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Verbandsklage: Girokonto – unterschiedlicher Haben- und Sollzinssatz

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 879

KSchG: § 28, § 29

UGB: § 355

Hauptleistungspflicht der Bank aus dem Girokontovertrag ist die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Verwahrung von Guthaben, um die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr für den Bankkunden zu ermöglichen. Dafür zahlt dieser ein Entgelt. Der Girokontovertrag dient nicht einem Sparzweck und ist nicht primär davon geprägt, dass das Guthaben zwingend zu verzinsen ist. Bei der Verzinsung von Guthaben auf Girokonten handelt es sich daher, auch unter Berücksichtigung der Rsp des EuGH, um eine Nebenpflicht und nicht um eine Hauptleistung. Die Klausel betr Soll- und Habenzinsen unterliegt somit der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB.

Eine Klausel in AGB einer Bank, wonach für ein Girokonto ein fixer Habenzinssatz von 0% und ein an den 3-Monats-Euribor gebundener Sollzinssatz (kaufmännisch gerundet auf volle 0,125 %, zuzüglich eines Aufschlages von 9 Prozentpunkten) vereinbart werden, ist nicht gröblich benachteiligend. Denn für die unterschiedlichen Soll- und Habenzinssätze bzw den Umstand, dass der Habenzinssatz fix bei 0 % und der Sollzinssatz an die Entwicklung des 3-Monats-Euribors mit einem Aufschlag von 9 % gebunden ist, ist eine sachliche Rechtfertigung gegeben, selbst wenn nach dem dispositiven Recht aufgrund des der Geschäftsvereinbarung zugrunde liegenden Kontokorrents nach § 355 Abs 4 UGB Zinsen für den Saldo verlangt werden können. Es liegt keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots oder eine Äquivalenzstörung vor, besteht doch kein auffallendes Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen. Es liegt auch weder ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, noch gegen die guten Sitten vor. Die unterschiedliche Verzinsung von Guthaben und Debet ist, wie ausgeführt, sachlich gerechtfertigt. Es sind Sollzinsen für einen Kreditvertrag nicht mit allfälligen Habenzinsen für ein Guthaben auf einem Girokonto vergleichbar, das die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr ermöglicht.

OGH 3. 6. 2025, 10 Ob 56/24v

Entscheidung

Unterschiedliche Rechtspositionen und Vorteile

Die rechtliche Beurteilung der Verwahrung von Guthaben durch die Bank ist nicht mit jener des Kredits vergleichbar, den die Bank dem Kunden als Überziehungsrahmen gewährt. Es mag sich zwar um ein einziges Vertragsverhältnis handeln, allerdings ist die Bank im Rahmen eines Girokontovertrages nicht verpflichtet, auch einen als Kreditvertrag einzustufenden Überziehungsrahmen zu gewähren.

Zudem sind auch die Rechtspositionen nicht vergleichbar, weil der Verbraucher sein am Konto erliegendes Guthaben jederzeit beheben kann, die Bank somit auch stets Sorge dafür zu tragen hat, über ausreichend Liquidität zu verfügen, um dem Kunden sein Guthaben auszahlen zu können, während sie im Rahmen der Überziehungsmöglichkeit zudem dem Kunden ebenso stets eine entsprechende Geldsumme zur Verfügung stellen können muss. Die vereinbarten Sollzinsen für den Kreditvertrag sind somit rechtlich nicht vergleichbar mit allfälligen Habenzinsen für Guthaben auf dem Girokonto. Eine Äquivalenzstörung ist daher schon mangels vergleichbarer Rechtspositionen zu verneinen.

Es ist auch nicht gröblich benachteiligend, dass allfällige Früchte aus der Verwahrung bei der Bekl verbleiben, liegt doch der Vorteil des Verbrauchers zum einen darin, dass er durch die Führung des Girokontos durch die Bekl am Zahlungsverkehr teilnehmen kann, diese seine Zahlungsaufträge aufgrund eines Guthabens überhaupt durchführen kann und sein Guthaben bei dieser sicher verwahrt sowie aufgrund der gesetzlichen Einlagensicherung iSd ESAEG auch gesichert ist. Dafür leistet er ein Entgelt (monatliches Kontoführungsentgelt). Der Vorteil der Bank liegt darin, dass sie zum einen dieses monatliche Kontoführungentgelt erhält und zum anderen unter Umständen die Früchte des verwahrten Geldes ziehen kann.

Es steht dem Verbraucher im Übrigen frei, wenn er (höhere) Zinsen für sein Guthaben lukrieren will, sein Geld in einem entsprechend verzinsten Sparprodukt anzulegen.

