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Strafgesetznovelle 2017 – BGBl

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden (Strafgesetznovelle 2017)

BGBl I 2017/117, ausgegeben am 31. 7. 2017

Zur unverändert übernommenen RV 1621 BlgNR 25. GP siehe Rechtsnews 23533.

Allgemeines

Mit dieser Novelle wird va den vermehrt auftretenden staatsfeindlichen Bewegungen entgegengewirkt (neuer Straftatbestand) und Beamte und Mitarbeiter von Verkehrbetrieben werden besser gegen Aggressionsakte geschützt (Erhöhung der Strafdrohung und neuer Straftatbestand).

Im Zusammenhang mit Sexualdelikten soll weiters dem Phänomen entgegengewirkt werden, dass Gruppen von Menschen öffentliche Veranstaltungen für sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen nützen (neue Qualifikationen bei sexueller Belästigung). In Bezug auf das Phänomen „Sexting“ werden die Ausnahmen hinsichtlich der Strafbarkeit von Jugendlichen erweitert sowie einige Anpassungen und Präzisierungen der bisherigen Rechtslage vorgenommen.

Die Strafbarkeit der Geldwäscherei wird an die 4. Geldwäsche-RL (RL (EU) 2015/849) angepasst.

Die Änderungen treten mit 1. 9. 2017 in Kraft.

Hauptgesichtspunkte der Novelle:

1. Taten gegen den Staat udgl

1.1. Staatsfeindliche Bewegungen

In § 247a StGB wird der neue Tatbestand „Staatsfeindliche Bewegungen“ geschaffen:

Eine staatsfeindliche Bewegung ist gem § 247a Abs 3 StGB „eine Gruppe vieler Menschen, die darauf ausgerichtet ist, die Hoheitsrechte der Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden oder sonstige Selbstverwaltung) rundweg abzulehnen oder sich fortgesetzt die Ausübung solcher oder behaupteter Hoheitsrechte selbst anzumaßen, und deren Zweck es ist, fortgesetzt auf eine Weise, durch die sich die staatsfeindliche Ausrichtung eindeutig manifestiert, gesetzwidrig die Vollziehung von Gesetzen, Verordnungen oder sonstigen hoheitlichen Entscheidungen der Behörden zu verhindern oder die angemaßten oder behaupteten Hoheitsrechte durchzusetzen.“

Zu bestrafen ist

-„wer eine staatsfeindliche Bewegung gründet oder sich in einer solchen führend betätigt“, „wenn er oder ein anderer Teilnehmer eine ernstzunehmende Handlung ausgeführt oder zu ihr beigetragen hat, in der sich die staatsfeindliche Ausrichtung eindeutig manifestiert“ (§ 247a Abs 1 StGB – Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren);
-bzw – „unter der Bedingung des Abs 1“ – „wer an einer solchen Bewegung mit dem Vorsatz teilnimmt, dadurch die Begehung von staatsfeindlichen Handlungen zu fördern, oder sie mit erheblichen Geldmitteln oder sonst in erheblicher Weise unterstützt“ (§ 247a Abs 2 StGB – Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen).

Zu den Elementen dieses Tatbestands ist den EB va zu entnehmen:

