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VfGH: Gebührenfreier Empfang von ORF-Programmen über Internet verfassungswidrig

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ORF-G: § 31

Personen, die über ein internetfähiges Empfangsgerät verfügen, das aber keinen Empfang von Rundfunkprogrammen des ORF auf terrestrischem Weg, über Kabel oder Satellit ermöglicht, unterliegen keiner Verpflichtung zur Entrichtung der Rundfunkgebühr und damit auch nicht der Verpflichtung zur Bezahlung des Programmentgeltes; dies ungeachtet der Tatsache, dass sie über dieses internetfähige Empfangsgerät ORF-Programme, die über das Internet verbreitet werden, hören und sehen können.

Geht der Gesetzgeber in Wahrnehmung seiner Finanzierungsverantwortung für den ORF von einer Finanzierung über ein Programmentgelt aus, dann darf er im Hinblick auf die Vorgaben des BVG Rundfunk nicht ein für die Rundfunkordnung insgesamt wesentliches Nutzungsverhalten von dieser Finanzierungsverpflichtung ausnehmen, weil er damit die Finanzierungslast bei grundsätzlich vergleichbarer Teilhabemöglichkeit im Lichte der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie sie das BVG Rundfunk vor Augen hat, maßgeblich ungleich verteilt.

Zwar ist der Gesetzgeber bei einer Finanzierung des ORF über Programmentgelt gehalten, die Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes im Hinblick auf einen Empfang von Rundfunkprogrammen des ORF über das Internet näher und differenziert auszugestalten. Die gänzliche Ausnahme maßgeblich möglicher kommunikativer Teilhabe an den Programmen des ORF ist aber mit einem teilhabeorientierten Finanzierungssystem, wie es der Gesetzgeber im Wege des Programmentgeltes mit Blick auf die Unabhängigkeitsvorgaben des BVG Rundfunk gewählt hat, und damit mit dessen Anforderungen nicht vereinbar.

Indem die maßgeblichen Bestimmungen in § 31 Abs 10 ORF-G iVm § 31 Abs 17 und Abs 18 ORF-G bewirken, dass Personen, die die Programme des ORF nur über das Internet nutzen können, deswegen nicht zur Entrichtung des Programmentgeltes verpflichtet sind, verstoßen sie gegen die Vorgaben des BVG Rundfunk.

VfGH 30. 6. 2022, G 226/2021

Entscheidung

Die Wortfolge ", jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§ 2 Abs 1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gem § 3 Abs 1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften" in § 31 Abs 10 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-G), BGBl 1984/379, idF BGBl I 2011/126 sowie § 31 Abs 17 und § 31 Abs 18 ORF-G idF BGBl I 2010/50 werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. 12. 2023 in Kraft.

Die Überlegungen des VfGH gelten für die hier in Rede stehende gesetzliche Regelung der Verpflichtung zur Leistung des Programmentgeltes. Ob überhaupt und inwieweit sie allenfalls auf die Einhebung von anderen Zwecken iZm der Gestaltung der Rundfunkordnung zugutekommenden Rundfunkgebühren iSd RGG zu übertragen sind, war in der vorliegenden Entscheidung nicht zu erörtern.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32813 vom 19.07.2022