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Im vorliegenden Fall wurde der Vertrag über die kapitalbildende Lebensversicherung im Jahr 2008 abgeschlossen, der “Spätrücktritt“ wegen unzureichender Aufklärung über das Kündigungsrecht erfolgte jedoch erst nach dem 1. 1. 2019, sodass § 176 Abs 1 VersVG idgF (BGBl I 2018/51) anzuwenden ist. Mit der Novelle BGBl I 2018/51 wurden nur die Rechtsfolgen bei einem „Spätrücktritt“ bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Vertragsabschluss neu geregelt, für den darüber hinausgehenden Zeitraum wurde hingegen keine neue Rechtsfolgenregelung geschaffen: Bei einem Rücktritt von einer kapitalbildenden Lebensversicherung nach Ablauf von fünf Jahren ab Vertragsabschluss erhält der Versicherungsnehmer gem § 176 Abs 1a iVm Abs 1 VersVG den Rückkaufswert, der sich nach den allgemeinen Bestimmungen des § 176 Abs 3 bis Abs 5 VersVG berechnet (IA 302/A 26. GP 6). Da § 176 Abs 1 VersVG idgF (BGBl I 2018/51) wörtlich dem § 176 Abs 1 VersVG idF BGBl 1994/509 entspricht, ist auch die bisherige Rsp anzuwenden (ohne dass sich Fragen einer Rechtsfortbildung contra legem stellen). Nach dieser Judikatur ist die Beschränkung auf den Rückkaufswert im Fall eines Rücktritts jedenfalls unzulässig. Auch § 176 Abs 1 VersVG idgF ist daher insoweit als unionsrechtswidrig zu qualifizieren, als er für den Rücktritt und die Kündigung des Vertrags dieselben rechtlichen Wirkungen vorsieht, ohne dass es einer neuerlichen Befassung des EuGH bedürfte.
Entscheidung
Der Rücktritt der Kl löst daher im vorliegenden Fall nicht die Rechtsfolgen nach § 176 Abs 1 iVm Abs 3 bis Abs 5 VersVG aus, sondern führt zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Vertrags (vgl 7 Ob 10/20a, RdW 2020/380; 7 Ob 11/20y, RdW 2020/380; 7 Ob 19/20z, RdW 2020/379; ua). Die Kl hat somit Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Netto-Versicherungsprämien.
Im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rsp hat das BerufungsG der Kl weiters aus dem Titel des Schadenersatzes die Versicherungssteuer zuerkannt (vgl 7 Ob 105/20x mwN, RdW 2021/163). Dagegen wendet sich die Bekl ausschließlich mit dem Argument, ihr sei keine Rechtswidrigkeit vorzuwerfen, weil sie in den Vertragsunterlagen korrekt über das Rücktrittsrecht belehrt habe. Lediglich der Zugang der Vertragsunterlagen an die Kl habe nicht nachgewiesen werden können. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahr 2008 war § 5b Abs 3 VersVG idF BGBl I 2004/131 anzuwenden; danach obliegt dem Versicherer der Beweis, dass die Urkunden lt § 5b Abs 2 Z 1 und 2 VersVG rechtzeitig ausgefolgt und die Mitteilungspflichten lt § 5b Abs 2 Z 3 VersVG rechtzeitig erfüllt worden sind. Diesen Nachweis hat die Bekl nicht erbracht, sodass sie ihre Vertragspflichten nicht erfüllt hat (vgl RS0130376 [T1]); schon daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens.
Hinweis:
Mit BGBl I 2018/51 (= Rechtsnews 25859) wurde mit der Neufassung des § 5c VersVG ab 1. 1. 2019 ein einheitliches Rücktrittsrecht geschaffen, das die bisherigen Regelungen des § 165a und § 5b Abs 2 bis 6 VersVG ebenso ersetzt, wie die Rücktrittsrechte betr Versicherungsverträge nach §§ 3 und 3a KSchG. Versicherer müssen Versicherungsnehmer damit nur noch über das Rücktrittsrecht nach § 5c VersVG belehren (und im Falle des Vertragsabschlusses im Fernabsatz: nach § 8 FernFinG).
Die hier anwendbaren Fassung von § 5b VersVG (idF BGBl I 2004/131) stand bis 30. 6. 2012 in Geltung.