-Unter den Hoheitsrechten sind die öffentlich-rechtlichen Befugnisse zur Ausübung der Staatsgewalt zu verstehen (insb die Normerzeugung und der Rechtsnormvollzug), die den Gebietskörperschaften der Republik Österreich (dh dem Bund, den Ländern und den Gemeinden) kraft Verfassung zustehen.
Gleiches gilt für die Selbstverwaltungskörper, die ihre hoheitlichen Befugnisse unmittelbar aufgrund gesetzlicher Bestimmungen (in deren Umfang) ausüben (zB SV-Träger oder AMS).
Behörden sind nicht nur staatliche Einrichtungen, sondern auch solche Institutionen, die mit hoheitlichen Befugnissen kraft Beleihung ausgestattet sind (im Umfang der Beleihung).
-Der Zweck der Bewegung (fortgesetzte gesetzwidrige Verhinderung der Vollziehung von Gesetzen, Verordnungen oder sonstigen hoheitlichen Entscheidungen bzw Durchsetzung angemaßter oder behaupteter Hoheitsrechte) muss von der Bewegung nicht ausschließlich verfolgt werden, es genügt, wenn dies einen der Zwecke der Bewegung darstellt.
-„Gesetzwidrig“ sind va strafgesetzwidrige Vorgangsweisen, also zB die Anwendung von Gewalt und Drohung mit Gewalt, aber auch die Verletzung von Verwaltungsvorschriften.
-Strafbarkeit tritt für alle Begehungsformen nur ein, wenn es tatsächlich zu einer ernst gemeinten Ausführungshandlung gekommen ist (objektive Bedingung), die auch Ausdruck des Zwecks der Bewegung sein muss. Diese objektive Bedingung muss sowohl bei Taten nach Abs 1 als auch bei Taten nach Abs 2 vorliegen.
Eine Handlung ist - ähnlich wie bei der gefährlichen Drohung - dann ernst zu nehmen, wenn sie ernst gemeint und - sofern sie in einer Ankündigung oä besteht - verwirklichbar erscheint.
-Eine staatsfeindliche Bewegung gründet derjenige, der staatsfeindliche Gedankenkonstrukte erfindet oder solche Theorien aufstellt und diese anschließend mit dem Vorsatz anderen zugänglich macht, dass diese aktiv an der Verwirklichung einer staatsfeindlichen Handlung mitwirken.
-Führend betätigt sich insb derjenige, der für die Bewegung neue Mitglieder wirbt (dh mindestens zwei Personen zur Teilnahme bewegt) oder der eine eigene Struktur zur Verwirklichung der Ideen schafft (zB Gründung von „Gerichten“, „Staaten“ oder sonstigen Parallelstrukturen) oder eine führende Rolle innerhalb dieser Strukturen einnimmt.
-Teilnahme an einer staatsfeindlichen Bewegung liegt vor, wenn sich derjenige einer solchen Bewegung angeschlossen hat und dieser Entschluss erkennbar ist. Ein formeller Akt ist hierzu nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn eine Person bspw Eingaben an Behörden richtet, die auf dieser staatsfeindlichen Gesinnung beruhen, erfundene Ausweise oder Kennzeichen verwendet oder sich auf die Theorien dieser Bewegungen beruft bzw diese nach außen vertritt.
Die bloße Teilnahme an einer Veranstaltung einer solchen Bewegung oder das Beschäftigen mit derartigen Theorien, ohne dass dies nach außen tritt (zB Besitz von Schriften dieser Bewegungen), reicht für eine Teilnahme nicht aus. Die Person muss sich vielmehr der Gruppe angeschlossen haben und dies auch in irgendeiner Form nach außen tragen.
-Um zu unterstreichen, dass es sich bei der Unterstützung mit Geldmitteln nicht um kleinere Beträge (wie kleinere Spenden oder Mitgliedsbeiträge) handelt, wird im Tatbestand explizit auf „erhebliche Geldmittel“ abgestellt, wofür als Richtwert ca € 10.000 als untere Grenze herangezogen werden kann.
Eine andere erhebliche Unterstützung kann zB darin bestehen, dass eine Person längerfristig Räumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung stellt.

Nicht nach dem neuen § 247a StGB zu betrafen ist,

-wenn die Tat nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist;
-wer „sich freiwillig und bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, aus der Bewegung in einer Weise zurückzieht, die eindeutig zu erkennen gibt, dass die staatsfeindliche Ausrichtung nicht mehr unterstützt wird“.

Für die Taten, die unter § 247a Abs 2 StGB fallen, wird in der StPO die Zuständigkeit des LG als Einzelrichter vorgesehen (§§ 30 Abs 1 Z 9a und 9b und § 31 Abs 4 Z 2 StPO).

1.2. Angriffe auf Beamten

In § 270 Abs 1 StGB („Tätlicher Angriff auf einen Beamten“) wird die Strafdrohung erhöht, und zwar von bisher „bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen“ auf eine Strafdrohung „bis zu zwei Jahren“.

