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UmweltinformationsRL: Art 2, Art 4
Hinsichtlich “Emissionen in die Umwelt“ iSd § 2 Z 2 UIG (hier: Abwässer) unterliegen dem freien Zugang gem § 4 Abs 2 Z 3 UIG jedenfalls Informationen „in zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form“. Andere Umweltinformationen „als die in § 4 Abs 2 genannten“ sind gem § 6 Abs 2 UIG grds mitzuteilen, sofern ihre Bekanntgabe keine negativen Auswirkungen ua auf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse hätte.
Gem Art 4 Abs 2 UAbs 2 letzter Satz RL 2003/4/EG (UmweltinformationsRL) dürfen die Mitgliedstaaten nicht vorsehen, dass aufgrund von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen ein Antrag abgelehnt werden kann, wenn er sich auf “Informationen über Emissionen in die Umwelt“ bezieht. Aus der Wendung „andere als die in § 4 Abs 2 genannten Umweltinformationen“ in § 6 Abs 2 UIG erhellt hingegen, dass nach der innerstaatlichen Rechtslage nur der Bekanntgabe von Informationen „in zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form“ Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse nicht entgegengehalten werden dürften. Damit ist nach der innerstaatlichen Rechtslage der Zugang zu Informationen über Emissionen in die Umwelt aber einer Beschränkung unterworfen, die nicht mit der UmweltinformationsRL vereinbar ist.
Die UmweltinformationsRL ist in Art 4 Abs 2 UAbs 2 letzter Satz inhaltlich unbedingt und hinreichend genau, sodass sich der Einzelne im Fall nicht richtlinienkonformer Umsetzung bei der Geltendmachung der damit eingeräumten Rechte gegenüber dem Staat unmittelbar darauf berufen kann. Eine Anwendung des § 4 Abs 2 Z 3 UIG entsprechend den Anforderungen der UmweltinformationsRL ist nicht möglich, weshalb die nationalen Behörden und Gerichte verpflichtet sind, die Einschränkung „in zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form“ unangewendet zu lassen. Nur die Nichtanwendung dieser Einschränkung führt zu dem richtlinienkonformen Ergebnis, dass es sich bei Informationen über Emissionen in die Umwelt nicht um „andere als die in § 4 Abs 2 genannten Umweltinformationen“ iSd § 6 Abs 2 UIG handelt und diese daher dem freien Zugang unterliegen.
VwGH 6. 7. 2021, Ra 2020/07/0065
Ausgangsfall
Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass in den Abwässern der Produktionsanlagen der erstmitbeteiligten Partei (einer Produzentin von Lebensmittelzusatzstoffen) Cyanid, Kupfer, Zink, Chlorid und Sulfat enthalten sind und diese Abwässer von der Abwasserreinigungsanlage der zweitmitbeteiligten Partei übernommen und danach in einen Fluss eingeleitet werden, aus dem die revisionswerbende Partei Wasser zur Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen ihrer biologisch-dynamischen Landwirtschaft bezieht.
Bei bescheidmäßiger Genehmigung der Erhöhung der Abwassermenge der Abwasserreinigungsanlage im Jänner 2016 setzte die belangte Behörde Emissionsgrenzwerte für das Abwasser fest (ua betr Kupfer, Zink, Cyanid, Chlorid und Sulfat) und schrieb die Vorlage von Berichten über die Ergebnisse der Kontrollmessungen vor.
Im Dezember 2018 ersuchte die revisionswerbende Partei die belangte Behörde gem § 5 UIG „um Übermittlung der Unterlagen der Beweissicherung 2015-2016 der Abwasserreinigungsanlage“ und „der aktuellen Nachweise und Berichte aus den Jahren 2017 und 2018, die zur Überwachung der Auflage im Bescheid (...) vorgeschrieben wurden.“ Die mitbeteiligten Parteien sprachen sich dagegen aus, weil eine uneingeschränkte Zurverfügungstellung der Ergebnisse der Eigen- und Fremdüberwachung der Jahre 2015 bis 2018, insb in Hinblick auf Chlorid, Sulfat, Cyanid, Kupfer und Zink, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der erstmitbeteiligten Partei verletze, weil dadurch Rückschlüsse auf die Produktion der Lebensmittelzusatzstoffe möglich seien.
Die belangte Behörde teilte der revisionswerbenden Partei in der Folge mit Bescheid nur die Berichte mit, die zuvor um die strittigen chemischen Parameter bereinigt worden waren. Dem Informationsbegehren wurde somit insofern nicht stattgegeben, soweit die begehrten Umweltinformationen die Parameter Zulaufwerte in die Abwasserreinigungsanlage, Cyanid, Kupfer, Zink, Chlorid und Sulfat zum Inhalt hatten.
Das VwG wies die Beschwerde der revisionswerbenden Partei ab. Dem freien Zugang unterlägen gem § 4 Abs 2 Z 3 UIG jedenfalls Informationen über Emissionen in zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form. Dabei handle es sich um besonders wichtige Umweltinformationen, die auf keinen Fall einer Geheimhaltungspflicht unterlägen, va weil sie entweder an frei zugänglichen Orten von jedermann erhoben werden könnten oder aufgrund ihrer Datenqualität keinen Rückschluss auf Daten bestimmter oder mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmbarer Betroffener ermöglichten. Das Auskunftsbegehren betreffe jedoch nicht Daten in „zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form“, sondern die Mitteilung der Beschaffenheit der tatsächlich emittierten Abwässer. Bei diesen Daten könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass jedenfalls keine Geheimhaltungsansprüche bestünden. Damit liege kein Anwendungsfall des § 4 Abs 2 Z 3 UIG vor, bei dem die Informationen jedenfalls dem freien Zugang unterlägen.
Dieses Erkenntnis wurde vom VwGH wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Aufgrund des weiten Begriffsverständnisses des EuGH betr „Emissionen in die Umwelt“ besteht nach Ansicht des VwGH kein Zweifel daran, dass es sich bei den begehrten Berichten der Eigen- und Fremdüberwachung der Jahre 2015 bis 2018 über die Beschaffenheit der eingeleiteten Abwässer um Informationen über „Emissionen in die Umwelt“ iSd Art 2 Z 1 lit b und Art 4 Abs 2 UAbs 2 zweiter Satz UmweltinformationsRL handelt. Nach der ausdrücklichen Anordnung der letzten Bestimmung kann einem Antrag auf Zugang zu solchen Informationen die Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gem Art 4 Abs 2 lit d UmweltinformationsRL nicht entgegengehalten werden.