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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016)
BGBl I 2016/121, ausgegeben am 31. 12. 2016
Zur nahezu unverändert übernommenen RV 1300 BlgNR 25. GP siehe LN Rechtsnews 22475 vom 20. 10. 2016.
Die vorliegende Novelle tritt grds mit 1. 1. 2017 in Kraft und beinhaltet folgende Schwerpunkte:
Vollständige Umsetzung der „RL Rechtsbeistand“
Die RL 2013/48/EU [über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs] (RL Rechtsbeistand) wurde zu einem Großteil bereits mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetzes I 2016 umgesetzt (BGBl I 2016/26, siehe LN Rechtsnews 22094 vom 2. 8. 2016).
Mit der vorliegenden Novelle werden nun auch die noch offenen Bestimmungen der RL Rechtsbeistand umgesetzt: Sicherzustellen ist va, dass der Beschuldigte in möglichst kurzer Zeit nach dem Entzug der persönlichen Freiheit tatsächlich den Beistand eines Verteidigers erreichen kann. Darüber hinaus verlangt das Recht auf Anwesenheit des Verteidigers bei sämtlichen Befragungen (Art 3 Abs 3 RL Rechtsbeistand) auch die Möglichkeit der Teilnahme an der Vernehmung über die Voraussetzungen der Untersuchungshaft (§ 174 Abs 1 StPO).
Außerdem wird der (bislang auf vertraglicher Basis mit dem ÖRAK betriebene) Rechtsanwaltliche Journaldienst gesetzlich verankert und ausgebaut.
Klargestellt wird weiters, dass eine aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommene Person das Recht hat, auch im Ausstellungsstaat desselben einen Verteidiger zu bevollmächtigen.
Hinsichtlich der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls sieht die RL Rechtsbeistand in Art 10 ein Recht auf einen Verteidiger ab dem Zeitpunkt der Festnahme vor, und zwar in Abs 1 bis 3 für das das Verfahren im Vollstreckungsstaat und in Abs 4 bis 6 für das das Verfahren im Ausstellungsstaat. Art 10 RL Rechtsbeistand wird nun durch diverse Änderungen im EU-JZG umgesetzt.
Sitzungspolizeiliche Maßnahmen
Seit Inkrafttreten der Strafprozessreform BGBl I 2004/19 besteht eine Gesetzeslücke betr sitzungspolizeiliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung vor dem OGH, der Berufungsverhandlung vor dem jeweiligen Rechtsmittelgericht und einer Haftverhandlung im Hauptverfahren. Diese Lücke wird nun durch Schaffung einer ausdrückliche Grundlage für sitzungspolizeiliche Maßnahmen in diesen Verfahrensstadien geschlossen.
Diversion
- | Wie im Jugendstrafrecht ist auch im Erwachsenstrafrecht die Diversion künftig auch dann zulässig, wenn die Tat zwar den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat, es sich bei der getöteten Person jedoch um einen fahrlässig getöteten Angehörigen des Beschuldigten handelt und eine Bestrafung im Hinblick auf die schwere psychische Belastung des Beschuldigten durch den Tod des Angehörigen nicht geboten ist (§ 198 Abs 2 Z 3 StPO). |
- | Fortsetzung nach vorläufigem Rücktritt: Ist die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat gem § 205 StPO vorläufig zurückgetreten und setzt sie in der Folge das Verfahren fort, ohne dass eine der Voraussetzungen des § 205 Abs 2 StPO (oder des § 38 Abs 1 oder 1a SMG) vorliegt, hat der Beschuldigte nach geltender Rechtslage keine Möglichkeit, unmittelbar auf Einhaltung der angebotenen (und von ihm akzeptierten) Bedingungen der Diversion zu bestehen; auch das Gericht kann diesen Umstand nicht unmittelbar aufgreifen. Im Einklang mit der bestehenden Gesetzessystematik wird daher dem Angeklagten ein ausdrücklicher Einspruchsgrund gegen die Anklageschrift (im Schöffen- bzw Geschworenenverfahren) bzw dem Gericht ein Grund für die Zurückweisung des Strafantrages (im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts und dem Bezirksgericht) eingeräumt (§ 212 Z 8, § 215 Abs 3, § 485 Abs 1 Z 2 StPO). |
„Kronzeugenregelung“
§ 209a und § 209b StPO über den Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft („Kronzeugenregelung“) traten mit 1. 1. 2011 in Kraft und waren vorerst bis 31. 12. 2016 befristet. Die befristete Geltung wird um weitere 5 Jahre verlängert (bis 31. 12. 2021).
