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Unfallfahrzeug als Abfall iSd AWG 2002?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AWG 2002: § 1, § 2

Für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffs nach § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002 reicht die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern iSd § 1 Abs 3 AWG 2002 aus; es kommt nicht darauf an, dass eine konkrete Gefahrensituation nachweisbar ist. Nach der Rsp des VwGH sind nicht trockengelegte Autowracks als gefährlicher Abfall zu betrachten, weil nach der Lebenserfahrung ein entsprechend hoher Grad an Wahrscheinlichkeit besteht, dass in gelagerten Altfahrzeugen umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen wie zB Bremsflüssigkeiten oder Motoröl vorhanden sind. Eine detaillierte Untersuchung oder konkrete Kontamination durch einen Austritt von Betriebsmitteln aus dem Fahrzeug ist zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der „Verunreinigung der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus“ (§ 1 Abs 3 Z 4 AWG 2002) nicht erforderlich.

Auch bei Kraftfahrzeugen - insb auch bei solchen, die nicht trockengelegt sind - wird der objektive Abfallbegriff allerdings dann nicht erfüllt, wenn diese gem § 2 Abs 3 Z 2 AWG 2002 nach allgemeiner Verkehrsauffassung in einer für sie bestimmungsgemäßen Verwendung stehen. Ein Kfz, das bei einem Unfall beschädigt wurde, steht nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht mehr in einem bestimmungsgemäßen Gebrauch, wenn es nur mehr in unwirtschaftlicher Weise für seinen Zweck nutzbar gemacht werden könnte; dies ist nach der Judikatur grds dann gegeben, wenn die Wiederherstellungs- und Reparaturkosten den Zeitwert unverhältnismäßig hoch überschreiten, den das Kfz vor seiner Beschädigung aufgewiesen hat.

Autowracks weisen typischerweise selbst dann einen wirtschaftlichen Wert auf, wenn eine Nutzbarmachung für ihren ursprünglichen Zweck nur in unwirtschaftlicher Weise möglich sein sollte. In Übereinstimmung mit den Aussagen des EuGH in der Rs C-304/94 ua steht dies einer Abfalleigenschaft nicht entgegen. Entscheidend ist nämlich nach den dargelegten Grundsätzen der Rsp des VwGH nicht die Höhe des Wertes, sondern ob von dem Pkw - insb durch enthaltene gefährliche Anteile und Inhaltsstoffe - eine Gefährdung von Schutzgütern iSd § 1 Abs 3 AWG 2002 ausgeht. Erst wenn insoweit die Definition § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002 verwirklicht wird, stellt sich die Frage, ob die Abfalleigenschaft nach § 2 Abs 3 Z 2 AWG 2002 deshalb zu verneinen ist, weil der Pkw weiterhin nach allgemeiner Verkehrsauffassung in einer bestimmungsgemäßen Verwendung steht, wobei auch insoweit nach den genannten Kriterien der Rsp die Wirtschaftlichkeit der Wiederherstellung des Fahrzeugs entscheidend ist, während die Höhe des wirtschaftlichen Werts des Pkw (bzw nach einem Unfall des Autowracks) für sich allein nicht ausschlaggebend ist.

Auch hinsichtlich Antiquitäten und anderer alter Gegenstände ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob von diesen Gegenständen eine Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 1 Abs 3 AWG 2002) ausgeht. Ist dies zu verneinen, ist schon deshalb der objektive Abfallbegriff nach § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002 nicht erfüllt und stellt sich die Frage eines weiterhin aufrechten bestimmungsgemäßen Gebrauches der Sache nach § 2 Abs 3 Z 2 AWG 2002 gar nicht.

VwGH 12. 11. 2024, Ra 2023/07/0174

Entscheidung

Im vorliegenden Fall sind die Feststellungen des VwG nicht ausreichend, um beurteilen zu können, ob das Fahrzeug nur mehr in unwirtschaftlicher Weise für seinen Zweck nutzbar gemacht hätte werden können.

Das VwG hat einen „Zeitwert des Fahrzeugs vor dem Unfall“ mit € 6.500 festgestellt. Zur „Instandsetzung des Fahrzeugs für dessen bestimmungsgemäße Verwendung“ sei mit einem finanziellen Aufwand von mindestens € 3.050 zu rechnen. Sollte das Kfz aber mit einem Reparaturaufwand von € 3.050 wieder in seinen Zustand vor der Beschädigung gesetzt werden können, wäre nach der Judikatur nicht davon auszugehen, dass es nur mehr in unwirtschaftlicher Weise für seinen Zweck nutzbar gemacht werden könnte.

Die Feststellungen des VwG sind insoweit allerdings nicht eindeutig, zumal es auch ausgeführt hat, dass für die Wiederherstellung bzw Instandsetzung des Pkw noch mit weiteren - nicht konkret festgestellten - Kosten zu rechnen gewesen wäre. Insoweit wäre das VwG jedoch verpflichtet gewesen, den kraftfahrtechnischen Sachverständigen zur Ergänzung und Konkretisierung seines Gutachtens anzuleiten.

Das VwG ist jedoch davon ausgegangen, dass die Instandsetzung des Fahrzeugs bereits deshalb unwirtschaftlich gewesen wäre, weil die Kosten den „Restwert des Fahrzeugs nach dem Unfall“ überstiegen hätten. Damit hat es die Rechtslage verkannt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36193 vom 13.12.2024