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Verwaltungsgericht - Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

BDG 1979: § 92, § 93

VwGVG § 24

Das Verwaltungsgericht kann ungeachtet eines Antrages gem § 24 Abs 4 VwGVG außerhalb des Anwendungsbereichs des Art 6 EMRK von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass „die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt“. Dies ist dann der Fall, wenn von vornherein absehbar ist, dass eine mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann, und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (vgl auch VwGH 28. 5. 2014, Ra 2014/20/0017).

Aus der Formulierung „Klärung der Rechtssache“ in § 24 Abs 4 VwGVG kann auch geschlossen werden, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung nicht nur die Klärung des Sachverhalts und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen hatte, sondern auch die mündliche Erörterung der nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht (vgl auch VwGH 17. 2. 2015, Ra 2014/09/0007).

Ob die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache iSd § 24 Abs 4 VwGVG erwarten lässt, ist in jedem einzelnen Fall ausgehend von der jeweiligen Sache zu beurteilen.

VwGH 21. 4. 2015, Ra 2015/09/0009

Entscheidung

Im vorliegenden Zusammenhang ging es um eine Disziplinarstrafe (Geldstrafe) nach dem BDG 1979 und insb darum, ob das Bundesverwaltungsgericht (auf Antrag) eine mündliche Verhandlung durchführen hätte müssen.

Die Begründung des VwGH lässt sich dahin verstehen, dass, wenn der Beamte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt hat, diese idR auch dann erforderlich ist, wenn bereits eine Verhandlung vor der Disziplinarkommission stattgefunden hat. Explizit hat der VwGH nämlich ua ausgesprochen:

-Das BDG 1979 sieht hinsichtlich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über ein Disziplinarerkenntnis keine von der allgemeinen Bestimmung des § 24 VwGVG abweichenden Voraussetzungen für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor.
-Mit einer Entscheidung über die disziplinarrechtliche Schuld und Strafe eines Beamten wird nach der gefestigten Rsp des EGMR idR eine Entscheidung über eine zivilrechtliche Streitigkeit iSd Art 6 Abs 1 EMRK getroffen.
-Für die Beurteilung der disziplinarrechtlichen Schuld und Strafe ist der unmittelbare Eindruck des Gerichts über Persönlichkeit und Charakter des Beschuldigten von wesentlicher Bedeutung, hier wird eine mündliche Verhandlung regelmäßig auch dann erforderlich sein, wenn bereits eine Verhandlung vor der Disziplinarkommission stattgefunden hat.
-Der VwGH hat vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in den letzten Jahren in allen Fällen, in denen eine mündliche Verhandlung vor dem VwGH beantragt war, eine solche im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK auch durchgeführt. Diese Verpflichtung haben nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz nunmehr die Verwaltungsgerichte zu übernehmen.

Hinweis:

Zur stRsp des EGMR - vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit - betr Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung vor dem VwGH vgl zB LN Rechtsnews 9408 vom 1. 7. 2010 und vor dem VfGH vgl LN Rechtsnews 10384 vom 4. 1. 2011.

Zur Bedeutung des persönlichen Eindrucks vgl auch VwGH 18. 2. 2015, Ra 2014/04/0035, worin der VwGH auch für den Fall der Erteilung einer Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes wegen gerichtlicher Verurteilungen klargestellt hat, dass auch in einem solchen Fall angesichts der Bedeutung eines persönlichen Eindrucks eine öffentliche mündliche Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19734 vom 24.06.2015