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Squeeze Out: Überprüfung der Barabfindung – (Revisions-)Rekurs

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AktG: § 225e

EO: § 7, § 10

EuGVVO 2012: Art 7

GesAusG: § 2, § 6

JN: § 27a, § 51, § 92b, § 99

Im Ausgangsverfahren haben 107 Antragsteller die Überprüfung der Barabfindung gem § 6 Abs 2 GesAusG iVm §§ 225c ff beantragt. Die Vorinstanzen hielten die beschlossene Barabfindung für nicht angemessen. Die dagegen erhobenen Revisionsrekurse wurden vom OGH mit Verweis auf die bestehende gesicherte Rsp zurückgewiesen (siehe dazu unten).

Verfahrensrechtlich war im vorliegenden Fall allerdings zu klären, ob ein Revisionsrekurs eines Antragstellers auch allen anderen Antragstellern zuzustellen gewesen wäre (nicht nur der Antragsgegnerin) und diese eine Revisionsrekursbeantwortung erstatten hätten können. Nach § 225e Abs 4 Satz 4 AktG iVm § 6 Abs 2 GesAusG sind Rekurse “den anderen Parteien“ zuzustellen; sie können binnen vier Wochen nach der Zustellung des Rekurses eine Rekursbeantwortung einbringen. Dazu stellt der OGH zunächst klar, dass die Anordnungen in § 225e Abs 4 AktG für den Rekurs auch für den Revisionsrekurs gelten und § 225e Abs 4 AktG gegenüber §§ 48 und 68 AußStrG die speziellere Norm ist, weshalb es im vorliegenden Fall nicht auf die Wendung „jeder anderen aktenkundigen Partei“ ankommt. Weiters haben die (meist zahlreichen) Antragsteller das gemeinsame Interesse an einer möglichst hohen Abfindung für die enteigneten Gesellschaftsbeteiligungen. Antragsteller, die kein Rechtsmittel erhoben haben, haben daher von Rechtsmitteln anderer Antragsteller nichts zu befürchten, weil sich bei Stattgebung der Rechtsmittel auch ihre Position nur verbessern kann. Schließlich macht auch die Bezeichnung „Rekursbeantwortung“ deutlich, dass es dabei um eine Entgegnung zu den Rechtsmittelargumenten geht, nicht aber um eine Unterstützung derselben geht. Ein Rekurs (Revisionsrekurs) eines Antragstellers ist daher den übrigen Antragstellern nicht zuzustellen; diese haben auch kein Recht, dazu eine Rekursbeantwortung (Revisionsrekursbeantwortung) zu erstatten. § 225e Abs 4 AktG ist insoweit teleologisch zu reduzieren.

OGH 2. 2. 2022, 6 Ob 148/21i

Entscheidung

Barabfindung nicht zu individualisieren

In der Sache verweist der erkennende Senat darauf, dass er die aufgeworfenen Rechtsfragen in der ausführlich begründeten E OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, bereits beantwortet hat (GesRZ 2021, 241 [Foglar-Deinhardstein/Aichinger; Vanovac/Löffler] = ZFR 2021, 560 [Hubcheva] = AnwBl 2021, 489 und 621 = ecolex 2021, 841 = RdW 2021, 692 = GES 2021, 247; vgl Rüffler, Zur Verzinsung der Barabfindung und zugesprochener barer Zuzahlungen gem § 6 GesAusG – Zugleich eine Kritik an OGH 12. 5. 2021, 6 Ob 246/20z, GesRZ 2021, 209).

Danach sind im Verfahren über die Höhe der Barabfindung des ausgeschlossenen Minderheitsgesellschafters keine individuellen, ziffernmäßig bestimmten Leistungszusprüche vorzunehmen. Ein Ausspruch über die Verzinsung der baren Zuzahlung ist im Überprüfungsverfahren nicht erforderlich (so auch 6 Ob 113/21t, Rechtsnews 31681). Die ausgeschlossenen Gesellschafter haben für den Zuzahlungsbetrag Anspruch auf Zinsen iHv zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Tag nach der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung bis zwei Monate nach dem Tag der Veröffentlichung des Beschlusses in der Ediktsdatei. Für den darauf folgenden Zeitraum sind Zinsen iH des gesetzlichen Verzugszinssatzes geschuldet. Es kommt einheitlich der Verzugszinssatz des § 1000 Abs 1 ABGB zur Anwendung.

