News

Verbandsklage: AGB einer Internetbank – intransparente Zustimmungsfiktion

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KSchG: § 6, § 28, § 29

Auch im Anwendungsbereich des ZaDiG 2018 (das die Zahlungsdienste-RL [PSD II] umgesetzt hat) ist nicht jede Vertragsanpassung über eine Zustimmungsfiktion in AGB schlechthin zulässig, nur weil sie den gesetzlichen Formerfordernissen entspricht. Entsprechendes gilt für das ZaDiG 2009, das die Zahlungsdienste-RL 2007/64/EG (PSD) umgesetzt hat, weil die Bestimmungen zu Vertragsänderungen mit Zustimmungsfiktion in beiden Richtlinien sowie in beiden Gesetzen im Wesentlichen identisch sind.

Auch für die hier zu beurteilende Regelung gelten die Erwägungen der E 10 Ob 60/17x (Klausel 1), Zak 2018/251, und 5 Ob 117/21y (Klausel 11a), RdW 2022/447, betr Intransparenz einer Zustimmungsfiktionsklausel, auch wenn diese gewisse Einschränkungen der Anwendungsmöglichkeit formuliert. Die vorliegende Klausel 2 enthält zwar keine völlig uneingeschränkte Vertragsanpassung mittels bloßer Zustimmungsfiktion (vgl 5 Ob 117/21y [„Änderung der AGB“]), sie erfasst aber alle von der Bekl geschuldeten Leistungen (vgl 10 Ob 60/17x [„lediglich“ vom Verbraucher zu leistende Entgelte]) und lässt Änderungen des vereinbarten Leistungsumfangs ihrem Ausmaß nach nahezu unbeschränkt zu. Wie sich insb auch aus den exemplarischen Rechtfertigungsgründen ergibt, könnte die Bekl für den Verbraucher wesentliche Leistungspflichten durch bloße Zustimmungsfiktion auch zur Gänze entfallen lassen.

Im Hinblick auf die aus dem Transparenzgebot abzuleitende Pflicht zur Vollständigkeit muss der Verbraucher aber von Anfang an (schon in der Klausel selbst) auch über die Gründe und die maßgeblichen Kriterien für eine solche Leistungsänderung auf Basis einer Zustimmungsfiktion informiert werden. Andernfalls bleiben die Auswirkungen der Klausel für ihn unklar. Auch die hier zu beurteilende Klausel lässt den Verbraucher über die Gründe, die mittels Zustimmungsfiktion zu Leistungsänderungen führen können, aber letztlich im Unklaren. Mit der Beschränkung „auf sachlich gerechtfertigte Fälle“ und das erste exemplarisch genannte Beispiel der Notwendigkeit der Änderung durch gesetzliche oder aufsichtsbehördliche Maßnahmen wird vorerst der Eindruck erweckt, es handle sich dabei um (objektive) Gründe, die nicht aus der Sphäre der Bekl stammen und von deren Willen unabhängig sind. Aus den weiteren Beispielen Förderung der Sicherheit des Bankbetriebs oder der Abwicklung der Geschäftsverbindung mit dem Kunden, Erforderlichkeit der Umsetzung technischer Entwicklungen, mangelnde Kostendeckung für die vereinbarten Leistungen und geringe Nachfrage aufgrund geänderter Kundenbedürfnisse wird erkennbar, dass die Bekl mehr oder weniger jede Entwicklung iZm der Erbringung ihrer Leistungen als Anlass für eine Leistungsänderung ansieht, und zwar bei kundenfeindlichster Auslegung auch solche die auf eigene betriebswirtschaftliche Entscheidungen zurückzuführen sind.

Die Klausel enthält demnach in Wirklichkeit eine dem Grunde nach nicht ausreichend konkretisierte, unbeschränkte Möglichkeit der Vertragsänderung mittels Erklärungsfiktion. Der Verweis auf „auf sachlich gerechtfertigte Fälle“ ist damit als intransparent anzusehen. Der Inhalt und die Tragweite der Klausel bleiben in ihren Auswirkungen ungeachtet der genannten Beispielfälle unklar. Die Klausel vermittelt dem Kunden ein unklares Bild seiner vertraglichen Position und ist daher intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.

OGH 25. 8. 2022, 5 Ob 175/21b

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33184 vom 20.10.2022