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UG: § 59, § 72, § 74
Ein in der Weise fehlerhaft gestalteter Prüfungsbogen einer schriftlichen Prüfung, dass daraus die richtigen Antwortmöglichkeiten ersichtlich sind, kann keine taugliche Grundlage für die Überprüfung des tatsächlichen Wissenstandes eines Prüfungskandidaten und sohin für eine valide Beurteilung eines Studienerfolges darstellen. Es handelt sich demnach um einen derart gravierenden Prüfungsmangel, dass von der absoluten Nichtigkeit der Prüfung auszugehen ist.
Die Auffassung, dass bei Vorliegen dieses Mangels bei einer unbestimmten bzw „nicht zu vernachlässigenden“ Anzahl von Prüfungsbögen die abgehaltene Prüfung in ihrer Gesamtheit absolut nichtig, dh keine Prüfungsarbeit zu beurteilen, sei und es daher nicht von Bedeutung sei, ob dieser Umstand auch für die Prüfung der Revisionswerberin vorgelegen sei, trifft jedoch nicht zu.
VwGH 20. 8. 2021, Ro 2020/10/0025
Entscheidung
Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin vorgebracht, dass konkret auf ihrem Prüfungsbogen der erwähnte Mangel nicht aufgetreten sei und dazu entsprechende Beweisanträge (auf Beischaffung der Prüfungsunterlagen und des Prüfungsprotokolls) gestellt. Weiters hat die Revisionswerberin dazu in der Beschwerde auch ein substanziiertes Vorbringen erstattet, indem sie ausgeführt hat, dass ihr ein Exemplar eines Prüfungsbogens der „Gruppe B“ sowie zwei Exemplare der „Gruppe C“ vorliegen würden, auf denen die richtigen Antwortmöglichkeiten optisch nicht erkennbar seien. In diesem Zusammenhang hat die Revisionswerberin in der Beschwerde auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Das BVwG hat es verabsäumt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die richtigen Antworten auch auf dem Prüfungsbogen der Revisionswerberin optisch erkennbar waren. Es hat insb unterlassen, die Prüfungsunterlagen der Revisionswerberin beizuschaffen und - im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - den Prüfungsbogen einem Augenschein zu unterziehen bzw gegebenenfalls einer Beurteilung durch einen Sachverständigen zuzuführen. Das BVwG hat sich - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - darauf zurückgezogen, dass es sich um eine „nicht zu vernachlässigende Anzahl“ an Prüfungen bzw Prüfungsbögen gehandelt habe, bei denen die richtigen von den falschen Antworten („in unterschiedlichem Ausmaß“) unterscheidbar gewesen seien, und daraus - als rechtliche Konsequenz - die absolute Nichtigkeit der „gesamten“ Prüfung, dh aller Prüfungsarbeiten, abgeleitet.
Diese Auffassung greift in dieser Allgemeinheit aber zu weit und vermag die Annahme des Vorliegens der absoluten Nichtigkeit der Prüfung der Revisionswerberin nicht zu begründen. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, weshalb im Fall der Richtigkeit des Vorbringens der Revisionswerberin deren Prüfung jedenfalls ungültig sein sollte.
Der VwGH verkennt dabei nicht, dass im vorliegenden Fall die Feststellung, welche Prüfungsbögen von dem in Rede stehenden Mangel betroffen waren, (im Nachhinein) möglicherweise Probleme bereitet. Dies entbindet die Behörde bzw das Verwaltungsgericht aber nicht, dazu Beweise aufzunehmen und zu würdigen.
Ausgehend von der unzutreffenden Annahme der Ungültigkeit der „gesamten Prüfung“ hat es das BVwG unterlassen, tragfähige Feststellungen für das Vorliegen einer absoluten Nichtigkeit der am 28. 2. 2019 von der Revisionswerberin abgelegten Fachprüfung „Europarecht“ zu treffen.
Die Revisionswerberin wurde hiedurch im Ergebnis in ihren nach §§ 59 Abs 1 Z 8, 72 Abs 1 und 2 sowie 74 Abs 1 bis 4 UG eingeräumten subjektiven Rechten verletzt.
Das BVwG hat das angefochtene Erkenntnis sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.