Die E 6 Ob 246/20z wurde in der Lit mehrfach besprochen. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Kritik sieht sich der Senat im Ergebnis nicht veranlasst, von der in der Vorentscheidung vertretenen Ansicht abzugehen. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage hält er hier ebenso wenig geboten wie ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH. Eine Entscheidung, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet und mehrfach veröffentlicht wurde, zu der gegenteilige Entscheidungen nicht vorliegen und die auch vom Schrifttum ohne (hier: stichhaltige) Kritik übernommen wurde, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rsp aus (RS0103384).

Mit dem begehrten Leistungsausspruch „zugunsten der Inhaber von unter ... verbrieften Nachbesserungsrechten der Gesellschaft“ wäre den ausgeschlossenen Gesellschaftern im Übrigen nicht gedient: Bei einem Leistungsausspruch zugunsten der „jeweiligen Inhaber“ der verbrieften Nachbesserungsrechte führt an der „Titelergänzungsklage“ (auch im Außerstreitverfahren) von vornherein kein Weg vorbei. Ein derartiger Leistungstitel entspricht nicht den inhaltlichen Anforderungen an einen Exekutionstitel gem § 7 Abs 1 EO, wonach die Exekution nur bewilligt werden darf, wenn aus dem Exekutionstitel nebst der Person des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind.

Zumutbarkeit individueller Leistungsklagen

Kaum realistisch erscheint dem Senat auch das von Vanovac/Löffler entworfene Szenario von tausenden Klagen ausgeschlossener Gesellschafter, die die Justiz über Gebühr belasten würden: Mit dem rk Entscheid im Barabfindungsverfahren stehen sowohl Grund als auch Höhe des jeweiligen Barabfindungsanspruchs fest. Im Regelfall hat dann aber der Hauptgesellschafter kein Interesse, sich klagen zu lassen, weil sein Unterliegen im Prozess so gut wie feststeht (abgesehen von Sonderkonstellationen, wie etwa bei einer strittigen Gegenforderung) und er sich derart noch zusätzlich mit den Prozesskosten belastete. Sofern beim Treuhänder noch ein Treuhandgut vorhanden ist (vgl § 2 Abs 3 Satz 5 GesAusG), hat auch dieser keinen Grund, nach Vorliegen einer rk Entscheidung im Barabfindungsverfahren nicht sofort (allenfalls) aliquot auszuzahlen. Eine Verzögerung könnte ihn nämlich zumindest gegenüber dem Hauptgesellschafter wegen der weiterlaufenden Zinsen haftbar machen.

Unter diesen Umständen kann auch keine Rede davon sein, dass es für die ausgeschlossenen Gesellschafter unzumutbar wäre, notfalls ihren Anspruch einzuklagen - in aller Regel ohnehin in Österreich oder in ihrem Wohnsitzstaat:

Ist der zahlungspflichtige Hauptgesellschafter im EWR-Ausland ansässig, kann ein ausgeschlossener Gesellschafter die Barabfindung nach Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 (Art 5 Nr 1 lit a LGVÜ 2007) an seinem Wohnsitzgericht einklagen.

Hat der Hauptgesellschafter seinen (Wohn-)Sitz im Ausland, aber nicht im EWR, eröffnet sich der Wahlgerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis gem § 92b iVm § 51 Abs 1 Z 6 JN am (inländischen) Sitz der Gesellschaft, wodurch – sofern nicht ausnahmsweise das Völkerrecht (etwa bilaterale Abkommen) dem entgegensteht – auch die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist (§ 27a JN).

Überdies kommt in gewissen Konstellationen auch der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN in Betracht (vgl etwa RS0046891; 4 Nd 507/96: Geschäftsanteil des Hauptgesellschafters an der inländischen GmbH ist Vermögen im Inland; für Aktiengesellschaften vgl allerdings RS0117750). Sitzt der nach § 2 Abs 3 GesAusG zu bestellende Treuhänder in Österreich, wäre auch das Treuhandgut (Vermögen) in Österreich, das den Gerichtsstand nach § 99 JN begründete (vgl dazu § 2 Abs 3 Satz 5 GesAusG: 50%iger Aufschlag bei der Bankgarantie, wenn Hauptgesellschafter im Nicht-EWR-Ausland sitzt).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32297 vom 31.03.2022