Mit der Strafschärfung soll gem den EB ein rechtspolitisches Zeichen gesetzt und dem erhöhten Aggressionspotential gegenüber Beamten Rechnung getragen werden. Im Übrigen wurden die Strafdrohungen bei den Körperverletzungsdelikten in der Vergangenheit wiederholt erhöht (va 1996 und 2015), während die Strafdrohung des § 270 StGB gegenüber der Stammfassung des StGB bis dato unverändert geblieben ist.

1.3. Angriffe auf Bedienstete von Verkehrsbetrieben

In Reaktion auf vermehrte tätliche Übergriffe auf Lenker und Kontrollore in Massenbeförderungsmitteln, wird in § 91a StGB der neue Tatbestand „Tätlicher Angriff auf mit bestimmten Aufgaben betraute Bedienstete einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt“ geschaffen.

Zu bestrafen ist danach „wer eine Person, die mit der Kontrolle der Einhaltung der Beförderungsbedingungen oder der Lenkung eines Beförderungsmittels einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt betraut ist, während der Ausübung ihrer Tätigkeit tätlich angreift“.

Da es sich bei der Tathandlung zwar um einen tätlichen Angriff handelt, jedoch noch nicht um eine Körperverletzung, wird als Strafdrohung eine Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorgesehen.

Außerdem wird zum Schutz dieser Personengruppe bei schwererwiegenden Angriffen, die bereits eine Körperverletzung darstellen, mit § 83 Abs 3 StGB eine neue Qualifikation geschaffen (Strafdrohung bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe).

Den EB ist weiters zu entnehmen:

-Die mit Kontrolltätigkeiten betrauten Personen überwachen die Einhaltung der Beförderungsbedingungen.
-Den mit der Lenkung betrauten Personen obliegt die Inbetriebnahme und Führung/Lenkung des jeweiligen Massenbeförderungsmittels.
-Von den Gegebenheiten am Verkehrssektor ausgehend erfasst der Tatbestand im Wesentlichen als Beförderungsmittel einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalt die des öffentlichen Verkehrs auf Eisenbahnen einschließlich der Straßenbahnen iSd Eisenbahngesetzes 1957 und der Kraftfahrlinien iSd Kraftfahrliniengesetzes.

2. Sexualdelikte

2.1. Verabredete Begehung sexueller Belästigung

Mit den neuen Abs 2a und Abs 2b des § 218 StGB werden Qualifikationen für die verabredete Begehung sexueller Belästigung geschaffen:

-Wer wissentlich an einer Zusammenkunft mehrerer Menschen teilnimmt, die darauf abzielt, dass eine sexuelle Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 oder Abs 1a StGB begangen werde, ist, wenn es zu einer solchen Tat gekommen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
-Wer eine sexuelle Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 oder Abs 1a StGB mit mindestens einer weiteren Person in verabredeter Verbindung begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

2.2. Notwehr

Zur Klarstellung und um künftig in allen Fällen von Angriffen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung ohne Prüfung des Vorliegens eines anderen notwehrfähigen Rechtsguts eine Rechtfertigung durch Notwehr zu ermöglichen, wird die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung explizit als notwehrfähiges Rechtsgut in die Aufzählung des § 3 Abs 1 StGB aufgenommen.

2.3. Sexting

Erweiterung der Ausnahmen von der Strafbarkeit in § 207a StGB hinsichtlich pornografischer Darstellungen Minderjähriger iZm „Sexting“:

Die Herstellung einer pornografischen Darstellung Minderjähriger zum Zweck der Verbreitung ist in § 207a Abs 2 StGB als Qualifikation erfasst, wobei unter „Verbreiten“ das Zugänglichmachen bereits an eine andere Person zu verstehen ist. Durch die vorgeschlagene Änderung sind Fälle, in denen eine mündige minderjährige Person eine pornografische Darstellung von sich selbst herstellt, um diese einem anderen (potenziellen Partner) zugänglich zu machen, zukünftig nicht mehr nach dieser Bestimmung strafbar.

