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Supermarkt: Schutz- und Sorgfaltspflichten bei Warentransport

ABGB: § 1295, § 1298, § 1304

Kunden eines Supermarkts sind allgemein (und umso mehr zu einem stark frequentierten Zeitpunkt) verpflichtet, sich mit entsprechender Vorsicht durch das Geschäft zu bewegen, weil nicht nur mit anderen Fußgängern, sondern ua auch mit geschobenen Einkaufwägen und Warentransportwagen zu rechnen ist. Die Kunden sind jedoch idR auf die Suche und Auswahl der Waren konzentriert und ihre Aufmerksamkeit gegenüber ihrer unmittelbaren Umgebung ist daher häufig abgelenkt; es kommt daher immer wieder zu unvorsichtigen Bewegungen oder Richtungsänderungen von Kunden, ohne auf andere die gebotene Rücksicht zu nehmen. Erfahrungsgemäß beginnt eine Beobachtung der Umgebung vielfach nicht vor dem Losgehen/der Bewegung, sondern erst gleichzeitig damit. Darauf haben aber der Supermarktbetreiber und seine Erfüllungsgehilfen bei der Durchführung von Warentransporten während der Geschäftszeiten Bedacht zu nehmen.

Ein Abstand, der zumindest einem gewöhnlichen Schritt entspricht, bietet daher eine realistische Chance der Vermeidbarkeit von Verletzungen der Kunden oder zumindest zu Abwehrhandlungen beider Beteiligter. Ein solcher Sicherheitsabstand ist deshalb beim Schieben von Warentransportwagen (und ebenso von Einkaufswägen) in Supermärkten grundsätzlich einzuhalten, um Berührungen/Verletzungen mit anderen Personen möglichst hintanzuhalten.

Für den - hier nicht feststehenden - Fall, dass die konkrete räumliche Situation (zB wegen weiterer zahlreicher Kunden) die Einhaltung eines ausreichenden Abstands nicht ermöglichen sollte, darf beim Schieben eines Warentransport- und Einkaufswagens nicht unverminderte Schrittgeschwindigkeit eingehalten werden, wie sie beim unbehinderten Gehen im Freien üblich ist; die wegen des zu geringen Sicherheitsabstands evidente Gefahr von Berührungen anderer Personen verlangt nämlich eine Reduzierung der Geschwindigkeit, um die - hier typischerweise realisierte - Gefahr von dadurch verursachten Verletzungen zu minimieren. Wegen der Notwendigkeit, die körperliche Unversehrtheit der Kunden zu wahren, kann in der Verpflichtung, sich unter solchen Umständen besonders langsam zu bewegen, kein unzumutbares Verhalten erblickt werden.

OGH 19. 11. 2014, 3 Ob 160/14x

Sachverhalt

Eine unachtsame Kundin (= Kl) trat im stark frequentierten Supermarkt der Bekl unmittelbar vor einem Warentransportwagen, der von einer Mitarbeiterin der Bek mit Schritttempo vor sich hergeschoben wurde, mit einem Schritt vom Regal weg, sodass der Wagen gegen die Kl stieß und diese verletzte. Die Mitarbeiterin der Bekl hatte nicht verspätet reagiert, der mit dem Wagen eingehaltene Seitenabstand war jedoch geringer als der ausgeführte Schritt und der Mitarbeiterin wäre die Einhaltung eines größeren Seitenabstands möglich gewesen.

Das ErstG wies die Schadenersatzklage mangels Verletzung einer Sorgfaltspflicht durch die Erfüllungsgehilfin der Bekl ab. Im Gegensatz dazu ging das BerufungsG sowohl von einer Haftung der Bekl als auch von einem Mitverschulden der Kl aus. Das Ersturteil wurde wegen fehlender Feststellungen zu einer behaupteten akustischen Warnung aufgehoben, weil diese auf das Ausmaß des Mitverschuldens Einfluss hätte.

Entscheidung

Der OGH bestätigte dieses Ergebnis. Der Erfüllungsgehilfin der Bekl fiel die Einhaltung sowohl eines zu geringen Sicherheitsabstands als auch eines dafür zu hohen Gehtempos zur Last, weshalb der Bekl der Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB nicht gelungen war.

Die behauptete akustische Warnung der Kl konnte die Erfüllungsgehilfin der Bekl nicht exkulpieren. Auf das Verschulden der Mitarbeiterin hat eine Warnung in der behaupteten Form nämlich keinen Einfluss, so der OGH, weil allfällige Rufe während der Annäherung (wie „Achtung“ oder „Vorsicht“) das gebotene Vorgehen der Mitarbeiterin solange nicht beeinflussen dürfen, als ihr nicht erkennbar ist, dass sie von den angesprochenen, insb abgewandten Personen auch tatsächlich wahrgenommen wird. Derartiges hatte die Bekl nicht behauptet. Bis dahin durfte im Zweifel aber nicht darauf vertraut werden, dass die Angesprochenen ihr Verhalten auf den sich nähernden Warentransportwagen einstellen werden.

Auf der anderen Seite hat die Kl nach Ansicht des OGH wegen ihrer Unaufmerksamkeit ein nicht zu vernachlässigendes Mitverschulden zu verantworten, dessen Gewichtung von der angeblichen Warnung durch die Mitarbeiterin der Bekl abhängt.

Im zweiten Rechtsgang hat sich das Verfahren zum Grund des Anspruchs daher darauf zu beschränken; im Übrigen bedarf es der Klärung der Höhe der behaupteten Schäden.

Bearbeiterin: Sabine Kriwanek

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 18849 vom 29.01.2015