Die vom Kl zitierte E 4 Ob 179/02f ist schon deshalb nicht einschlägig, weil im dortigen Fall bestimmte Soll- und Habenzinsen vereinbart worden waren und die dort beanstandete Klausel Z 38 dazu führte, dass die tatsächliche Zinsenbelastung des Kunden bei einer Kontoüberziehung wegen der anfallenden Zinseszinsen den vertraglich vereinbarten Zinssatz überstieg, während dies bei den vereinbarten Habenzinsen nicht der Fall war. Die dort zu prüfende Klausel unterlief somit die vertragliche Zinsenvereinbarung zu Lasten des Kunden.

Keine sonstige Abweichung vom dispositiven Recht

Im Übrigen liegt auch keine sonstige Abweichung vom dispositiven Recht vor, die zu einer gröblichen Benachteiligung führen würde:

Aus dem VZKG ist entgegen der Ansicht des Kl keine gröbliche Benachteiligung durch die unterschiedliche Regelung von Soll- und Habenzinsen abzuleiten: § 8 Abs 1 Z 4 und 5 VZGK regeln lediglich, dass der Zahlungsdienstleister dem Verbraucher mindestens einmal jährlich und bei der Beendigung des Rahmenvertrags eine Entgeltaufstellung mitzuteilen oder zugänglich zu machen hat, die „gegebenenfalls den Sollzinssatz ... und den Gesamtbetrag der ... in Rechnung gestellten Zinsen“ und „gegebenenfalls den Habenzinssatz ... und den Gesamtbetrag der im Bezugszeitraum aufgelaufenen Zinsen“ zu enthalten hat. Bereits aus dem Wort „gegebenenfalls“ ist eindeutig abzuleiten, dass weder eine Pflicht zur Leistung von Habenzinsen nach diesem Gesetz besteht, noch ist aus der Bestimmung abzuleiten, dass ein Gleichklang zwischen Soll- und Habenzinsen bestehen müsste. Das Argument des Kl, wonach die Einschränkung „gegebenenfalls“ nur dem Umstand Rechnung trage, dass in einem bestimmten Zeitpunkt deshalb keine Habenzinsen anfallen könnten, weil das Konto nie ein Guthaben aufgewiesen habe, geht ins Leere, ist doch nicht nur der Gesamtbetrag der angelaufenen (oder auch nicht angelaufenen) Zinsen anzuführen, sondern auch der Habenzinssatz. Dieser ist anzuführen unabhängig davon, ob Zinsen für ein Guthaben aufgelaufen sind oder nicht.

Auch das Argument der Revision, § 11 Abs 3 Z 1 und 2 VZKG ordne an, dass dem Verbraucher auf der Vergleichswebsite der Bundesarbeitskammer beim Entgeltvergleich der jährliche Sollzinssatz für Überziehungen oder Überschreitungen sowie der jährliche Habenzinssatz für Guthaben auf dem Zahlungskonto anzugeben seien und damit die Entgelte relevante Parameter für die Nachfrageentscheidung des Verbrauchers seien, geht ins Leere. Das VZKG regelt Informationen, die Zahlungsdienstleister einem Verbraucher über die Entgelte für Zahlungskonten erteilen müssen (§ 1 Z 1 VZKG). Inwiefern daraus abzuleiten wäre, dass Soll- und Habenzinsen vergleichbar geregelt sein müssen, ist nicht ersichtlich.

Kein Zinsenanspruch aufgrund der Art des Vertrags

Ebenso ergibt sich aus der Einordnung des Girokontovertrags als Vertrag sui generis mit Elementen des Darlehens und der Verwahrung kein gesetzlich vorgesehener Anspruch auf Zinsen:

Selbst wenn man ein Guthaben des Verbrauchers am Girokonto als Darlehen wertet (siehe die diesbezüglichen Bedenken bei Rabl/Herndl, ÖBA 2024, 196 mwN), spricht das mit Blick auf § 984 Abs 1 ABGB nicht gegen eine Unentgeltlichkeit.

Ein Kreditvertrag, somit ein entgeltlicher Darlehensvertrag, bei dem der Verbraucher Kreditgeber wäre, ist hier zudem schon deshalb zu verneinen, weil der Verbraucher der Bank keinen Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung stellen muss (vgl § 988 ABGB). Der Kunde muss vielmehr nicht einmal ein Guthaben auf seinem Konto haben, kann dieses jederzeit beheben und – im Fall der Einräumung eines Überziehungsrahmens – sogar ins Minus gehen (siehe dazu ausführlicher Rabl/Herndl, ÖBA 2024, 196).

Eine Pflicht der Bank zur Leistung von Zinsen für ein Guthaben auf dem Konto ist auch aus der Einstufung des Girokontovertrags als Vertrag sui generis mit Elementen eines unregelmäßigen Verwahrungsvertrags nicht ableitbar (vgl § 959 ABGB betr verbrauchbare Sachen, von denen der Verwahrer Gebrauch machen darf).

Die beanstandeten Klauseln halten somit einer Inhaltskontrolle stand und sind zulässig.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36922 vom 08.07.2025