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Unzulässiges Einschreiten eines Polizisten außer Dienst – Amtsmissbrauch?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

RLV § 1

SPG: § 31, § 89

StGB § 302

Das Beschwerderecht nach § 89 SPG findet zwar auch außerhalb der Sicherheitspolizei Anwendung, gewährt jedoch kein subjektives Recht auf Einhaltung von nach § 31 SPG erlassenen Richtlinien, vielmehr bloß einen Feststellungsanspruch. Das durch die Beschwerde abgesicherte subjektive Recht ist demnach ein solches auf Feststellung der Erfüllung dem Staat gegenüber bestehender Verpflichtungen.

§ 1 Abs 3 RLV normiert (bloß) eine Verpflichtung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, unter den dort genannten Voraussetzungen und Bedingungen auch außerhalb des Dienstes einzuschreiten. Daraus ergibt sich kein unter dem Aspekt des Schädigungsvorsatzes iSd § 302 StGB [Missbrauch der Amtsgewalt] relevanter Anspruch des Staates, ein Einschreiten bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen zu unterlassen.

OGH 9. 4. 2015, 17 Os 51/14z

Entscheidung

Zudem hat der OGH zusammengefasst ua ausgesprochen:

-Polizeischüler sind als Vertragsbedienstete für die exekutivdienstliche Ausbildung mit einem Sondervertrag iSd § 36 VBG Angehörige des Wachkörpers Bundespolizei und damit Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 5 Abs 1, 2 Z 1 und Abs 6 SPG; EBRV 1726 BlgNR 24. GP, 5). Als solche sind sie grundsätzlich vom Regelungsbereich des § 1 Abs 3 RLV erfasst und haben die mit der dort vorgesehenen Verpflichtung einhergehende (zumindest abstrakte) Befugnis, sich unter bestimmten Voraussetzungen in den Dienst zu stellen und – allenfalls auch außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs ihrer Sicherheitsbehörde (§ 14 Abs 3 SPG; vgl auch § 27 Abs 3 VStG) – sicherheitspolizeiliche Amtshandlungen zu führen. Ihr Einschreiten ist in einem solchen Fall als Organhandeln dem Staat zuzurechnen.

In diesem Zusammenhang hält der OGH auch fest, dass – mit Blick auf die von § 1 Abs 3 RLV normierte Verpflichtung zur Indienststellung – beim (hier nicht erhobenen) Vorwurf einer Verletzung dieser Verpflichtung unter dem Aspekt der Zumutbarkeit (etwa bei Polizeischülern) Ausbildungsstand und (fehlende) berufliche Erfahrung des Organwalters zu berücksichtigen sind (vgl Erlass des BMI vom 20. 1. 1993, abgedruckt bei Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, 1000).

-Ein Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit (Art 1 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit [kurz: PersFrG]; Art 5 EMRK) liegt nicht bei jeder Beeinträchtigung, sondern nur bei einer qualifizierten Beschränkung, einem Entzug, der persönlichen Freiheit vor. Darunter sind im Wesentlichen Festnahme oder Anhaltung zu verstehen (Letzteres iS einer Aufrechterhaltung des durch die Festnahme erfolgten Freiheitsentzugs). Freiheitsbeschränkungen unterhalb dieser Schwelle tangieren den Schutzbereich des Grundrechts von vornherein nicht.
Maßgeblich ist nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rsp zudem die Zielsetzung des Eingriffs. Nur wenn die Intention primär auf die Freiheitsbeschränkung gerichtet ist, liegt ein Eingriff in das Grundrecht vor, nicht jedoch, wenn die Freiheitsbeschränkung bloß ein Mittel zur Durchführung einer anderen Maßnahme darstellt (etwa einer Sicherheitskontrolle, Identitätsfeststellung, Fahrzeugkontrolle oder eines „Alkotests“).
Dass das Verhalten der hier Angeklagten darauf abgezielt hätte, die Insassen des anderen Pkw über das für die Durchführung einer Lenker- oder Fahrzeugkontrolle (vgl § 97 Abs 5 StVO) erforderliche Ausmaß in ihrer Freiheit zu beschränken, etwa an einen bestimmten Ort zu verbringen und dort festzuhalten (vgl etwa VfSlg 15.372), ist dem Urteilssachverhalt gerade nicht zu entnehmen.

Hinweis:

Dahingestellt bleiben konnte, ob § 1 Abs 3 RLV in (hier vorliegenden) Angelegenheiten der Straßenpolizei (Art 11 Abs 1 Z 4 B-VG) überhaupt Anwendung findet (vgl zum [kontroversiellen] Meinungsstand Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht Rz 403 ff; Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4 § 31 Anm 4.1.; Malz in Thanner/Vogl [Hrsg], SPG2 § 31 Anm 3 ff).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19798 vom 03.07.2015