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VfGH: Asyl für Unionsbürger?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

Protokoll Nr 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Beim VfGH sind keine Bedenken ob der Gültigkeit der Rechtsvorschriften entstanden – insb des Protokolls Nr 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union –, die der angefochtenen Entscheidung (betr einen litauischen Staatsangehörigen) zugrunde liegen.

Gemäß dem Einzigen Artikel des Protokolls Nr 24 darf ein Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates nur berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen werden, wenn einer der dort genannten Ausnahmetatbestände vorliegt.

Dem BVwG ist nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass die Tatbestände der lit a bis c des Einzigen Artikels des Protokolls Nr 24 von vornherein nicht erfüllt sind.

Lit d des Einzigen Artikels des Protokolls Nr 24 lässt darüber hinaus eine individuelle Einzelfallprüfung zu. Dabei wird "von der Vermutung ausgegangen, dass der Antrag offensichtlich unbegründet ist"; der Asylwerber hat jedoch die Möglichkeit, diese Vermutung zu entkräften, indem er nachweist, dass ausnahmsweise eine inhaltliche Prüfung seines Schutzersuchens erforderlich ist, um den Verpflichtungen Österreichs nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu entsprechen. Um die Vermutung zu widerlegen, ist es Aufgabe des Asylwerbers, nicht bloß zu behaupten, sondern mit näherer Begründung darzulegen, warum er sich nicht des Schutzes des Herkunftsstaates – und insb der dortigen Gerichte – bedienen konnte, um einer privaten oder (punktuellen) staatlichen Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention zu entgehen.

Angesichts dieser Rechtslage ist dem BVwG nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass der Bf (Litauer) die Vermutung der offensichtlichen Unbegründetheit seines Asylantrages – und damit der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der litauischen (Gerichts-)Behörden – mit seinem Vorbringen nicht zu entkräften vermochte.

VfGH 22. 6. 2021, E 2546/2020

Entscheidung

Ob die Behandlung des Bf durch die litauischen Sicherheitsbehörden nach innerstaatlichen Vorschriften rechtswidrig gewesen sein könnte, kann der VfGH nicht beurteilen und ist gem lit d des Einzigen Artikels des Protokolls Nr 24 auch nicht zu prüfen: Das BVwG legt nämlich mit nachvollziehbarer Begründung dar, dass die litauischen Behörden – und insb die Gerichte – grundsätzlich als schutzfähig und schutzwillig anzusehen seien.

Der Bf wendet sich mit seinem Vorbringen gegen seine Behandlung durch die litauischen Sicherheitsbehörden. In diesem Zusammenhang ist insb darauf zu verweisen, dass er gegen die Behandlung in der Haft und seine Verurteilung eine Beschwerde bzw ein Rechtsmittel erheben konnte und auch tatsächlich erhoben hat. Die diesbezüglichen Gerichtsentscheidungen liegen noch nicht vor, was der Bf in seiner Beschwerde an den VfGH auch nicht bestreitet. Der Bf hat darüber hinaus auch kein konkretes Vorbringen dazu erstattet, warum die litauischen Gerichte nicht willens bzw fähig seien, im Rahmen der erhobenen Rechtsmittel Abhilfe gegen die behaupteten Rechtsverstöße zu schaffen.

Vor diesem Hintergrund war das BVwG im vorliegenden Fall auch nicht dazu verpflichtet, eine mündliche Verhandlung (Art 47 GRC) durchzuführen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31301 vom 09.08.2021