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„Schulfoto-Aktion“: Zuwendungen des Fotografen an Schule - keine Korruption

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StGB: § 74, § 304

Ein Schulleiter handelt (ausschließlich) im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung, wenn er einen Vertrag mit einem Fotografen schließt, um diesem die Durchführung von „Schulfotoaktionen“ während der Unterrichtszeit in der Schule zu gestatten. Zuwendungen des Fotografen an die Schule aufgrund eines solchen (zivilrechtlich gültigen) Vertrags stellen keinen korruptionsstrafrechtlich relevanten Vorteil dar, weil den gegenständlichen Zuwendungen Gegenleistungen der Schule im Austauschverhältnis gegenüber stehen - und zwar jedenfalls in Form der Schulraumüberlassung, Einräumung einer Geschäftschance und damit eines Werbeeffekts. Auf Adäquanz von Leistung und Gegenleistung kommt es bei dieser Beurteilung ebenso wenig an wie auf die Art der Zuwendung (Geld- oder Sachleistungen).

Auch wenn das Entgelt für die (Gegen-)Leistungen der Schule teilweise prozentuell nach dem Verkaufserlös berechnet wurde, ist nicht ersichtlich, warum es den Eltern zugestanden sein sollte.

OGH 6. 6. 2016, 17 Os 8/16d

Sachverhalt

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führte ein Verfahren wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit ua gegen mehrere Schulleiter, die Verträge mit einem Fotografen abgeschlossen hatten. Für die Gestattung von „Schulfotoaktionen“ in den Schulräumen erhielten die Schulen Geld- und/oder Sachzuwendungen.

In der Regel hatten die Eltern weder Kenntnis von diesen „Sondervereinbarungen“ noch davon, dass ein Teil des von ihnen gezahlten Kaufpreises (bar oder in Form von Überweisungen) an die beteiligten Schulen und Kindergärten geflossen ist.

Mit der hier angefochtenen Entscheidung stellte die WKStA das Verfahren gegen drei Personen „gemäß § 190 Z 2 StPO“ ein, woraufhin die Generalprokuratur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erhob.

Entscheidung

In seiner Begründung befasst sich der OGH ausführlich mit den Korruptionstatbeständen, und damit im Zusammenhang ua mit Privatwirtschafts- un Hoheitsverwaltung sowie Fragen, was unter tatbildlichem „Vorteil“ zu verstehen ist und ob auch die vom Amtsträger vertretene Behörde/Dienststelle „Dritter“ sein kann. Der OGH hat dabei dazu zusammengefasst ua ausgesprochen:

-Unter Vorteil iSd Korruptionstatbestände sind materielle wie immaterielle Leistungen zu verstehen, die zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen oder beruflichen Stellung des Annehmenden führen (können).
Nach (in Österreich) ganz herrschender Ansicht sind Leistungen, auf die der Empfänger einen rechtlich begründeten Anspruch hat, aus dem Begriff auszuklammern. Einen solchen von der Rechtsordnung anerkannten Anspruchsgrund stellt jedenfalls ein (zivilrechtlich gültiger) entgeltlicher Vertrag dar, bei dem der Zuwendung an den Amtsträger (an die durch ihn vertretene Behörde oder Dienststelle) eine von ihm (von der Behörde oder Dienststelle) geschuldete, im (synallagmatischen) Austauschverhältnis stehende Gegenleistung entspricht.
Zwar wird zum deutschen Recht überwiegend die Ansicht vertreten, schon im Abschluss eines Vertrags (ohne Kontrahierungszwang) könne ein tatbildlicher Vorteil liegen, andernfalls „sich die Bestechungstatbestände schlicht durch die Vereinbarung eines Vertragsverhältnisses umgehen“ ließen. Diese Ansicht lässt sich aber auf die österreichische Rechtslage (insb im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung) nicht übertragen, weil sich ein Wertungswiderspruch dergestalt ergäbe, dass der Amtsträger (der von ihm vertretene Rechtsträger) selbst eine vertraglich geschuldete Leistung erbringen müsste, sich durch die Annahme der Gegenleistung jedoch strafbar machte. Zudem ist auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht ersichtlich, weshalb ein Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung eine Vertragsseite (jedenfalls) besserstellen soll.
-Für den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung folgt, dass ein Amtsträger (im Rahmen seines Aufgabenbereichs) für den Abschluss eines (zivilrechtlich) gültigen Vertrags keiner besonderen gesetzlichen (öffentlich-rechtlichen) Ermächtigung bedarf.
Punktuell bestehenden gesetzlichen Vorschriften, welche (Verwaltungs-)Sponsoring oder Drittmitteleinwerbung ausdrücklich für zulässig erklären, kommt demnach einerseits bloß klarstellende Bedeutung zu (vgl die Gesetzesmaterialien zu § 10 UG 2002 [EBRV 369 BlgNR 25. GP, 3]), andererseits normieren sie (an Verwaltungsorgane adressiert) die näheren Voraussetzungen für den Abschluss und die Abwicklung derartiger Verträge (vgl zu Beispielen derartiger Regelungen Reindl-Krauskopf, Drittmittel für universitäre Forschung als korruptionsrelevante Vorteile, in FS Fuchs, 415 [421]).
Zuwendungen an Amtsträger (die Behörde oder Dienststelle) unterfallen in diesem Bereich daher nicht den Korruptionstatbeständen, wenn ihre vertragliche Vereinbarung nicht wegen Verstoßes gegen (außerstrafrechtliche) Vorschriften unwirksam ist.
-Aus der Anwendbarkeit des Privatrechts auf im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung getroffene Vereinbarungen folgt auch, dass die Bewertung von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich in die Privatautonomie der Vertragsparteien fällt. Innerhalb der Grenzen zivilrechtlicher Gültigkeit kommt daher eine strafrechtliche Prüfung von Adäquanz nicht in Betracht.
-Eine - tatbestandsrelevante - Grenze ist erst dann erreicht, wenn Leistung und Gegenleistung (nach dem wahren Willen der Vertragspartner) gar nicht im Austauschverhältnis stehen, mit der Zuwendung an den Amtsträger (die Behörde) also in Wahrheit ein anderes Amtsgeschäft verknüpft werden soll (das nicht im Vertrag genannt ist oder in dessen Abschluss besteht). Für das Vorliegen eines solchen - rechtlich unwirksamen - Scheingeschäfts kann ein krasses Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung Indizwirkung haben (neben sonstigen in die Prüfung einzubeziehenden, vertragsrelevanten Umständen). In einer solchen Konstellation setzt die Annahme eines tatbildlichen Vorteils die (urteilsmäßige) Feststellung des (dem wahren Parteiwillen entsprechenden) Vertragsinhalts voraus.
-Tatbildlich sind auch Vorteile, die der Amtsträger für einen Dritten fordert, annimmt oder sich versprechen lässt. Dritter kann nach dem insoweit nicht differenzierenden Gesetzeswortlaut und mit Blick auf das geschützte Rechtsgut auch die von diesem vertretene Behörde (Dienststelle) sein (deren Genehmigung der Annahme eines Vorteils übrigens - anders als nach deutschem Recht [vgl § 331 Abs 3 dStGB] - keine rechtfertigende Wirkung zukommt).
Aus einem (vereinzelten) obiter dictum zu 9 Os 124/77 ergibt sich (wie auch der dazu gebildete Rechtssatz RIS-Justiz RS0096036 erhellt) nichts Gegenteiliges, denn die Aussage, Gewahrsamsbegründung an einem Geschenk „(ohne Rückstellungsabsicht an den Geschenkgeber oder Abführungsabsicht an die Behörde)“ sei tatbildliches Annehmen, beschränkt sich auf eine Bejahung dieses Tatbestandselements.
-Ob der Amtsträger die Zuwendung für sich selbst oder die Behörde (Dienststelle) fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist allerdings für die Beurteilung des Vorliegens eines (tatbestandsausschließenden) Austauschverhältnisses von entscheidender Bedeutung. Im ersteren Fall ist ein solches nämlich zu verneinen, wenn die Zuwendung mit einem Amtsgeschäft der Behörde (Dienststelle) verknüpft wird, weil dann der Amtsträger selbst außerhalb des Austauschverhältnisses steht und solcherart einen Vorteil (ohne im eigenen Namen erbrachte Gegenleistung) erhält.

Hinsichtlich der hier bekämpften Einstellung des Ermittlungsverfahrens hielt der OGH fest, dass sie rechtsrichtig gemäß § 190 Z 1 StPO erfolgen hätte müssen (und nicht nach § 190 Z 2 StPO), weil die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Taten auf Basis des (geklärten) Sachverhalts nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sind (auch nicht zum Nachteil derjenigen, die Kaufverträge über die Fotos abgeschlossen haben).

Im Hinblick auf noch anhängige Ermittlungsverfahren wegen ähnlicher Konstellationen merkte der OGH an, dass bei Prüfung der Strafbarkeit das Vorliegen der subjektiven Tatseite in Bezug auf sämtliche Tatbestandsmerkmale zu prüfen ist, insb auch in Bezug auf den Vorteil, der [nur] bei mangelnder rechtlicher Begründetheit eines Anspruchs der Schulen gegeben ist. Sollte sich (auf Basis anderer Sachverhaltsgrundlagen) die Unwirksamkeit von Schulleitern geschlossener Verträge (vgl § 867 ABGB) ergeben, könnte sich - bei bereits erbrachter Gegenleistung durch Schulen - eine taugliche (zivilrechtliche) Anspruchsgrundlage im Bereicherungsrecht finden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21829 vom 20.06.2016