Außerdem kann nicht – wie bisher – irgendeine Tat Kronzeugeneigenschaft begründen, sondern nur eine Tat von einer gewissen Schwere. Es muss sich um eine Straftat handeln,
- | die der Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht (§ 31 Abs 2 und 3 StPO) unterliegt, |
- | die der Zuständigkeit der WKStA (§ 20a StPO) unterliegt oder die Kriterien des § 20b StPO erfüllt, oder |
- | um eine Straftat nach den §§ 277, 278, 278a oder 278b StGB (Verbrecherisches Komplott, Kriminelle Vereinigung, Kriminelle Organisation oder Terroristische Vereinigung) oder einer Tat, die mit einer solchen Verabredung, Vereinigung oder Organisation im Zusammenhang steht. |
Der Kronzeuge muss Wissen offenbaren, das wesentlich dazu beiträgt, die umfassende Aufklärung einer solchen Straftat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern oder eine Person auszuforschen, die an einer solchen Verabredung führend teilgenommen hat oder in einer solchen Vereinigung oder Organisation führend tätig war. Diese Informationen müssen somit neu für die Strafverfolgungsbehörden sein und hinsichtlich des Werts für die umfassende Aufklärung der Straftat(en) über den eigenen Tatbeitrag des Kronzeugen hinausgehen; an der Aufklärungstat muss daher zumindest ein Dritter beteiligt gewesen sein. Ob der Kronzeuge selbst an dieser Tat beteiligt war oder lediglich ein Zusammenhang mit der Kronzeugentat besteht, ist nicht entscheidend. Die alleinige Aufdeckung der eigenen Tat ist jedoch nicht ausreichend.
Präzisiert wird, dass das Verfahren gegen den Kronzeugen wiederaufzunehmen ist, wenn seine Informationen keinen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Straftat geliefert haben.
Nicht zuletzt aufgrund Bedenken des OGH im Begutachtungserfahren und darauf gründender Ablehnung der „Kronzeugenregelung“ als Prozessabsprache wird auch im Gesetzestext deutlich klargestellt, dass die Regelung der §§ 209a und 209b StPO gerade nicht auf den Gedanken eines „Deals“ zurückzuführen ist, sondern auf erweiterten Strafzumessungserwägungen beruht, die ein reumütiges Geständnis und die freiwillige Offenbarung von neue Tatsachen oder Beweismitteln als äußeres Zeichen einer Abkehr vom eigenen kriminellen Verhalten bzw des Umfelds signalisieren. Es ist nicht die Staatsanwaltschaft, die etwas „anbietet“, sondern es liegt an dem Kronzeugen sein Wissen freiwillig zu offenbaren. Erforderlich ist das aktive Herantreten des Kronzeugen an die Staatsanwaltschaft.
Klargestellt wird insb auch, dass der Kronzeugenstatus nicht erreicht werden kann, wenn der Beschuldigte schon konkret zu den Umständen der aufzuklärenden Straftaten vernommen wurde oder gegen ihn wegen solcher Verdachtsmomente Zwang ausgeübt worden ist.
Dem potentiellen Kronzeugen stehen auch zwei Rechtschutzmöglichkeiten zur Verfügung: Er kann bei negativer Erledigung durch die Staatsanwaltschaft den Einspruch wegen Verweigerung eines ihm zustehenden Rechts erheben oder die Anwendung der Kronzeugenregelung in der Hauptverhandlung verlangen.
Zuständigkeit kraft Zusammenhangs
Da § 37 Abs 3 StPO nicht auf das Zuvorkommen abstellt, kann dies zur verfahrensunökonomischen Konsequenz führen, dass das später (wegen des zeitlich früheren Tatvorwurfs) angerufene Gericht auch das früher anhängig gewordene Verfahren (hinsichtlich zeitlich späterer Tatvorwürfe) selbst dann einzubeziehen hat, wenn in jenem Verfahren bereits Beweise aufgenommen wurden. Aus diesem Grund wird festgelegt, dass im Fall einer Zuständigkeit kraft Zusammenhangs nicht auf den zeitlich früheren Tatvorwurf abzustellen ist, wenn gegen den Angeklagten zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Anklage ein Hauptverfahren anhängig ist, sondern auf den Zeitpunkt des Vorliegens einer rechtswirksamen Anklage.
Ersatzpflichtige Kosten des Strafverfahrens
Vor dem Hintergrund der E OGH 9. 12. 2015, 15 Os 117/15t, 15 Os 118/15i (= LN Rechtsnews 21223 vom 2. 3. 2016), wird klargestellt, dass als ersatzpflichtige Kosten des Strafverfahrens neben den Kosten für die Einlieferung aus dem Ausland (im Rahmen der Erwirkung einer Auslieferung/Übergabe zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung) auch die Kosten einer Überstellung von Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in das In- oder Ausland gelten.
Ausschluss als Schöffe oder Geschworener
Mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl I 2014/71 (= LN Rechtsnews 17832 vom 12. 8. 2014), wurde der Beginn des Ermittlungsverfahrens präzisiert und eine Unterscheidung zwischen „Verdächtigen“ und „Beschuldigten“ getroffen.
Da der Ausschlussgrund des § 2 Z 4 GSchG idgF bloß auf die Anhängigkeit eines Strafverfahrens abstellt, ist nun bereits jeder Verdächtige von der Ausübung des Amts als Schöffe oder Geschworener ausgeschlossen. Eine solche unkonkrete und noch zu bestimmende Verdachtslage reicht jedoch für einen Ausschluss von der Ausübung des Laienrichteramts nicht aus, weil ein solcher nur im Fall einer konkreten Beschuldigung gerechtfertigt erscheint. Es wird daher klargestellt, dass für den Ausschluss von der Ausübung des Amts als Schöffe oder Geschworener auf eine konkrete Beschuldigung abzustellen ist.