höhe von 1 Mio €. Der Übergabevertrag sei als Schenkung zu qualifizieren. Diese Schenkung sei rechtsmissbräuchlich an die nicht pflichtteilsberechtigte Beklagte und nicht an ihren pflichtteilsberechtigten Ehegatten erfolgt, um eine spätere Schenkungsanrechnung auszuschließen. Darin liege auch ein Umgehungsgeschäft. Die Schenkungsanrechnung sei deshalb wie im Fall eines pflichtteilsberechtigten Geschenknehmers ohne zeitliche Begrenzung zulässig.

Entscheidung

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der OGH bestätigte diese Entscheidung. Von einem Umgehungsgeschäft sei nicht auszugehen, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass die Beklagte den Betrieb nur treuhändig für ihren Ehegatten führt. Auf einen rechtsmissbräuchlichen Ausschluss der Schenkungsanrechnung könne sich der Pflichtteilsberechtigte nur dann berufen, wenn der Geschenknehmer an sich pflichtteilsberechtigt war und auf seinen Pflichtteilsanspruch vor der Schenkung verzichtete, um Pflichtteilsansprüche anderer zu verkürzen (siehe zB 2 Ob 220/15i = Zak 2016/736, 395). Im Fall einer Schenkung an eine niemals pflichtteilsberechtigte Person könne - entgegen Stimmen in der Lit (zB Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht [2001] 212 ff) - aufgrund der Wertungen des Gesetzgebers kein Rechtsmissbrauch vorliegen. § 785 Abs 3 ABGB gehe von einer typisierten Betrachtungsweise aus und erkläre Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen nach Ablauf der Zweijahresfrist generell für unbedenklich.

Anmerkung

Seit dem ErbRÄG 2015, das am 1. 1. 2017 in Kraft getreten ist, spricht das Gesetz statt von Schenkungsanrechnung von der Hinzurechnung von Schenkungen. Die Differenzierung zwischen Schenkungen an pflichtteilsberechtigte und nicht pflichtteilsberechtigte Personen wurde beibehalten, wobei jedoch nur mehr auf die abstrakte Pflichtteilsberechtigung („Kreis der Pflichtteilsberechtigten“) Bezug genommen wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22731 vom 05.12.2016