Weiters gibt es in der Praxis Fälle, in denen eine unmündige Person eine pornografische Darstellung von sich selbst anfertigt und längere Zeit zB auf dem Handy gespeichert hat. Solange die Person unmündig ist, kommt eine Strafbarkeit nicht in Betracht, entsteht jedoch mit Vollendung des 14. Lebensjahrs. Auch diese Fälle werden daher nun von einer Strafbarkeit nach § 207a StGB ausgenommen, allerdings nur in den engen Grenzen des Eigenbesitzes. Eine Straflosigkeit der Weitergabe würde zu weit führen und scheidet daher in solchen Fällen aus.

2.4. Sexualdelikte iZm Autoritätsverhältnis

In § 212 Abs 2 StGB wird die bisherige Aufzählung der Täter in Gesundheitsberufen durch die Diktion „Angehörige eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes“ ersetzt (zur Angleichung an die Änderung in § 88 Abs 2 Z 3 StGB durch das StRÄG 2015 und zur Erfassung aller Personen, die in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf tätig sind).

Da § 212 StGB auf die Vornahme einer „geschlechtlichen Handlung“ unter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses abstellt, sind grundsätzlich auch die Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB erfasst, nicht aber der durch das StRÄG 2015 neu eingeführte § 218 Abs 1a StGB, weil dieser nicht geschlechtliche Handlungen erfasst, sondern die Würde verletzende intensive Berührungen einer der Geschlechtsspähre (bloß) zuzuordnende Körperstelle. Da aber in diesen Fällen die Begehung einer sexuellen Belästigung unter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses (wie zB durch einen Angehörigen eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes unter Ausnützung dessen Stellung) gleichfalls schwerer wiegt, wird auch für sexuelle Belästigungen iSd § 218 Abs 1a StGB unter den Umständen des § 212 StGB eine strengere Strafdrohung vorgesehen, nämlich Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätze) statt Freiheitsstrafe bis zu 6 Monate (oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätze).

3. Geldwäscherei

Der Vortatenkatalog der Geldwäscherei wird in Umsetzung von Art 3 Z 4 der 4. Geldwäsche-RL [RL (EU) 2015/849] ausgeweitet (§ 165 Abs 1 StGB):

Nunmehr kommen alle Vermögensbestandteile, die aus einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung stammen, als Vortat der Geldwäscherei in Betracht (Art 3 Z 4 lit f der 4. Geldwäsche-RL). Dadurch sollen gem den EB jedenfalls alle in die gerichtliche Zuständigkeit fallenden Finanzvergehen eine Vortat der Geldwäscherei nach § 165 StGB sein können, weil sie entweder primär (§§ 38a und 39 FinStrG) oder neben Geldstrafen abstrakt mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.

Art 3 Z 4 lit a der 4. Geldwäsche-RL iVm Art 1 bis 4 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates vom 13. 6. 2002 zur Terrorismusbekämpfung wird durch § 278c Abs 1 StGB umgesetzt, der aufgrund der allgemeinen Schwelle des § 165 Abs 1 StGB Geldwäschereivortat sein kann. Da Art 1 Abs 1 lit b des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI allgemein Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit einer Person nennt, wird der 4. Geldwäsche-RL gem den EB durch Änderung des Verweises in § 278c Abs 1 Z 2 StGB auf Körperverletzungen nach den §§ 83 bis 87 StGB (anstelle bisher nach den §§ 84 bis 87 StGB) entsprochen.

Weiters wird der Vortatenkatalog um die §§ 27 sowie 30 SMG ergänzt. Es verbleibt der Verweis auf die mit milderer Strafe bedrohten §§ 223, 229, 289, 293 und 295 StGB.

4. Verspottung aus Entrüstung

Ob eine allgemein begreifliche Entrüstung nicht nur zur Straflosigkeit einer Beleidigung führen kann (§ 115 Abs 3 StGB), sondern auch zur Straflosigkeit einer Verspottung, war bisher strittig, sodass zur Klarstellung nun auch die Verspottung in § 115 Abs 3 StGB aufgenommen wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23958 vom 01.08.2017