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Sicherstellung immaterieller elektronischer Daten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StPO: § 109, § 110, § 111

1. Die Bestimmungen des 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks der StPO (ua Sicherstellung – hier von Lichtbildern einer Überwachungskamera bei einem Bankomaten) sollen Strafverfolgungsbehörden (auch) den Zugriff auf (immaterielle elektronische) Daten ermöglichen, wenn es auch für deren Existenz ihrer materiellen Verkörperung bedarf (EBRV 25 BlgNR 22. GP 156) und Objekt der eigentlichen „Sicherstellung“ (als Gegenstand iSd § 109 Z 1 lit a StPO) ein – auszufolgender oder herzustellender – „Datenträger“ ist, der die verfahrensrelevanten Informationen enthält.

Die Suche nach Daten ist zwar (im Regelfall) untrennbar mit der vorhergehenden Suche nach entsprechenden Datenträgern verknüpft (erneut EBRV 25 BlgNR 22. GP 156). Daraus folgt aber nicht, dass die Sicherstellung die Gegenstände umfassen muss, in denen der Datenträger eingebaut ist (wie etwa PCs, Laptops oder – wie hier – Bankomaten), und auch nicht, dass sie sich jedenfalls zwingend auf den Datenträger zu beziehen hat, auf dem (neben anderen) jene Daten originär gespeichert wurden, die für das Ermittlungsverfahren relevant sind. Ist nicht anzunehmen, dass dieser Datenträger selbst oder die Originale der Informationen (in einer Hauptverhandlung) in Augenschein zu nehmen sind (vgl auch § 110 Abs 4 StPO) und geht es auch nicht um verbotene Inhalte (wie etwa Kinderpornographie), ist der Datenträger, auf dem die Daten originär gespeichert wurden, also nicht der einzig mögliche Gegenstand der Sicherstellung. Auch die Sicherstellung nach § 109 Z 1 StPO ist nur soweit zulässig, als die Maßnahme zur Erreichung eines der in § 110 Abs 1 StPO genannten Ziele erforderlich scheint.

2. Voraussetzung für die Berechtigung der Kriminalpolizei, eine Sicherstellung von sich aus vorzunehmen, ist die (an § 141 StGB orientierte) Geringwertigkeit des sichergestellten Gegenstands (§ 110 Abs 3 Z 1 lit d StPO). Bezugspunkt dieser Beurteilung bei Sicherstellung von Daten ist nicht das (ursprüngliche) Speichermedium der Originaldaten, sondern ausschließlich der Wert der Daten (hier der elektronischen Lichtbilder) und des Speichermediums, das Kopien dieser Daten enthält (hier: Datenstick).

Die automatisierte Anfertigung der gegenständlichen Daten durch die Kamera eines Bankomaten, das gespeicherte Motiv oder das Alter der Bilddaten haben keinen speziell hohen Wert und indizieren auch keinen sonstigen wirtschaftlichen (Tausch-)Wert, der die Schwelle der Geringwertigkeit übersteigt.

Keinen Niederschlag im Wert der Daten finden die Kosten, die mit der Bewerkstelligung der Ausfolgung der Daten in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat verbunden sind; diese Kosten sind vielmehr Gegenstand des in § 111 Abs 3 StPO normierten Kostenersatzes für Personen, die nicht selbst der Tat beschuldigt sind.

OGH 11. 9. 2018, 14 Os 51/18h

Entscheidung

Das in § 5 Abs 1 und 2 StPO normierte Verhältnismäßigkeitsgebot verpflichtet Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte in Bezug auf die Ausübung von Befugnissen und die Aufnahme von Beweisen zur Wahl jenes Mittels, das die Beeinträchtigung für den Betroffenen so gering wie möglich hält (Wiederin, WK-StPO § 5 Rz 89 ff). Das bedeutet auch für die Sicherstellung nach § 109 Z 1 StPO, dass sie nur soweit zulässig ist, als die Maßnahme zur Erreichung eines der in § 110 Abs 1 StPO genannten Ziele erforderlich scheint.

Zu berücksichtigen ist dabei aber auch, dass eine Sicherstellung der relevanten Informationen unmöglich wäre, wenn derjenige, der in der Lage ist, der Kriminalpolizei iSd § 111 Abs 2 StPO den Zugang zu gespeicherten Daten zu verschaffen, gar nicht über den Datenträger verfügt, auf dem diese gespeichert sind (etwa bei Nutzung externer Speicherplätze oder ausgelagerter Datenbetreuung durch Cloud-Computing- oder Cloud-Storage-Dienste). Dieses (unerwünschte) Ergebnis stünde (ungeachtet der Definition des § 109 Z 1 StPO [„Verfügungsmacht über Gegenstände“]) im Gegensatz zur Intention des Gesetzgebers, die er in den Mat unter Bezugnahme auf die Anforderungen aus der Cyber-Crime-Konvention des Europarats explizit zum Ausdruck gebracht hat (vgl EBRV 25 BlgNR 22. GP 156; zum Ganzen auch Tipold/Zerbes, WK-StPO § 111 Rz 14 ff).

Im vorliegenden Fall ging es um Videoaufnahmen einer Überwachungskamera, die im Außenbankomaten einer bestimmten Bankfiliale installiert ist. Die Aufnahmen sollten die Behebung von 400 Euro vom Konto des Opfers zeitlich unmittelbar nach der Entfremdung (ua) der Bankomatkarte zeigen und damit zur Ausforschung des unbekannten Täters beitragen. Im Zeitpunkt der Sicherstellung hatte das Bankinstitut die – zur Ausforschung und Beweisführung alleine relevanten – Videoaufnahmen bereits spezifiziert und gesichert. Eine Suche nach oder eine Durchsuchung von Datenträgern war demgemäß nicht erforderlich. Ebensowenig war zu erwarten, dass das ursprüngliche Speichermedium (die im Bankomaten eingebaute Festplatte) samt den Originaldaten aus Beweisgründen im Verfahren benötigt werden würde.

Dem Zweck der Beweismittelsicherung (§ 110 Abs 1 Z 1 StPO) konnte hier somit durch die Ermöglichung des Zugriffs auf die elektronischen Lichtbilder der Bankomatkamera durch Sicherstellung eines Datenträgers mit Kopien dieser (solcherart materiell verkörperten) Daten in einem allgemein gebräuchlichen Format entsprochen werden (etwa auf einem USB-Stick; § 111 Abs 2 StPO). Zu dessen Ausfolgung oder Duldung seiner Herstellung war das Bankinstitut nach § 111 Abs 2 StPO verpflichtet.

Nach den dargelegten Grundsätzen war daher nur eine solche Maßnahme zulässig und geboten, während es gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot des § 5 Abs 1 und 2 StPO verstoßen würde, die Sicherstellung des Bankomaten anzuordnen oder – wie vom OLG für zwingend erachtet – der (auch Daten anderer Geldbehebungen enthaltenden) Festplatte samt eines Computers mit Spezialsoftware zur Herstellung visuell erfassbarer Bilder (vgl erneut auch § 110 Abs 4 StPO).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 26308 vom 12.11.2018